Während Sie diese Zeilen lesen, nehmen syrische Truppen und ihre Verbündeten gerade einige Städte in der sogenannten demilitarisierten Zone in Idlib ein. Vorher wurden diese Orte in Schutt und Asche gebombt, die meisten Bewohner flohen nordwärts in noch nicht von Regierungstruppen kontrolliertes Gebiet. Ihre Flucht endet spätestens an einer von der EU mitfinanzierten Mauer, die die Türkei hat errichten lassen, damit keine weiteren Syrerinnen und Syrer mehr ins Land kommen. Unterdessen gehen die Razzien gegen syrische Flüchtlinge in Istanbul und anderen türkischen Städten weiter, denn seit einiger Zeit geht Ankara äußerst repressiv vor und schiebt auch ab – nach Idlib, wo gerade die blutige Offensive stattfindet.
Einer der Orte, die wohl bald fallen werden, ist Khan Shaykhun, dessen Bewohner 2017 Opfer eines der vielen Giftgasangriffe geworden sind. Apropos Giftgasangriffe: Bald jährt sich der sechste Jahrestag der Giftgasmassaker in den Ghoutas, wo 2013 über 1500 Menschen qualvoll zu Tode kamen. Daran werden ein paar Mahnwachen erinnern, zu denen vermutlich ein paar Dutzend Menschen kommen werden. Denn längst spielt es ja keine Rolle mehr, was in Syrien geschieht. Das Regime kann tun und lassen, was es will, stößt nur auf Schweigen oder bestenfalls die ängstliche Frage: Kommen jetzt etwa noch mehr Flüchtlinge? Keine Sorge: Sie können gar nicht kommen, denn inzwischen sind die Grenzen Syriens abgeriegelt und in den Nachbarländern tut man alles um Syrer in ihre vermeintliche Heimat zurück zu befördern, zu jedem Preis. Konventionen oder auch nur minimalste humanitäre Bedenken spielen da schon lange keine Rolle mehr. Pech eben, wenn man in Syrien geboren wurde.
Und während Sie diese Zeilen lesen, setzt das Regime sogar neue, besonders perfide Waffen ein. Seit Jahren terrorisiert es die Bevölkerung in von Rebellen kontrollierten Gebieten mit so genannten Fassbomben. Neuerdings werden diese zusätzlich mit spitzen Nägeln gefüllt, um noch mehr Leid und Schrecken zu verbreiten. Die Bilder oben stammen aus der Kleinstadt Hish.
So siegen unter den Augen der sogenannten internationalen Gemeinschaft gerade die Truppen Assads und Russlands, und wo sie siegen, feiern sie ihren Sieg, stellen stolz Fotos wie dieses links ins Netz, von denen es nach jeder Offensive Dutzende gibt.
So sieht sie aus, die Barbarei, die täglich vier Flugstunden entfernt von Wien oder Berlin stattfindet und inzwischen nicht einmal mehr eine müde Stellungnahme irgend eines Offiziellen hervorkitzelt, dass man sehr besorgt sei und alle Seiten zur Zurückhaltung auffordere. Nein, nicht einmal mehr das ist zu hören. Wer das beklagt, ist ausgerechnet die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der UN, die kürzlich öffentlich der Weltgemeinschaft völliges Versagen attestierte.
Die einzige Frage, die sich stellt: Was wird das Assad-Regime sich als nächstes einfallen lassen? Was kommt nach Giftgas, Fassbomben, systematisch zerstörter Infrastruktur, Hunderttausenden von „Verschwundenen“ und nun diesen Nägelbomben? Wir werden es in Kürze erfahren.