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Präsidentenwahl im Libanon erneut an Hisbollah gescheitert

Erneut scheitert eine Präsidentschaftswahl des libanesischen Parlaments an der Hisbollah
Erneut scheitert eine Präsidentschaftswahl des libanesischen Parlaments an der Hisbollah (© Imago Images Xinhua)

Die Hisbollah und ihre Verbündeten haben die Wahl eines neuen Präsidenten vereitelt, womit sich das Land seit Oktober, dem Ende der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Aoun, in einem verfassungsrechtlichen Vakuum befindet.

Die erste Sitzung des libanesischen Parlaments fand am Mittwochmorgen statt, nachdem das Quorum, das die Anwesenheit von 86 der insgesamt 128 Abgeordneten erfordert, erreicht worden war. Der Kandidat der Oppositionsfront, der ehemalige Finanzminister Jihad Azour, erhielt 59 Stimmen, während der von der Hisbollah unterstützte Suleiman Franjieh lediglich 51 Stimmen erhielt.

Im ersten Wahlgang benötigt der Kandidat eine Zweidrittelmehrheit, also 86 Stimmen, um die Präsidentschaft zu erlangen, in einem darauffolgenden zweiten Durchgang wären 65 Pro-Stimmen erforderlich. Das gesetzliche Quorum für die erste und zweite Sitzung ist jedoch jeweils die Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten. 

Weil sie wussten, dass ihr Kandidat im zweiten Wahlgang endgültig verlieren würde, zogen sich die Abgeordneten der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah und ihrer Verbündeten einschließlich der schiitischen Amal-Bewegung nach der ersten Sitzung zurück, um so das Erreichen des vorgeschriebenen Quorums zu verhindern – und die Bemühungen der wichtigsten christlichen Parteien zu blockieren, ihren Kandidaten, den hochrangigen Beamten des Internationalen Währungsfonds Jihad Azour, zum Präsidenten zu wählen.

Wie Parlamentssprecher Nabih Berri erklärte, könne die Wahl eines Präsidenten nur im Konsens erfolgen, weswegen er appellierte, den Weg des Dialogs ohne Vorbedingungen zu beschreiten. Jedoch rief er nicht zur Abhaltung einer weiteren Sitzung auf, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Damit ging auch der zwölfte Versuch, in dem das Parlament seit dem verfassungsgemäßen Ende der Amtszeit des vorherigen Präsidenten Michel Aoun versuch hat, einen Nachfolger zu wählen, ergebnislos zu Ende – und das unter den schwierigen und sich extrem verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen des Libanon.

Druck der Hisbollah

In einer unmittelbar auf das neuerliche Scheitern erfolgenden Reaktion erklärte die Sonderkoordinatorin der Vereinten Nationen für den Libanon, Joanna Frontska, heute habe im Parlament erneut eine ergebnislose Präsidentschaftswahl stattgefunden. Frontska forderte, »die libanesische Führung und die Mitglieder des Parlaments« auf, »dringend Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass zum Wohle ihres Landes und seiner Bevölkerung endlich ein Präsident gewählt wird.«

Das libanesische Parlamentsmitglied Fadi Karam fügte dem einen Tag später hinzu , dass »Jihad Azour gestern bereits in der ersten Sitzung mehr Stimmen hätte bekommen können«, was aber dadurch verhindert worden sei, dass »einige Abgeordnete sich im letzten Moment zurückgezogen haben«. 

Karam führte dies auf den Einfluss der Hisbollah-Gruppe zurück, der von persönlichen Anreizen bis hin zu Druck auf die Abgeordneten reiche, um letztlich »das drohende Chaos auch durchzusetzen«, an dem die Hisbollah so interessiert sei. »Die Gruppe rund um die Hisbollah hat die Regeln des demokratischen Spiels nicht akzeptiert, weil sie weiß, wie viele Stimmen wir gewonnen haben, und dass wir sie in der zweiten Sitzungsperiode übertrumpfen können. Deshalb haben sich ihre Abgeordneten aus dem Parlament zurückgezogen, weil sie den Libanon in der Hand der Hisbollah halten will.«

Die Szenarien der unmittelbaren Zukunft betreffend, zitierte die Website Libanon 24 informierte Quellen mit der Aussage, die Hisbollah und ihre Verbündeten würden auch weiterhin an der Nominierung von Suleiman Franjieh für das Präsidentenamt festhalten und keine Zugeständnisse machen. »Andererseits werden die Oppositionskräfte in der nächsten Phase weniger auf Azour setzen, da das Hauptziel: das Erreichen der Hälfte der Stimmen plus eins bei der Abstimmung in der gestrigen Parlamentssitzung, nicht erreicht werden konnte«. Dies bedeute aber nicht, dass die Opposition nun »den Kandidaten der Hisbollah unterstützt«, sondern sei eher ein Zeichen der allgemeinen Ratlosigkeit, wie es nun weitergehen solle.

Internationaler Druck nötig

Der libanesische Politologe Muhammad Saeed Al-Raz meinte am Donnerstag zur aktuellen Situation, dass »nach der gestrigen Parlamentssitzung im Libanon eine neue Phase begonnen« habe. Eine der Überschriften, mit denen diese Situation charakterisiert werden könne, sei: »Die Suche nach einem neuen Kandidaten braucht die konsensual erfolgende arabische und internationale Intervention, um Druck auf die verschiedenen politischen Parteien auszuüben, damit sie eine Einigung erzielen, die das verfassungsrechtliche Vakuum im Land beendet.«

Schon im Jahr 2016 konnte der vormalige Präsident Michel Aoun sein Amt erst nach nach zweieinhalb Jahren Vakanz und einer politischen Einigung zwischen der Hisbollah und ihren Gegnern, die auf massiven internationalen und regionalen Druck zurückzuführen war, übernehmen.

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