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Hisbollah versucht, Marionettenpräsidenten im Libanon zu installieren

Während seines Besuchs im Libanon traf sich Irans Außenminister Amir-Abdollahian auch mit Hisbollah-Chef Nasrallah
Während seines Besuchs im Libanon traf sich Irans Außenminister Amir-Abdollahian auch mit Hisbollah-Chef Nasrallah (© Imago Images / ZUMA Wire)

Der Libanon versucht, politische Stabilität zu erreichen, sollte aber der Kandidat der Hisbollah gewählt werden, würde das Land noch stärker zu einem Stellvertreter des Iran.

Yoni Ben Menachem

Unlängst besuchte ein wichtiger Gast den Libanon: der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, der in Beirut mit dem Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und hohen libanesischen Regierungsvertretern zusammentraf. Bei den Gesprächen ging es um die Auswirkungen des Abkommens zwischen Saudi-Arabien und dem Iran auf die Lage im Libanon sowie um die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten.

Der Besuch von Amir-Abdollahian war eine Botschaft an die Libanesen, dass der Iran nach dem iranisch-saudischen Abkommen nicht beabsichtigt, seinen Einfluss auf den Libanon aufzugeben. Abgesehen von dem Angebot, im Libanon Kraftwerke zu bauen und die »bilaterale Zusammenarbeit im Strom- und Gassektor« auszubauen, machte Amir-Abdollahian jedoch keine Andeutungen über Hilfen für die kollabierende Wirtschaft des Libanons.

Natürlich gehörten »der Druck der USA und die Panikmache mit Sanktionsdrohungen zu den Problemen« die die libanesische Wirtschaftskrise befeuern, »aber Sie sollten wissen, dass die US-Sanktionen gescheitert sind«, erklärte der iranische Außenminister laut der englischsprachigen Zeitung Tehran Times. [Anmerkung der Redaktion: Im November 2022 besuchte Samantha Power, die Leiterin der US-Behörde für internationale Entwicklung, den Libanon und kündigte eine Nahrungsmittelsoforthilfe in Höhe von 72 Mio. Dollar (65 Mio. Euro) an. Im März 2023 sagte die Europäische Union humanitäre Hilfe in Höhe von 60 Mio. Euro zu. Seit 2012 haben die Vereinigten Staaten dem Libanon humanitäre Hilfe in Höhe von drei Mrd. Dollar (2,7 Mrd. Euro) bereitgestellt].

Der iranische Minister besuchte gemeinsam mit Vertretern der Hisbollah auch den Südlibanon, inspizierte die Grenze zu Israel und brachte seine Unterstützung für den libanesischen Terror gegen den jüdischen Staat zum Ausdruck: »Wir sind heute hier, um erneut mit lauter Stimme zu erklären, dass wir den Widerstand im Libanon gegen das zionistische Gebilde unterstützen.«

Iranische Unterstützung

Amir-Abdollahian traf auch mit dem Führer von Irans wichtigstem palästinensischen Stellvertreter, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ), zusammen, führte in der iranischen Botschaft in Beirut mehrere Gespräche mit mehr als zwanzig Mitgliedern des libanesischen Parlaments und betonte, dass sich die Libanesen untereinander über den neuen Präsidenten einigen müssten. Mit anderen Worten, er deutete die Empfehlung des Irans an, sich mit der Hisbollah zu verbünden, die die Kandidatur des ehemaligen Ministers Suleiman Franjieh für das Präsidentenamt unterstützt.

Franjieh selbst zeigt sich optimistisch, dass sich die Lage angesichts der Veränderungen in der Region, insbesondere durch das Abkommen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und die Annäherung Saudi-Arabiens an Syrien, verbessern werde. Die Tatsache, dass Frankreich seine Kandidatur befürworte und die Hisbollah darauf bestehe, ihn auch als nächsten Präsidenten zu unterstützen, ermutigen ihn.

Die Hisbollah wiederum sendet den Libanesen die klare Botschaft, dass Franjieh der einzig mögliche Kandidat sei und eine Nichtunterstützung ein längeres politisches Vakuum bedeuten würde. Die Terrororganisation sucht nach einer ebensolchen Marionette wie der vorherige Präsident, General Michel Aoun, eine war. 

