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Wenn Terroristen zum Abschied freundlich winken

Die Terrorkämpfer der Hamas nutzten die Geiselfreilassungen für eine perfide Medieninszenierung
Die Terrorkämpfer der Hamas nutzten die Geiselfreilassungen für eine perfide Medieninszenierung (Imago Images / UPI Photo)

Sieben Tage lang schwiegen die Waffen. Die Terroristen der Hamas nutzten die Zeit nicht nur um sich zu reorganisieren, sondern auch zu einer perfiden Medienperformance.

Es gab kaum einen Einwohner Israels, der in der letzten Novemberwoche nicht allabendlich mit größter Anspannung vor dem Fernseher saß. Die ganze Nation verfolgte die zeitlich verzögert eintreffenden Übertragungen der Geiselfreilassungen. Alle nahmen auf den Aufnahmen zunächst nur jene Personen wahr, auf die man sehnsüchtig wartete: die zurückkehrenden Israelis. Registriert wurde zudem jeder kleine Hinweis zu deren physischer Verfassung.

Auch wenn das Internationale Rote Kreuz die Geiseln in Empfang genommen hatte, kam in Israel keine Erleichterung auf, denn noch waren die Menschen weiterhin im Gazastreifen. Erleichterung konnte erst aufkommen, als sie endgültig die Grenze überschritten. Jeder Abend war eine Zerreißprobe für die ohnehin strapazierten Nerven der betroffenen Familien, aber auch für die gesamte Nation. Genau das nutzte die Terrororganisation Hamas für einen weiteren Akt ihres psychologischen Terrorfeldzugs gegen Israel.

Marketingreife Selbstdarstellung

Die erste Übergabe der Geiseln verlief mit Verzögerungen und mit nur wenigen visuellen Impressionen. Am zweiten Abend sah es dann so aus, als würde die Hamas im letzten Moment alles platzen lassen. Die Ägypter, über deren Territorium der Prozess abgewickelt wurde, waren so echauffiert, dass sie nicht nur Generäle in den Gazastreifen entsandten, um der Hamas die Leviten zu lesen, sondern auch an den folgenden Abenden schon direkt im Gazastreifen und nicht erst am Grenzübergang präsent waren.

Spätestens ab der dritten Freilassung wurde aus der Geisel-Übergabe an das Internationale Rote Kreuz (IRK) eine von der Hamas bestens inszenierte Medienperformance. Die Übergabeorte waren ausgeleuchtet – und nicht nur Kameramänner, sondern auch Drohnen hielten die Momente filmisch fest. Schwerbewaffnete Hamas-Terroristen postierten sich den Drehbuchanweisungen entsprechend. Offensichtlich mussten sie bei der Freigabe von Kindern, Jugendlichen und Frauen kampfbereit sein, denn die Vermummten hielten immer eine Hand an der automatischen Waffe.

Schikaniert noch auf dem Weg

Die Terrorvereinigung sorgte unter anderen dafür, dass über ihren zweiten »hauseigenen« Sender, das katarische Al Jazeera, die Bilder auch all jene Menschen erreichten, die sich nicht in den sozialen Medien tummeln. Aber die Terroristen sorgten auch noch für etwas anderes: So waren die Übergabeorte der Bevölkerung im Gazastreifen bekannt gemacht worden, die es sich nicht nehmen ließ, in Massen zu erscheinen. Es war nicht nur die beste Show des Abends, sondern auch eine gute Gelegenheit, ihren Hass den Israelis direkt ins Gesicht zu schmettern.

Von ihren Geiselnehmern wussten nur die wenigsten Entführten von ihrer Freilassung. Einigen der Israelis, die mehr oder weniger sieben Wochen lang nie wussten, ob ihrem Leben im nächsten Moment ein Ende bereitet wird, die in jeder Hinsicht horrorartige Haftbedingungen sowie physische und psychologische Folter zu überstehen hatten, wurde mit eindeutigen Handbewegungen zu verstehen gegeben, zu einer Lynchaktion geführt zu werden.

Das sahen einige Geiseln tatsächlich auf sich zukommen, als sie die am Wegesrand versammelten Menschen sahen. Den Weg zu den Übergabeorten säumten skandierende Massen, darunter auch Kinder, und immer wieder wurden Steine auf die Wagen geworfen.

Nicht weniger beängstigend dürfte gewesen sein, bei der Ankunft am Übergabeort inmitten des jubelnden Mobs zu stehen. Viele der Gaza-Einwohner, die keineswegs von der Hamas bestellt worden waren, trugen überdies zur Ausleuchtung des Geschehens bei. Mit unzähligen Mobiltelefonen hielten sie die Momente des »Ich war dabei« für die Familie, aber auch die sozialen Medien fest. Das Phänomen trat so massenhaft auf, dass der israelische Armeesprecher Doron Spielman jenen Journalisten, die über die desolate Stromversorgung im Gazastreifen besorgt waren, entgegenhielt: Diese Unmenge an Handys war für lange Filmaufnahmen aufgeladen.

