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Steht Netanjahu unmittelbar vor dem Rückzug aus der Politik?

Steht Israels Ex-Premier Netanjahu vor seinem Rückzug aus der Politik
Steht Israels Ex-Premier Netanjahu vor seinem Rückzug aus der Politik? (© Imago Images / UPI Photo)

Das Strafverfahren gegen Israels Ex-Premier Netanjahu könnte in Kürze mit einem Vergleich enden. Das wäre das Ende seiner politischen Laufbahn und vielleicht auch der derzeitigen Regierung.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass der israelische Generalstaatsanwalt, Avichai Mandelblit, zu einem Vergleich im Korruptionsverfahren gegen den ehemaligen Premierminister Benjamin Netanjahu bereit ist.

Medienberichten zufolge habe Mandelblit Netanjahus Anwalt einen Vergleich angeboten, wenn sich der ehemalige Premier im Gegenzug der »Moral Turpitude« schuldig bekenne (ein Straftatbestand, den es im hiesigen Strafrecht so nicht nicht gibt, und der am ehesten mit »Verwerflichkeit« zu übersetzen wäre).

Sollte sich Netanjahu dieser »Turpitude« schuldig bekennen, wäre er damit zugleich für sieben Jahre von jedem öffentlichen Amt ausgeschlossen. Der von Mandelblit vorgeschlagene Vergleich würde also seinen Rückzug aus der Politik mit sich bringen.

Netanjahu ziert sich

Es war Netanjahu selbst, der zuvor über seine Anwälte Kontakt zu Mandelblit aufgenommen hatte, um dessen Bereitschaft für einen Deal auszuloten.

Verschiedenen Quellen zufolge war der Ex-Premier ursprünglich bereit, sich im Fall der Geschenkannahmen, aufgrund derer gegen ihn ermittelt wird, der »Untreue« (»breach of trust«), die keinen Rückzug aus der Politik notwendig macht, schuldig zu bekennen – wenn im Gegenzug die Korruptionsanklagen gegen ihn fallengelassen würden.

Der von Mandelblit gestellten Bedingung, bereits im Zuge des Deals eine Erklärung zu unterzeichnen, dass er für mindestens sieben Jahre aus der Politik ausscheide, wollte der Ex-Premier jedoch nicht zustimmen.

Stattdessen habe er zugesagt, seinen Rückzug aus der Politik nach Abschluss des Vergleichs zu verkünden, wozu wiederum Mandelblit – unter anderem aufgrund der Befürchtung, Netanjahu könnte sein Wort brechen und als Abgeordneter in der Knesset bleiben – sein Einverständnis verweigerte.

Dementsprechend hieß es Sonntagabend von Seiten der Staatsanwaltschaft, ein möglicher Vergleich sei in der Schwebe, die Zeit dafür laufe aber langsam ab, wenn Netanjahu weiter zögere, sich auf ernsthafte Verhandlungen einzulassen.

Mandelblits Amtszeit ende am 1. Februar und Netanjahu könne nicht davon ausgehen, dass die Verhandlungen bis dahin abgeschlossen sein würden, wenn er weiter auf Zeit spiele. Auch wenn sein Rechtsbeistand ihm geraten haben soll, dem angebotenen Deal zuzustimmen, schien Netanjahu bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung getroffen zu haben.

Auch Premierminister Naftali Bennett meldete sich sonntags im Zuge der wöchentlichen Kabinettsitzung zu Wort, um Spekulationen darüber entgegenzutreten, was die politischen Auswirkungen eines möglichen Deals mit Netanjahu wären:

»Die politischen Kommentatoren können ihre Spekulationen zurückstellen und aufhören, sich Sorgen zu machen. Die israelische Regierung funktioniert und wird gut und ruhig weiterarbeiten, Tag für Tag. Zum Wohle der israelischen Bürger.«

Nun doch?

Am Montag berichteten israelische Medien schließlich, Netanjahu habe seine Anwälte beauftragt, die Verhandlungen mit Generalstaatsanwalt Mandelblit voranzutreiben, um sie zu einem Abschluss zu bringen.