Während auch Frankreich, ein wichtiger Befürworter des Zedernstaates, die Kandidatur Franjiehs unterstützt, gibt es in der libanesischen Gesellschaft eine starke Opposition gegen ihn. Zwei christliche Blöcke, die Freie Nationale Partei und die Partei der Libanesischen Kräfte, lehnen seine Kandidatur ab. Sie versuchen, seine Wahl zu verhindern und berufen sich dabei auf die libanesische Verfassung, nach der ein Präsident vom Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden muss.

Suleiman Franjieh wird von seinen Gegnern als korrupt, als Teil des Regierungsapparats, der den libanesischen Finanzhaushalt in den letzten Jahren geplündert hat, und als Marionette Syriens betrachtet. Für sie bedeutet eine allfällige Wahl des Hisbollah-Wunschkandidaten, den Libanon an den Iran auszuliefern und dessen Hegemonie im Libanon zu stärken. 

Franjieh seinerseits hat unlängst eine Kampagne gestartet, in der er alle Parteien im Libanon und auch Saudi-Arabien umwirbt und ihnen schmeichelt, indem er erklärt, Saudi-Arabien gegenüber nicht feindselig eingestellt zu sein und nur das Beste für die Araber und Saudi-Arabien zu wollen.

Hilfe von Saudi-Arabien

Die Hisbollah ist optimistisch, was die Chancen von Franjieh angeht. Ihr stellvertretender Generalsekretär, Scheich Naim Kassem, sagte am 28. April, die positiven Anzeichen mehrten sich von Tag zu Tag, und die Hisbollah unterstütze Franjieh, da er würdig sei, Präsident zu werden. 

In der Vergangenheit hat Saudi-Arabien bedeutenden Einfluss auf die libanesische Politik ausgeübt, was auch heute nicht anders ist, nicht zuletzt weil sich der Libanon sich ohne die Hilfe Saudi-Arabiens und der Golfstaaten wirtschaftlich nicht erholen kann. 

Die Hisbollah ist davon überzeugt, dass sich das Abkommen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran positiv auf die Beilegung mehrerer Konflikte im Nahen Osten auswirken werde, wie zum Beispiel auf das Ringen um einen Waffenstillstand und eine politische Lösung des Kriegs im Jemen, in den Saudi-Arabien verwickelt ist – und auch auf die Frage der Wahlen im Libanon. Die Terrorganisation wartet nun darauf, dass der Iran Saudi-Arabien davon überzeugt, die Kandidatur von Franjieh zu unterstützen. Saudi-Arabien seinerseits wartet ab, ob der Iran seine Zusagen bezüglich der Beendigung des Kriegs im Jemen einhalten wird.

Der Iran ist daran interessiert, der Welt zu zeigen, dass sein Abkommen mit Saudi-Arabien nicht bloß zum Schein geschlossen wurde, und das der Nahe Osten durch die Einhaltung des Abkommens in eine positivere Richtung bewegt werden kann. Eines der wichtigsten Themen in diesem Zusammenhang ist eine Einigung in der Frage der libanesischen Präsidentschaftswahlen.

Die Hisbollah hat Franjieh an die vorderste Front der politischen Bühne gestellt und den Libanesen eine klare Botschaft übermittelt: Er ist ihr nächster Präsident, den sie akzeptieren müssen, weil es keine anderen geeigneten Kandidaten gibt. Franjieh seinerseits versucht, seine Unterstützung für Syrien und seine Mitgliedschaft in der vom Iran angeführten »Achse des Widerstands« öffentlich zu leugnen. In Interviews mit heimischen Medien behauptet er, kein »Schattenpräsident« sein zu wollen und keine Befehle von irgendeiner Partei entgegenzunehmen. 

Die Öffentlichkeit kauft jedoch nicht, was Franjieh ihr zu verkaufen versucht. Wie es derzeit aussieht, hängt viel davon ab, wie die endgültige Position Saudi-Arabiens in dieser Frage aussehen und ob es dem Iran gelingen wird, sie aufzuweichen. Eine Wahl Franjiehs würde die iranische Hegemonie im Libanon und in der Region stärken und wäre natürlich für Israel und die Vereinigten Staaten untragbar.

Der Libanon braucht politische Stabilität, aber sollte Franjieh gewählt werden, wird das Land noch stärker zu einem iranischen Stellvertreter werden.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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