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„Tagesschau“ setzt Berliner Mauer mit israelischen Sperranlagen gleich

Israelischer Sicherheitszaun im Süden des Westjordanlandes
Israelischer Sicherheitszaun im Süden des Westjordanlandes

Sehr geehrte Tagesschau-Redaktion,

den 58. Jahrestag des Baubeginns der Berliner Mauer haben Sie am Dienstag zum Anlass genommen, um in Ihrer Hauptsendung um 20 Uhr einen Beitrag Ihrer Korrespondentin Anke Hahn über die Gedenkstätte in der deutschen Hauptstadt auszustrahlen. Darin heißt es unter anderem, 30.000 Besucher hätten im Laufe der Jahre ihre „Gedanken und Gefühle“ in „einer Art Gästebuch“ niedergelegt, und zwar in Form von Bildern und Texten. „No more walls, nie wieder Mauern, das ist die häufigste Botschaft der Besucher, die überall in der Welt die Gefahren solcher Mauern sehen“, resümiert Hahn. Als Beispiele für derartige Gefahren nennt sie die Grenze zwischen den USA und Mexiko, Nordkorea – und Israel. Damit wird automatisch ein Vergleich hergestellt, der in diesem Kontext sogar als Gleichsetzung verstanden werden muss.

Die Erwähnung des jüdischen Staates ist bezeichnend. Anke Hahn spielt in diesem Zusammenhang vermutlich vor allem auf die Sperranlagen entlang der israelischen Grenze zum Westjordanland an, mit deren Errichtung im Juni 2002 begonnen wurde. Der Grund dafür waren zahlreiche Terroranschläge – vor allem Selbstmordattentate – von Palästinensern aus dem Westjordanland auf israelische Zivilisten im Zuge der sogenannten Zweiten Intifada. Von deren Beginn bis zur Fertigstellung des ersten zusammenhängenden Teils der Sperranlagen im Juli 2003 verübten Terroristen insgesamt 73 Selbstmordanschläge in Israel, bei denen 293 Menschen getötet und mehr als 1.900 verletzt wurden – in Bussen, in Restaurants und Cafés, in Diskotheken, bei privaten Feiern, auf öffentlichen Plätzen.

Nach dem ersten Bauabschnitt sank die Zahl der vom Westjordanland ausgehenden Selbstmordattentate bis Ende 2006 auf zwölf mit „nur“ noch 64 Getöteten und 445 Verletzten. Anschließend gingen die Anschläge immer weiter zurück. Man mag der Ansicht sein, dass die Sperranlagen – die im Übrigen lediglich zu etwa acht Prozent aus einer Betonmauer bestehen und ansonsten aus Zaun und Gräben – für einen großen Teil der palästinensischen Bevölkerung übermäßige Härten zur Folge haben und teilweise auf palästinensischem Gebiet errichtet worden sind. Der oberste Gerichtshof in Israel hat ihren Verlauf deshalb mehrmals in Urteilen korrigieren lassen. Eine Tatsache ist es jedoch auch und vor allem, dass Terroristen durch den Sicherheitszaun effektiv daran gehindert wurden, ins israelische Kernland vorzudringen und dort Juden zu ermorden.

Genau das war auch der Grund, warum die israelische Regierung ihn errichten lassen hat: zum Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger vor Terroranschlägen. Anders als die Berliner Mauer hat er also nicht Menschenleben gefordert, sondern Menschen gerettet. Die Sperranlage hat nicht Menschen an der Flucht aus einer Diktatur gehindert, sondern Terroristen an der Verrichtung ihres tödlichen antisemitischen Werks. Dieser Unterschied ist buchstäblich existenziell, und er darf auch dann nicht vernachlässigt werden, wenn man die Ungerechtigkeiten, die damit für Palästinenser einhergegangen sein mögen, für beklagenswert hält. Die Sperranlagen sind ein notwendiges Übel.

Die Besucher der Gedenkstätte in Berlin würdigten „die Menschen, die im Herbst 1989 die innerdeutsche Grenze zu Fall brachten“, sagt Anke Hahn in ihrem Beitrag für die Tagesschau. Diese Menschen, so Hahn, sollten ein „Vorbild für andere werden“, denn eine Zukunft gebe es „nur ohne Mauern“. Nun würden auch die Israelis gewiss gerne ohne den Schutzzaun leben können, doch solange sie nicht nur aus dem Gazastreifen, sondern auch aus dem Westjordanland mit Terrorangriffen rechnen müssen, ist er für sie eine Art Lebensversicherung. Seine Gleichsetzung mit der Berliner Mauer und der implizite Appell, ihn abzureißen, ist deshalb infam.

Mit freundlichen Grüßen,
Alex Feuerherdt

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