Von Tina Adcock
Der Friedensvertrag zwischen Israel und seinem Nachbarland Jordanien wird im Jahr 2019 seit 25 Jahren bestehen. Der jordanische König verlangt nun zwei Gebiete zurück, die in einem Nachtrag zum eigentlichen Friedensvertrag an Israel verpachtet wurden. König Abdallah II. unterrichtete Premierminister Benjamin Netanyahu über seine Forderungen, Verhandlungen stehen noch aus, doch könnte das Vorgehen, der friedlichen Beziehung beider Länder Schaden zufügen.
Bei den Gebieten handelt es sich um Bakura (Nordwesten Jordaniens) und Ghumar (südliche Provinz Akaba), auf Hebräisch Naharayim und Zofar, die direkt an der israelisch-jordanischen Grenze liegen und vor allem landwirtschaftliche Gebiete sind. Einer der Gründe für die Rückforderung ist der anhaltende innenpolitische Druck auf den jordanischen König. Letzten Freitag forderten Demonstranten gar, den gesamten Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen. Netanyahu betonte die Wichtigkeit der Erhaltung des Friedens mit Ägypten und Jordanien und bezeichnete die Verträge mit beiden Länder als „Anker der regionalen Stabilität“.
Der Friedensvertrag mit Jordanien wurde am 26. Oktober 1994 zwischen dem jordanischen König Hussein und Israels Regierungschef Yitzhak Rabin in Anwesenheit von US-Präsident Bill Clinton unterzeichnet und beendete somit den de facto seit 1948 anhaltenden Kriegszustand zwischen beiden Ländern. Wie kam es aber eigentlich zu diesem Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern, und was ist der historische Hintergrund von Jordanien, dem Land, welches einst die Heimstätte der Palästinenser werden sollte?
Im Jahre 1921 spaltete das Britische Empire von ihrem Mandatsgebiet „Palästina“ einen Großteil ab und nannte ihn Transjordanien. Als Herrscher wurde die Haschimiten-Dynastie bestimmt, deren Vertreter beanspruchen, direkte Nachfahren von Mohammed zu sein. Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels, griffen im Jahr 1948 fünf arabische Armeen – Ägypten, Libanon, Syrien, Irak und Jordanien – den jungen Staat an, um ihn zu vernichten. Jordanien war seit dem Jahr 1946 unabhängig vom Britischen Mandat und der Herrscher Abdullah war zum König ernannt worden. Sein eigentlich Ziel war es, ein „Groß-Syrien“ zu errichten, er eroberte im Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 jedoch lediglich die Altstadt Ostjerusalems und die Westbank und benannte sein Land daraufhin um in „Haschemitisches Königreich Jordanien“.
Eine der Folgen dieser Eroberung war die Verdoppelung der Bevölkerungszahl durch 400.000 Palästinenser, die damit die Majorität im Staat bildeten. Die Beziehungen des Königs zu Israel waren jedoch immer besser als die der anderen arabischen Nachbarn, weshalb schon damals ein eventueller Friedensvertrag möglich schien. Dies mag einer der Gründe sein, aus denen er am 20. Juli 1951 vor der Moschee auf dem Tempelberg von einem der Anhänger des Muftis von Jerusalem ermordet wurde.
Abdullahs ältester Sohn und prospektiver Thronfolger wurde zur selben Zeit wegen einer psychischen Erkrankung in der Schweiz behandelt, sodass er die Nachfolge nicht antreten konnte, wodurch der jüngere Sohn Hussein im Jahr 1952 an die Macht kam und einige Monate später nach seinem 18. Geburtstag zum König gekrönt wurde. Hussein herrschte 40 Jahre über Jordanien und überlebte zahlreiche Anschläge. Seine Regentschaft war von internen Probleme gekennzeichnet, vor allem durch Unruhen der Palästinenser, die Israel hassten, da sie auf dessen Gebiet einen eigenen Staat errichten wollten und Jordaniens Alliierte (Großbritannien und USA) für ihre Unterstützung Israels ablehnten – eine innenpolitische Problematik, die auch in der heutigen Zeit noch aktuell ist.
Ein anderes Problem bestand darin, dass palästinensische Terroristen Jordaniens Lage als Nachbarstaat zu Israel nutzten, um Terroranschläge im jüdischen Staat zu verüben. Im Sechs-Tage-Krieg im Jahr 1967 beteiligte sich dann auch König Hussein an der Allianz gegen Israel, was für ihn nicht nur eine Niederlage brachte, sondern auch den Gebietsverlust der Westbank und Ostjerusalems. Trotz anhaltender Terroranschläge von Palästinensern aus Jordanien, konnten beide Länder in folge einen nahezu friedlichen Umgang miteinander pflegen, was unter anderem die jordanische Nichtteilnahme am Yom-Kippur-Krieg 1973 erklärt. Jordanien hatte mit einer weitaus größeren Bedrohung zu kämpfen: der Palestinian Liberation Organization (PLO). Diese Gruppierung beherrschte die Flüchtlingslager Jordaniens, betrieb Waffenschmuggel und untergrub die Autorität König Husseins.
