„Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan befürchten bei den [Kommunalwahlen im März] groß angelegte Manipulationen. Neue Fälle von ‚Phantom-Wählern‘, wie sie in der Presse genannt werden, findet die Opposition fast jeden Tag. Zu ihnen gehört die angebliche Erstwählerin Ayse Ekici im zentralanatolischen Kayseri – sie wurde den Unterlagen zufolge der Wahlbehörde vor 165 Jahren im Osmanenreich geboren. Insgesamt habe seine Partei 6400 registrierte Wähler im Alter zwischen 100 und 165 Jahren gefunden, erklärte CHP-Vizechef Onursal Adigüzel. In Cankiri nordöstlich von Ankara hat sich die Zahl der Wähler seit der Parlaments- und Präsidentschaftswahl vor einem halben Jahr mysteriöserweise fast verdoppelt. In Istanbul fand die Opposition heraus, dass 43 ‚Phantom-Wähler‘ als Bewohner einer Baustelle gemeldet sind. Im südosttürkischen Sirnak ist eine einzige Wohnung angeblich groß genug für 713 Wähler. Auch Viehställe, ausgebrannte Wohnungen und Fußballstadien sind als Adressen registrierter Wähler verzeichnet. Insgesamt gehen die Wahlbehörden Einsprüchen bei über hunderttausend Einträgen in den Wählerlisten nach.
Die Opposition sieht ein klares Muster hinter den verdächtigen Wählerregistrierungen: Erdogans AKP wolle sich gegen unangenehme Überraschungen bei der Kommunalwahl am 31. März absichern. Umfragen zufolge muss die sieggewohnte Regierungspartei unter anderem in der Hauptstadt Ankara mit einer Niederlage rechnen. Auch in Istanbul könnte es knapp werden für die AKP. Schon bei einer Volksabstimmung vor zwei Jahren erklärte die Wahlbehörde am Wahltag überraschend, dass auch Wahlzettel ohne offizielle Verifizierung der Wahlkommissionen gültig seien. Die AKP gewann knapp. Als nach der Kommunalwahl von 2014 bei der nächtlichen Auszählung der Stimmen in Teilen von Ankara unerklärlicherweise der Strom ausfiel, erklärte die Regierung, eine Katze habe sich in ein Trafohäuschen geschlichen und einen Kurzschluss ausgelöst. Die AKP konnte ihre Herrschaft in der Hauptstadt damals mit nur einem Prozentpunkt Vorsprung verteidigen.“ (Susanne Güsten: „Opposition wittert vor Kommunalwahlen Betrug“)