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Die Ukraine bezahlt teuer, was Israel schon lange verstanden hat

Nicht nur die israelische Luftwaffe ist das Ergebnis der Erkenntnis, dass das Land sich bei seiner Verteidigung nicht auf andere verlassen kann. (© imago images/StockTrek Images)
Nicht nur die israelische Luftwaffe ist das Ergebnis der Erkenntnis, dass das Land sich bei seiner Verteidigung nicht auf andere verlassen kann. (© imago images/StockTrek Images)

Im Konflikt mit Diktaturen ist auf westliche Demokratien kein Verlass. Dieser Lehre hat Israel seine Existenz und Verteidigungsstärke zu verdanken.

Dan Schueftan

Die Ukrainer lernen heute, was die Tschechen 1938 gelernt haben und was die Juden geschworen haben, niemals zu vergessen: Auf westliche Demokratien kann man sich angesichts einer militärischen Bedrohung durch ein autoritäres Regime nicht verlassen. Ein Land, das sich nicht selbst verteidigen kann, wird auf sich allein gestellt sein, wenn es Unterstützung am meisten bräuchte.

Ab den 1930er Jahren baute der Jischuw, die jüdische Gemeinschaft im Mandatsgebiet Palästina, eine Verteidigungskraft auf, die seiner politischen Führung unterstand, und stärkte sie durch eine Widerstandsbewegung, selbst als Großbritannien eine antizionistische Politik verfolgte.

Auf diese Art und Weise vorbereitet, ging der Jischuw in den Krieg mit den Palästinensern, in dem er sowohl auf die von ihm entwickelte militärische Struktur als auch auf die von ihm verwendeten Waffen und Taktiken zurückgreifen konnte. Der Sieg im Unabhängigkeitskrieg wurde nur dank der Mobilisierung des gesamten menschlichen Potenzials des entstehenden Staates und des massiven Waffenschmuggels erreicht, der trotz des US-Embargos stattfand.

Inmitten der panarabischen Bedrohung Israels, die unter der Führung des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser entstanden war, wurde Israel fast zwanzig Jahre lang seinem Schicksal überlassen. Zunächst von den Vereinigten Staaten, dann von Frankreich und schließlich von ganz Europa.

In den 1950er Jahren sah sich Israel mit einer gefährlichen Bedrohung konfrontiert, als die damalige UdSSR Ägypten (und später auch andere arabische Länder) mit großen Mengen an Waffen belieferte. Washington weigerte sich, die dramatischen Veränderungen im Gleichgewicht der Kräfte auszugleichen und Jerusalem mit Verteidigungswaffen zu versorgen.

Als Israel 1956 in den Krieg zog, überwand es den Druck der USA und bescherte Nasser und den Sowjets einen durchschlagenden politischen Sieg. Er festigte Nassers Position in der Region für ein weiteres Jahrzehnt und gipfelte in der Mobilisierung der gesamten arabischen Welt gegen Israel im Jahr 1967.

Frankreich, das in diesem Jahrzehnt Israel bei der Bewältigung dieser Gefahren geholfen hatte, verriet Jerusalem nach dem Sechstagekrieg und unterstützte fortan dessen Feinde.

Als die arabischen Länder Israel 1973 erneut den Krieg erklärten, wandte sich das übrige Europa von Jerusalem ab, indem es sich weigerte, amerikanischen Flugzeugen, die Nachschub für die israelischen Streitkräfte transportierten, das Auftanken in seinen Territorien zu gestatten.

In einem nicht ganz so kritischen, aber ebenso verabscheuungswürdigen und gefährlichen Sinn unterstützt Europa weiterhin Bemühungen, den jüdischen Staat in internationalen Organisationen zu delegitimieren und finanziert großzügig Gruppen, die ihn untergraben.

Israel ist nicht nur wegen seiner Freiheit und Innovationskraft zu einer Erfolgsgeschichte geworden, sondern auch, weil es beschlossen hatte, seine nationale Sicherheit auf Selbstverteidigung zu gründen. Sein Überleben, sein Fortschritt und sein Wohlstand wurden durch sein starkes Militär und seine Entschlossenheit, sich aus eigener Kraft zu verteidigen, ermöglicht, selbst wenn es auf seinem Weg von verschiedenen Verbündeten im Stich gelassen wurde.

Israel erhält Unterstützung, weil es entschlossen ist, ohne sie zu überleben. Es verhindert einen Krieg durch Abschreckung, denn es hat gelernt, dass die Aggression autoritärer Regime dadurch ausgelöst wird, dass die Demokratien zögern, ihre Macht einzusetzen, selbst wenn die Mittel der Diplomatie und der Wirtschaft ausgeschöpft sind.

Europa hat Israel von Anfang an vorgeworfen, sich zu sehr auf sein Militär zu verlassen, und es gedrängt, seine nationale Sicherheit auf die von ihm erfundene »internationale Gemeinschaft« zu stützen. Sie und die amerikanische Regierung unter Joe Biden zeigen jetzt genau, warum ihr Rat nicht befolgt werden sollte.

Die Ukraine wird sich mit der Sympathie der Welt begnügen und sich mit einer schweren Verletzung ihrer Souveränität abfinden müssen. Würde das Schicksal Israels von der Mobilisierung und Entschlossenheit der westlichen Demokratien abhängen, wäre es längst schon besiegelt.

(Dan Schueftan, Direktor des National Security Studies Center der Universität Haifa, berät seit Jahrzehnten hochrangige israelische Entscheidungsträger in Fragen der nationalen Sicherheit, darunter mehrere Premierminister. Der Text wurde auf Englisch unter dem Titel »Ukraine’s rude awakening« u. a. beim Jewish News Syndicate veröffentlicht. Übersetzung von Florian Markl.)

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