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Wachmänner auf Tourismusmesse: Antisemitismus statt Schutz

Von Alex Feuerherdt

Auf einer Tourismusmesse in Berlin haben Wachleute, die eigentlich für die Sicherheit der Aussteller sorgen sollten, an einem israelischen Stand für einen antisemitischen Eklat gesorgt. Nur ein Einzelfall oder Ausdruck eines grundlegenden Problems mit der Sicherheitsbranche in der deutschen Hauptstadt?

Wachmänner auf Tourismusmesse: Antisemitismus statt Schutz
Quelle: Wikipedia

„Vor Antisemitismus“, so hat es Hannah Arendt einmal formuliert, „ist man nur noch auf dem Monde sicher“. Wie wahr, möchte man ausrufen angesichts eines Vorfalls, der sich vor wenigen Tagen auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin zutrug. Auf dieser Messe finden sich auch israelische Stände, an denen für Reisen in den jüdischen Staat geworben wird, ganz so, wie die anderen rund 190 Aussteller es für ihre jeweiligen Länder auch tun. Nun ist es nicht besonders überraschend, sondern bestürzende Normalität, dass es nicht wenige Menschen gibt, die jeden Anlass nutzen, um ihrem Hass auf Israel freien Lauf zu lassen. Auch auf der ITB war das so, und das nicht zum ersten Mal. Ungewöhnlich war allerdings, dass es keine Besucher taten und auch keine Demonstranten, die sich eigens zu diesem Zweck auf der Messe eingefunden hatten. Sondern vielmehr Mitarbeiter jenes Wachdienstes, der eigentlich für die Sicherheit der Aussteller und einen ungestörten Ablauf der Tourismusbörse sorgen sollte.

Drei Männer des Security-Unternehmens Teamflex Solutions, die auf der Messe eingesetzt wurden, zogen nach Informationen des Tagesspiegel zum Stand der israelischen Tourismusagentur und riefen dort mehrmals lautstark: „Free Palestine!“ Eine Parole, die nahezu ausschließlich von Leuten verwendet wird, die damit die Zerstörung Israels fordern und keineswegs nur einen territorialen Anspruch auf das Westjordanland und den Gazastreifen erheben. Als die Polizei einschritt, so berichtet es die taz, verschwanden die Störer kurz, kehrten aber zurück. „In Fußballmanier“ hätten sie dann palästinensische Fahnen und Schals geschwenkt, wie die Messeleitung bestätigte. Es sei zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen, die Männer im Alter zwischen 19 und 21 Jahren seien schließlich vom Dienst suspendiert worden. Die Polizei gab an, alle drei seien in Berlin geboren, hätten die deutsche Staatsangehörigkeit und einen arabischen Familienhintergrund.

 

Gewerkschaft der Polizei: Verharmlosung oder Ironie?

Wachmänner auf Tourismusmesse: Antisemitismus statt SchutzDie Berliner Dependance der Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlautbarte unterdessen via Twitter: „Traurig, aber wahr: Bei der #ITB mussten Kollegen dem #Israel-Stand zu Hilfe eilen, der von offenbar politisch aufgewühlten Männern der zum Schutz der ITB eingesetzten Sicherheitsfirma bedrängt wurde.“ Das stieß auf Kritik. Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck etwa schrieb, ebenfalls in einem Tweet: „Was hat die denn politisch aufgewühlt? Als Antisemiten ertragen sie die Existenz des jüdischen und demokratischen Staates nicht. Dafür gehören sie von der Sicherheitsfirma gefeuert und für die Zukunft gesperrt.“ Auf Welt Online kommentierte Martin Niewendick: „Das Arsenal sprachlicher Verharmlosung von Israel-Hassern und Antisemiten ist um eine Stilblüte reicher: ‚Politisch aufgewühlte Männer‘. Diese dürfen sich zu den ‚Israel-Kritikern‘ und den ‚besorgten Bürgern‘ gesellen. … Wenn es um Juden und Israel geht, ist Verharmlosung trauriger Volkssport geworden.“