Der Höhepunkt war erreicht, als palästinensische Terroristen im Jahr 1970 zwei entführte Flugzeuge nach Jordanien flogen und dort in die Luft jagten: ein Terrorakt, der als Auftakt zum „Schwarzen September“ in die Geschichtsbücher einging. Im Anschluss kam es zu offenen Kämpfen zwischen dem König und den Palästinensern, welche ihn nun offiziell stürzen wollten. Syrien unterstütze die palästinensische Seite, Israel sagte Jordanien Hilfe zu, die jedoch nicht benötigt wurde, da der Krieg aus eigener Kraft wurde gewonnen werden konnte, woraufhin hohe Vertreter der PLO, wie Yasser Arafat, nach Syrien (und später in den Libanon) flohen, wo sie auch diese Länder zu untergraben versuchten.
König Hussein etablierte sich als einer der moderatesten arabischen Führer und verlässlichsten Partner der USA. In den nächsten 20 Jahren wurden von Seiten Israels immer wieder Versuche unternommen, eine Lösung für die Palästinenser mit Jordanien zu finden. Doch weder Jordanien noch die Palästinenser akzeptierten eine Regelung unter jordanischer Hoheit als palästinensische Staatslösung. Dem trugen die Osloer Verträgen zwischen Arafat und Rabin Rechnung, die die Eigenstaatlichkeit der Palästinenser zum Inhalt hatten. Damit war zugleich der immer wiederkehrende Vorwurf des Desinteresse Jordaniens gegenüber der palästinensischen Sache vom Tisch und der Weg zu jenem Friedensvertrag mit Israel frei, der 1994 unterzeichnet wurde..
Als König Hussein im Jahr 1999 einen aussichtslosen Kampf gegen seine Krebserkrankung führte, bestimmte er seinen 37-jährigen Sohn Abdullah zum Nachfolger, welcher bis dato die friedliche Koexistenz mit Israel fortführte. Es scheint allerdings so, als würde Jordanien nunmehr unter internen Streitigkeiten leiden und Forderungen nachgeben wollen, die die enge Verbindung mit Israel gefährden könnte. Der König sollte einen Blick auf die Geschichte seines Landes werfen und zweimal überlegen, ob es das Risiko wert ist.
Ein Stück des zurückgeforderten Landabschnitts trägt heute den Namen „Insel des Friedens“, da dort tragischer Weise sieben Schüler im Jahr 1997 von einem jordanischen Soldaten erschossen wurden. König Hussein besuchte daraufhin die Familien der Opfer, drückte sein Beileid aus und vereinbarte neue Sicherheitsbedingungen. Seit dem Friedensabkommen unterhalten Israel und Jordanien gute bis sehr gute Beziehungen zueinander – was König Hussein errichtet hat, sollte König Abdullah nicht einreißen. Bereits letztes Jahr kam es zu einer kurzen diplomatischen Krise, nachdem zwei Jordanier von einem israelischen Sicherheitsbeamten erschossen wurden. Obwohl dieser beteuerte, dass es reine Selbstverteidigung gewesen sei, da er von einem der beiden Personen mit einem Messer bedroht wurde, entschuldigte sich Israel öffentlich für das Geschehene, um die Krise beizulegen..
Es ist bezeichnend, dass Abdallah seine Bekanntmachung über die Gebietsrückforderung am Tag der Ermordung von Yitzhak Rabin öffentlich machte, dem Premierminister, der den Friedensvertrag mit dem Vater des regierenden Herrschers besiegelt hatte. Der innenpolitischen Druck auf den König wächst, wie sich nicht zuletzt an einem Brief zeigte, in dem 80 Anwälte die Aufforderung formulierten, den Frieden mit Israel zu beenden. Auch die drastische Kürzung der Hilfsmittel der USA an die UNRWA trifft Abdullah hart und könnte seine Entscheidung beeinflusst haben, da die Majorität seinen Landes durch Palästinenser gebildet wird, von denen viele noch immer als „Flüchtlinge“ vom UNO-Hilfswerk versorgt werden.
Die Aufgabe der Gebiete würde die israelischen Farmer ruinieren und vielleicht auch die engen Beziehungen zu Israel in fataler Weise beschädigen. Die jordanisch-israelische Geschichte hat aufgezeigt, dass Frieden in der Region möglich und vor allem florierend sein kann. Dieser revolutionäre Schritt sollte nicht rückgängig gemacht werden – im Interesse beider Länder.