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Palästinensische Wahlen: Warum jetzt?

Will Abbas mit der Ankündigung von Wahlen ein Zeichen an US-Präsident Biden senden?
Will Abbas mit der Ankündigung von Wahlen ein Zeichen an den neuen US-Präsident Biden senden? (© Imago Images / Xinhua)

Ist die Ankündigung der ersten palästinensischen Wahlen seit mehr als einem Jahrzehnt als Zeichen an die neue US-Regierung gedacht?

Eyal Zisser

Mahmoud Abbas ist seit 16 Jahren Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, in deren Namen er über die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland herrscht. Er hat es nachhaltig vermieden, Wahlen abzuhalten, obwohl er ursprünglich bloß für eine vierjährige Amtszeit gewählt worden war. Doch offensichtlich hat er nicht das Gefühl hat, dass er Wahlen braucht, um seine Legitimität in den Augen der Welt oder seiner Untertanen aufrechtzuerhalten.

Dabei hat er besonders gern Israel für die Verhinderung von Wahlen verantwortlich gemacht, doch er selbst war es, der keine Wahlen wollte, ja sie sogar fürchtete. Schließlich waren die bislang letzten Wahlen im Jahr 2006 für ihn und die Palästinenser im Allgemeinen katastrophal ausgegangen, da die Terrororganisation Hamas die Mehrheit gewann und sich die Kontrolle des Gazastreifens erkämpfte. Heute sind die israelischen Sicherheitskräfte die einzige Barriere zwischen der Hamas und Abbas’ Sitz in Ramallah, eine Tatsache, der sich Abbas wohl bewusst ist.

Kursänderung

Nun aber hat er dennoch seinen Kurs geändert und sogar eine Vereinbarung mit der Hamas getroffen, wenn auch eine ziemlich verräterische. Wir können kaum davon ausgehen, dass Abbas plötzlich beschlossen hat, der Hamas zu vertrauen. Auch scheint die palästinensische Bevölkerung nicht übermäßig erpicht oder gar interessiert an Wahlen zu sein. Sicherlich gibt es keinen Druck von unten sie abzuhalten.

Abbas feiert in diesem Jahr seinen 86. Geburtstag, was nicht das Alter ist, in dem man eine neue politische Karriere beginnt oder abermals zu Wahlen antritt. Und im Allgemeinen werden in der Palästinensischen Autonomiebehörde wie in anderen Teilen der arabischen Welt die Führer ohnehin nicht in Wahlen bestimmt, sondern hinter den Kulissen – manchmal nach gewaltsamen, blutigen Machtkämpfen. Wahlen dienen nur dem Schein, um den Führern oberflächliche Legitimität zu verleihen, die in Wirklichkeit bereits die Macht errungen haben.

Es ist möglich, dass die Wahlankündigung für die Ohren des neuen Mieters im Weißen Haus bestimmt war, mit dem Ziel, eine neue Ära der Beziehungen zwischen den Palästinensern und Washington einzuläuten. In der Tat wird Bidens Regierung wahrscheinlich empfänglicher als seine Vorgängerin für die gut eingeübte Vortäuschung von Demokratie seitens Abbas‘ sein.

Dilemma für Israel

So oder so, die angekündigten Wahlen in der Palästinensischen Autonomiebehörde stellen ein Dilemma für Israel dar. Im Jahr 2006 ließ Israel auf Druck der US-Regierung von Präsident George W. Bush die Hamas zu den Wahlen zu, obwohl die Terrororganisation die Osloer Verträge nicht anerkannte. Die Ergebnisse sind bekannt, und Israel kann es sich nicht leisten, noch einmal in die gleiche Falle zu tappen oder einem ähnlichen Druck zu erliegen.

Auf jeden Fall ist zweifelhaft, ob die Wahlen überhaupt abgehalten werden. Aber selbst wenn die Palästinenser an die Urnen gehen, könnte diese Wahl im besten Fall einige der Gesichter verändern, an die wir uns gewöhnt haben. Vor Ort werden sie keinerlei wirkliche Veränderung herbeiführen.

Eyal Zisser ist Dozent am Institut für Geschichte des Nahen Ostens an der Universität Tel Aviv. Der Artikel „Palestinian elections: Why now? ist zuerst beim Jewish News Syndicate erschienen. Übersetzung von Alexander Gruber.

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