Der Österreichische Auslandsdienst unterzeichnete eine Kooperationsvereinbarung mit der Jewish Agency for Israel und unterstützt deren Arbeit.
Daniel Schuster
Zum Selbstverständnis des Zionismus gehörte stets, nicht nur, wenn doch primär, ein Segen und Schutz für Juden und Jüdinnen der Welt zu sein, sondern auch ein Segen für Nichtjuden, wenn auch sekundär. Das Ziel des Zionismus war es, einen jüdischen Staat in Palästina zu gründen; ein Ziel, das am 14. Mai 1948 erreicht wurde.
Die Staatsgründung Israels war die Erfüllung eines Traums, der von Idealen geprägt war. Es sollte ein jüdischer und demokratischer Staat sein, der von den Werten Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden geprägt ist. In der Rede, die den Staat begründete, sagte David Ben-Gurion:
»Der Staat Israel wird offen sein für die jüdische Einwanderung und für die Heimkehr der Exilanten; er wird die Entwicklung des Landes zum Nutzen aller seiner Bewohner fördern; er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden beruhen, wie es die Propheten Israels vorhersahen; er wird allen seinen Bewohnern ungeachtet ihrer Religion, ihrer Rasse oder ihres Geschlechts die völlige Gleichheit der sozialen und politischen Rechte gewährleisten; er wird die Religions-, Gewissens-, Sprach-, Bildungs- und Kulturfreiheit garantieren; er wird die heiligen Stätten aller Religionen schützen, und er wird den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu sein.«
Obwohl Israel als Staat und Gesellschaft hinter einigen seiner Ideale und Hoffnungen zurückgeblieben ist, wurde dennoch ein beeindruckendes Land erschaffen. Im Vergleich zu seinen Nachbarländern sowie den Ländern der Region, dem Nahen und Mittleren Osten sowie (Nord-)Afrika bietet Israel seinen Staatsbürgern ein – gemessen an den Standards des Human Development Index – gutes Leben. In diesem Sinne hat Israel es geschafft, seinen jüdischen und nicht-jüdischen Staatsbürgern ein Segen zu sein.
Die Welt reparieren
Teil der Idee des Zionismus war jedoch auch, ein Segen für die gesamte Menschheit zu sein. Israel sollte ein Land sein, aus dem Wertvolles in die Welt getragen wird. Das Judentum definiert diesen Auftrag als Tikkun Olam, was bedeutet, die Welt zu reparieren und zum Leben aller Juden gehört bzw. gehören sollte. Umgesetzt wird dies durch Wissenstransfer, Technologietransfer, humanitäre Hilfe, Austauschprogramme und andere Methoden.
Auch wenn Israel in seinem politischen Umgang mit anderen Staaten oft realpolitisch agiert, was insbesondere im Falle eines vielfach bedrohten Staates zwar seine Schattenseiten mit sich bringt, so liegt es einerseits auch im Sinn dieser Realpolitik, anderen Staaten und Gesellschaften zu helfen. Andererseits besitzt Israel als Demokratie eine starke Zivilgesellschaft, in der sich viele Menschen befinden, die anderen – Juden und Nichtjuden – helfen wollen und dies auch konkret tun.
Eine der beeindruckendsten dieser Initiativen ist Save a Child’s Heart, die durch medizinische Eingriffe Tausenden von nicht-israelischen Kindern das Leben gerettet hat und Ärzte aus anderen Ländern nach Israel bringt, um sie im dafür notwendigen medizinischen Knowhow auszubilden.
Eine andere Initiative namens Project TEN der Jewish Agency for Israel errichtete in verschiedenen Ländern der Welt (derweil in Ghana, Uganda, Südafrika, Äthiopien, Griechenland, Mexiko, Kambodscha und Israel) Freiwilligenzentren, in denen Israelis und jüdische Nicht-Israelis Sozialdienste an der unmittelbar dort lebenden Gesellschaft leisten. Israelis lehren dort das, worin sie am besten sind: informelle Bildung, also Kommunikation, Leadership, Kreativität und anderes.
Sozialarbeit in Ghana
Im Februar 2022 besuchte ich das Freiwilligenzentrum von Project TEN in Winneba, Ghana, und war beeindruckt und angetan von der Arbeit, die die israelischen Freiwilligen nach der Absolvierung ihres Militärdienstes dort leisteten. Gut strukturiert, tief durchdacht und professionell geleitet, bereiteten sich Israelis intensiv auf ihren Unterricht am nächsten Tag vor und unterrichteten Kinder aus mehreren Schulen in Winneba auf spielerische Weise, inklusive an einer islamischen Schule.
Auch intellektuelle Beschäftigung ist ein fixer Bestandteil der Arbeit von Project TEN vor Ort. Am Abend meiner Übernachtung kam die Gruppe zusammen und las und diskutierte einen Artikel von Kwame Nkrumah, dem ersten Präsidenten Ghanas, um so das Land und die Gesellschaft Ghanas besser verstehen zu können.
Eine der konkreten Entwicklungen, die aus der jahrelangen Investition der israelischen Sozialdiener in Winneba hervorging und zufälligerweise an einem Tag meines Besuches konkretisiert wurde, war die Gründung des ersten Winneba Youth Councils – einer Schülerorganisation, in der Demokratiebewusstsein, Frauenrechte und informelle Bildung gefördert werden und die ausschließlich von ghanaischen Lehrern geleitet wird. Ein Stück Weitergabe israelischer Bildung, Kultur und Gesellschaftsstruktur an Ghana.
Kooperation mit Jewish Agency for Israel
Im Anschluss an meinen Besuch unterzeichnete die Jewish Agency for Israel mit dem Verein Österreichischer Auslandsdienst eine Kooperationsvereinbarung, die es den von unserem Verein entsandten Freiwilligen ermöglicht, an manchen dieser israelischen Freiwilligenzentren teilzuhaben, mit den israelischen und nicht-israelischen Freiwilligen zu leben und gemeinsam Sozialdienst in ihrer Umgebung zu leisten.
Seitdem ist es unseren Auslandsdienern erstmals möglich, mit der finanziellen Unterstützung der Republik Österreich für jeweils mindestens drei Monate sukzessive in zum Beispiel Ghana, Uganda und Südafrika einen Auslandsdienst zu leisten, der ab der Absolvierung von mindestens zehn Monaten als Zivilersatzdienst und Alternative zum Bundesheer anerkannt wird.
Einer dieser ersten österreichischen Freiwilligen ist Michael Herold (Pseudonym) aus dem Burgenland. Er verbrachte gut drei Monate mit den Israelis in Winneba, ist nun mit ihnen im südafrikanischen Durban und wird seinen Auslandsdienst mit ihnen im ugandischen Entebbe beenden. Für den Jahrgang 2023/24 kommt das Project TEN Zentrum in Siem Reap, Kambodscha, als weitere Möglichkeit hinzu.
Alle Länder haben ihre Sonnen- und Schattenseiten, kein Land ist perfekt, so natürlich auch Österreich und Israel. Es gilt, die guten Initiativen und Ideen zu fördern und die Projekte, die diese Welt zu einem besseren Ort machen, zu unterstützen. Besonders vor dem Hintergrund der Geschichte des Holocausts, die Österreich und Israel verbindet, berührt mich die Symbolik dieser neuen Kooperation zwischen der Jewish Agency for Israel und dem Österreichischen Auslandsdienst: Junge Israelis, Juden und (nicht-jüdische) Österreicher geben sich die Hand, um gemeinsam dem Auftrag von Tikkun Olam nachzukommen – und zu versuchen, diese unsere Welt ein klein wenig zu verbessern.