Mandelblit nahestehende Quellen erklärten wiederum, die Chancen auf eine Einigung seien »winzig«, weil die Forderungen beider Seiten viel zu weit auseinanderlägen. So warte Mandelblit immer noch darauf, dass Netanjahu die Grundbedingung für einen Vergleich akzeptiere: das Schuldeingeständnis der »Turpitude« und damit einen siebenjährigen Ausschluss aus der Politik.

Während am Dienstag israelische Medien schließlich meldeten, Netanjahu sei bereit, Mandelblits Forderungen anzunehmen, verweisen Analysten auf weitere rechtliche Schwierigkeiten, die einer Einigung im Wege stehen könnten.

So müsse etwa die Anklageschrift umformuliert werden, damit die Richter des Jerusalemer Bezirksgerichts einem Vergleich zustimmen können, statt ihn abzuweisen. Auch sei weiterhin unklar, ob ein Deal überhaupt bis zum 1. Februar machbar ist. Wie Mandelblits designierter Nachfolger Amit Aisman gegebenenfalls in der Sache entscheiden würde, ist bislang nicht bekannt.

Mögliche politische Folgen

Unabhängig davon, wie der Fall rechtlich weiter- bzw. ausgeht, hat er auch politische Implikationen, die das politische System Israels – wieder einmal – auf den Kopf stellen könnten. Sollte Netanjahu für sieben Jahre aus der Politik ausscheiden müssen, würde dies nicht nur das Ende seiner Karriere bedeuten, sondern auch ein Vakuum an der Spitze seiner Likud-Partei hinterlassen – und möglicherweise die Regierung sprengen.

Die politisch von ganz links bis ganz rechts reichende Regierungskoalition, die zu einem großen Teil von ihrer gemeinsamen Antipathie gegen Netanjahu zusammengehalten wird, befände sich dann auf einem noch wackligeren Boden, als sie es teilweise ohnehin schon tut. Sharren Haskel, eine Abgeordnete von Gideon Sa’ars mitte-rechts angesiedelter Partei Tikva Hadash, erklärte denn auch sofort, nach einem Ausscheiden Netanjahus sei »alles möglich«.

Die unterschiedlichen Parteien, aus denen die gegenwärtige Regierung besteht – von der islamischen Ra’am über die linke Meretz bis zur rechten Yamina – teilen vor allem das übergeordnete Ziel, Netanjahus Zeit als Premier zu beenden und ihn von der Macht fernzuhalten.

Doch sollte der Ex-Premierminister sich ganz aus der Politik zurückziehen, könnten die rechtsgerichteten Parteien sehr einfach eine Regierung mit dem ihnen ideologisch nahestehenden Likud unter neuer Führung bilden, mit dem zusammen sie eine Parlamentsmehrheit besäßen. Nicht ausgeschlossen auch, dass sich ehemalige Likud-Mitglieder, die in der Vergangenheit die Partei wegen Netanjahu verlassen haben, vor der nächsten Wahl wieder dem Likud anschlössen.

Mittlerweile bringen sich auch schon einige Likud-Politiker dafür in Stellung, die Nachfolge Netanjahus an der Spitze der Partei zu übernehmen.

So ließ der ehemalige Minister Israel Katz am Wochenende durchblicken, dass er für den Posten kandidieren würde und richtete der regierenden Koalition von Naftali Bennett und Yair Lapid zugleich aus, sie wirke, als ob sie nur »auf jemanden warte, der sie aus dem Labyrinth befreie, in dem sie sich verlaufen hat«.

Auch der ehemalige Minister Amir Ohana und der Knessetabgeordnete und ehemalige Bürgermeister von Jerusalem Nir Barkat haben immer wieder verlautbaren lassen, Netanjahus Posten übernehmen zu wollen – alles Personen, mit denen die rechten Parteien in der aktuellen Regierung wohl kaum ein Problem hätten, zu einer Übereinkunft zu finden.

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