Erweiterte Suche

Welche Rolle spielt die Muslimbruderschaft im Krieg im Sudan?

Sudans Armee gewann kürzlich die Kontrolle über die Stadt Omdurman von den Schnellen Eingreiftruppen zurück
Sudans Armee gewann kürzlich die Kontrolle über die Stadt Omdurman von den Schnellen Eingreiftruppen zurück (© Imago Images / Xinhua)

Im Sudan hält sich der Verdacht, Mitglieder der Bruderschaft hätten den aktuellen Krieg (mit) entzündet und arbeiteten daran, den zivilen Wandel des Landes mit Gewalt zu behindern.

Fünf Jahre sind vergangen, seit eine Protestbewegung das von Omar al-Bashir geführte und mit der Muslimbruderschaft verbundene Regime im Sudan gestürzt hat. Seitdem machte das Land eine schwierige Entwicklung durch, die letztlich zum Ausbruch des derzeitigen Machtkampfs zwischen der regulären Armee und den ehemaligen Milizen der Rapid Support Forces (Schnelle Eingreiftruppen) führten.

Doch auch die Muslimbruderschaft, die bis wenige Tage vor dem Ausbruch des aktuellen Machtkampfs am 15. April letzten Jahres in der politischen Debatte präsent war, ist nicht verschwunden: Einige Beobachter meinen sogar, die Gruppe habe durch ihre Zündeleien den Konflikt entfacht, um den Übergang zu einer zivilen Regierung zu verhindern.

Wie der Experte Ahmed Al-Tijani erklärte, bestehe diesbezüglich »die weit verbreitete Meinung, dass die Mitarbeiter der Bruderschaft den aktuellen Krieg entzündet haben, der das Land zerstört hat, und daran arbeiten, den zivilen Wandel mit Gewalt zu behindern. Dies wird durch zahlreiche Videoclips belegt, in denen prominente Mitarbeiter der Organisation damit drohen, die Stabilität des Landes zu untergraben.«

Der sudanesische Politologe Abu Dhar Ali Al-Amin hingegen spielte die Rolle der Islamischen Bewegung, wie die Muslimbruderschaft im Sudan heißt, bei der Auslösung des Kriegs herunter und bezeichnete derartige Behauptungen »übertrieben«.

Abu Dhar, der selbst ein Dissident der islamistischen Organisation ist, sagte, nach dem Sturz von al-Bashir im Jahr 2019 habe die politische Partei der Islamischen Bewegung, die den Namen Nationalkongress trägt, kaum noch existiert. »Wer am Krieg teilnimmt, ist eine Sonderorganisation, eine geheime Organisation, die mit der Bruderschaft verbunden ist, aber sie ist nicht führend, sondern folgt nur den Befehlen und Anfragen der Armee.« Der Politloge ist also ebenfalls der Meinung, dass die Muslimbruderschaft eine Partei im derzeitigen Krieg ist, wenn er auch anderer Ansicht bezüglich der Rolle der Gruppe ist als Ahmed Al-Tijani. Abu Dhar sieht die Muslimbruderschaft lediglich als der Armee untergeordnet und nicht in einer Führungsrolle.

Verhinderung eines Friedenprozesses

Nach Angaben der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat hatten jedoch, bevor der aktuelle Machtkampf Mitte April 2023 ausbrach, prominente islamische Führer, die mit der Muslimbruderschaft verbunden sind, mit Krieg gedroht, sollte die Armee das »Rahmenabkommen« mit den zivilen politischen Parteien umsetzen. Damals wurde etwa der islamische Führer Anas Omar mit der Drohung zitiert, das Rahmenabkommen »um jeden Preis« vereiteln zu wollen.

Das zwischen der Armee, den Rapid Support Forces, die beide Parteien des aktuellen Konflikts sind, und den zivilen Parteien unterzeichnete Rahmenabkommen sah die Bildung einer zivilen Regierung, den Rückzug des Militärs aus der Politik und die Wiederbelebung der Komitees zur Auflösung des Regimes vom 30. Juni vor, die darauf hinarbeiteten, die Muslimbruderschaft von der Ausübung der Politik zu isolieren.

Unabhängig davon, wer den gegenwärtigen Krieg nun genau ausgelöst hat, scheinen die Bruderschaft und die mit ihr verbundenen, bewaffneten Organisationen und Milizen eine zunehmende Rolle in den Kämpfen zu spielen, wie der Anführer des Al-Baraa-Bataillons Al-Misbah Abu Zaid vor einigen Tagen deutlich machte, als er den Sieg erklärte, nachdem die Armee in das Hauptquartier des Fernsehens in Khartum eingedrungen war, das seit den ersten Wochen des Kriegs unter der Kontrolle der Schnellen Eingreiftruppen stand.

Darüber hinaus verherrlichten der Muslimbruderschaft nahestehende Medienplattformen die Rolle der »Mudschaheddin und des Personals der islamischen Bewegung« in den Kämpfen. Einige dieser Plattformen gingen sogar noch weiter und vertraten die Auffassung, dass die Wiederherstellung der Kontrolle über die Fernsehzentrale durch die Armee den Beginn der Rückkehr der Muslimbruderschaft an die Macht und das Ende jeglicher Rolle der politischen Parteien, welche die Revolution von 2019 angeführt hatten, darstelle.

Im vergangenen September machten die Vereinigten Staaten die Rolle deutlich, welche die Islamische Bewegung bei der Verhinderung einer Beendigung des Kriegs spielt, als sie Sanktionen gegen den ehemaligen sudanesischen Außenminister und jetzigen Führer der Islamischen Bewegung, Ali Karti, verhängten, weil sie ihm vorwarfen, die Bemühungen um einen Waffenstillstand zu torpedieren. Damals schrieb US-Außenminister Anthony Blinken in einer Erklärung, die Bewegung sei »eine extremistische islamische Gruppe, die den demokratischen Übergang im Sudan aktiv bekämpft«.

Aufgrund der Rolle der Bruderschaft bei der Verhinderung einer politischen Lösung im Sudan sind in den letzten Monaten Forderungen nach einem Verbot der Gruppe laut geworden. Der Führer der Koalition Kräfte der Freiheit und des Wandels, ein ziviler Block, der ein Partner in der Regierung war, Shihab Ibrahim, forderte im Zuge dessen, die Islamische Bewegung als terroristische Gruppe einzustufen.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!