Dem widersprach der Berliner GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Die Männer seien „natürlich nicht politisch aufgewühlt, es sind Antisemiten“, sagte er. „Wir haben die provokanten Worte bewusst gewählt, um endlich einen offenen Diskurs darüber zu führen, dass offen ausgelebter Antisemitismus in unserem Land nicht nur von Neonazis praktiziert wird. Eine verheerende Entwicklung, der wir demokratisch denkenden Menschen uns mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gemeinsam entgegenstellen sollten, auch mit Satire.“ Eine durchaus überraschende Erklärung, vor allem angesichts der Tatsache, dass Ironie gewöhnlich eher nicht zum Repertoire der Polizei gehört und in einer Stellungnahme zu einem Vorfall wie jenem auf der ITB nicht nur unerwartet kommt, sondern auch deplatziert wirkt. Als großer Vorkämpfer wider den Antisemitismus jeglicher Couleur war die Berliner GdP bislang auch nicht aufgefallen, aber man wird nun immerhin die Gelegenheit haben, sie beim Wort zu nehmen.

 

Wachleute mit Kontakten zum islamistischen Milieu?

Wachmänner auf Tourismusmesse: Antisemitismus statt Schutz
Deidre Berger

Die Direktorin des American Jewish Committee (AJC) in Berlin, Deidre Berger, hob derweil hervor, das Fehlverhalten der drei Security-Mitarbeiter auf der ITB sei kein Einzelfall, sondern zeige „zum wiederholten Male auf, dass wir ein tiefgreifendes Problem im Wachschutzbereich in Berlin haben“. Wer „im kriminellen Milieu“ aktiv sei oder sich „in einschlägigen politischen oder religiösen Kreisen“ bewege, dürfe nicht für den Schutz von Bürgern verantwortlich sein, sagte sie. Damit unterstrich Berger etwas, worauf die Behörden in der deutschen Hauptstadt schon länger hinweisen: In Berliner Sicherheitsfirmen arbeiten viele junge Männer, die Kontakte zu einschlägig bekannten Clans und islamistischen Moscheen unterhalten. Das AJC hatte kürzlich in einer Studie darauf hingewiesen, auch Flüchtlinge beklagten, „dass sie in den Gemeinschaftsunterkünften und Sozialämtern insbesondere von türkisch- und arabischstämmigen Angehörigen des Sicherheitspersonals diskriminiert würden“.

Gehören die drei Wachleute zu diesem Milieu? Die Polizei sagt, sie seien in der Vergangenheit mit „Körperverletzungen und Raubtaten“ aufgefallen. Die Sicherheitsfirma Teamflex Solutions gibt laut Berliner Zeitung an, ein Beschäftigungsverbot gegen sie verhängt zu haben, aber nicht über ihre Kündigung oder weitere Konsequenzen entscheiden zu können, weil sie bei einem Partnerunternehmen angestellt seien. Zum generellen Einstellungsverfahren für Mitarbeiter könne man aufgrund „interner Prozesse mit Sicherheitsrelevanz“ nichts sagen. Das klingt eher nach einer bedenklichen Geheimniskrämerei als nach verständlicher Diskretion. Die Messe Berlin beteuert, mit allen Dienstleistern vereinbart zu haben, dass die Wachleute Führungszeugnisse vorlegen müssen. Wenn das auch bei den drei Security-Mitarbeitern der Fall gewesen sein sollte, waren die nicht unerheblichen Straftaten, derentwegen sie der Polizei bekannt sind, offenbar zumindest kein Hindernis.

„Leider beobachten wir generell eine Zunahme solcher Vorfälle in Berlin“, sagte eine Sprecherin der Botschaft des Staates Israel in Deutschland zur taz und verwies unter anderem auf eine Demonstration am Brandenburger Tor, bei der im Dezember des vergangenen Jahres israelische Flaggen verbrannt worden waren. Grundsätzlich, so die Sprecherin weiter, müsse man bei allen Veranstaltungen auf höhere Sicherheitsvorkehrungen achten. Wenn allerdings manche derjenigen, die diese Vorkehrungen umsetzen sollen, selbst ein Teil des Problems sind, verschärft sich die Situation noch – und das ist absurd. Der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber fordert deshalb, die Sicherheitsfirmen in einem Landesregister zu erfassen und jeden Mitarbeiter ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Schließlich sei „der Vorfall auf der Messe kein Kavaliersdelikt, sondern eine gezielte Provokation, die noch mal eine andere Bedeutung bekommt, wenn sie an einem ITB-Messestand stattfindet“ .

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