Immer fleißig winken

Es waren absurde Szenen, die angesichts der gespielten Fürsorglichkeit der Hamas surrealistisch wirkten, als bewaffnete Kämpfer den Geiseln, die sie wochenlang größte Entbehrungen ausgesetzt hatten, für die letzten Meter zum IRK-Fahrzeug Wasserflaschen reichten.

Als besonders fürsorglich präsentierte sich die Hamas auch im Fall der 17-jährigen Mia Leimberg. Die Jugendliche, die gemeinsam mit ihrem Hund Bella entführt worden war und das wenige Essen während der Geiselhaft mit ihm geteilt hatte, musste nach dem Aussteigen aus dem Wagen warten, bis sie loslaufen durfte. Schließlich war wichtig, dass alle Kameras sie mit ihrem Hund auf dem Arm ausführlich erfassen konnten.

In Israel wussten alle sofort, dass der Hund Mia in der Geiselhaft eine große Stütze gewesen war, die Hamas ihn jedoch aus einem völlig anderen Grund am Leben gelassen hatte: So konnte man sich der Welt bei der Freilassung als eine »humane« Terrorvereinigung präsentieren.

Bei der Erarbeitung ihres Drehbuchs für die allabendliche Filmproduktion inklusive Zuschauerspektakel ließ sich die Hamas allerdings noch mehr einfallen: Einer der Höhepunkte der Abendshows wurde das freundliche Winken der Terroristen. Hätte Hollywood die Szenen gedreht, wäre wohl vielen Kritiker der Kommentar zu entlocken gewesen: total übertrieben, Hollywood eben. Doch es war zwar Show, aber eben auch Realität, dass die bewaffneten und vermummten Terroristen ihr langanhaltendes, sanftmütiges Good-Bye-Winken zur Schau stellten, während sie ihre Geiseln freisetzten.

Viele der israelischen Geiseln erwiderten den Gruß. Kein Wunder: Wie die Tonspuren von Filmclips belegen, bekamen sie Anweisungen und Drohungen und waren, auch wenn sie bereits in den IRK-Fahrzeug saßen, immer noch mitten im Gazastreifen, umringt von bewaffneten Terroristen und skandierenden palästinensischen Einwohnern.

Allerdings spielten nicht alle Geiseln wie gefordert mit. Ein Jugendlicher erwiderte das Winken zwar, machte aber, als er im Wagen des IRK saß, eine abwertende Handbewegung. Eine ältere Dame schlug die von dem Terroristen beim Ausstieg aus dem Minibus zur Hilfe angebotene Hand einfach aus. Eine junge Frau stand erhobenen Hauptes neben einem Schwerbewaffneten und legte sich, als er ihr Anweisungen geben wollte, verbal mit ihm an. Diese Aufnahmen waren ohne Ton, doch ihre Gestik und Körperhaltung waren unzweideutig. Sie blickte ihm standfest in die Augen und machte deutlich, dass sie auf seine Order pfeift.

IRK als kostenloses Uber-Service

Immer wieder konnte man beobachten, dass die Angehörigen des IRK länger mit den Hamas-Terroristen redeten und sich dann erst den Geiseln zuwandten. In Israel stieß vielen auf, dass die IRK-Mitarbeiter anschließend Geiseln berührten, anfassten oder gar in den Arm nahmen, ohne sie zuvor anzusprechen. Vermutlich eine freundlich gemeinte, doch vollkommen unangemessene Geste.

In Israel hingegen waren die Sicherheitskräfte, welche die Freigelassenen in Empfang nahmen, angewiesen worden, zu fragen, ob man ihnen die Hand reichen oder sie anfassen dürfe. Das IRK-Personal machte auch diesbezüglich den Eindruck, in keiner Weise adäquat professionell geschult oder auf die Situation vorbereitet worden zu sein.

Als in Israel die Kritik an der internationalen Hilfsorganisation über die Beschwerden hinaus, sich niemals ernsthaft um einen Besuch bei den Geiseln oder die Übergabe von lebenswichtigen Medikamenten sowie generell einer medizinischen Versorgung bemüht zu haben, laut wurde, stellte das IRK einfach einen weiteren »Service« ein: Israel wurde nicht mehr wie vereinbar sofort nach dem ersten Gesundheitscheck in den IRK-Fahrzeugen über die Verfassung der zurückkehrenden Geiseln informiert.

Zweifelsohne kam es dem IRK recht gelegen, mit den unübersehbar großen Fahnen im Rampenlicht der um die ganze Welt gehenden Übertragungen zu stehen. Doch die traditionsreiche Organisation, die kein Problem mit der Roten-Halbmond-Bewegung hat, den Magen David Adom (Roter Davidstern, MDA) dagegen immer außen vor ließ, mutierte im Zuge der Überstellung der israelischen Geiseln in den Augen vieler Israelis im besten Fall endgültig zu einem kostenlosen Uber-Service.

Hamas-Terroristen und die anwesende Gaza-Bevölkerung setzten sich gekonnt in Szene und demonstrierten, dass sie Gewalt verherrlichen und ihnen Menschenleben nichts wert sind. Wie gut, dass Israel jedes einzelne Leben wertschätzt und ein gerettetes Leben zelebriert.

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