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Neue Regierung, dieselbe Ukraine-Politik 

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Quelle: JNS)

Obwohl Israel die russische Invasion des osteuropäischen Nachbarlandes ablehnt, zögert es weiterhin, der Ukraine mehr Hilfe zukommen zu lassen. 

Dmitri Shufutinsky

Während seines Wahlkampfs erklärte der nunmehrige Premierminister Benjamin Netanjahu gegenüber CNN, er würde eine Bewaffnung der Ukraine in Betracht ziehen. Seitdem hat er gegenüber der ukrainischen Führung ähnlich vage Aussagen gemacht. Diese Versprechungen schienen die Ukraine zwar zu ermutigen, mit »anwesend« zu stimmen, anstatt sich der anti-israelischen Abstimmung bei den Vereinten Nationen anzuschließen, doch ist es unwahrscheinlich, dass Netanjahu Kiew offen mehr zur Verfügung stellen wird als bisher. 

Bereits im Sommer hatte Netanjahu die »Regierung des Wandels« – seine Vorgänger – dafür gerügt, dass sie Russlands Einmarsch in das westliche Nachbarland offen kritisiert hatte. Er behauptete, diese »unverantwortliche Arroganz und der Dilettantismus« gefährdeten die israelischen Militäroperationen in Syrien, wo Russland seit September 2015 ein starkes militärisches Standbein hat.

Darüber hinaus wiesen Netanjahus Verbündete darauf hin, wie der Kreml Israel in den Vereinten Nationen und anderswo wegen seines Konflikts mit den Palästinensern öffentlich geißelt und gleichzeitig damit droht, die jüdische Auswanderung nach Israel zu stoppen. Moskau hat auch Israels Souveränität (»illegale Annexion«) auf den Golanhöhen und seine Angriffe in Syrien verurteilt.

Im Bemühen, die Lage zu beruhigen, sprach Israels neuer Außenminister Eli Cohen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und versicherte ihm, die neue Führung werde in der Öffentlichkeit »weniger« über den Krieg sprechen. Dennoch wird dies der neuen Regierung die Sache nicht gerade leicht machen. Lindsey Graham, ein israelfreundlicher republikanischer Senator aus South Carolina, kritisierte diese Bemerkung. Der Politiker, der als Netanjahu-nah gilt, betonte zwar, er schätze das Engagement von Außenminister Cohen für die Stärkung der israelisch-amerikanischen Beziehungen, spielte jedoch darauf an, dass Jerusalem als auf der falschen Seite der Geschichte stehend angesehen würde. 

Danny Ayalon, der von 2002 bis 2006 als israelischer Botschafter in den Vereinigten Staaten tätig war, gab einen Einblick in die politische Situation unter der neuen Regierung.

»Wir haben noch nichts Offizielles von der Regierung gehört, aber Lindsay Grahams Tweet gegen diese Position ist nur ein Vorläufer dessen, was offiziell geäußert werden könnte, ergreift Israel nicht Partei«, meinte er gegenüber Jewish News Syndicate. »Hier muss Israel natürlich abwägen, was moralisch und gerecht ist, aber wir müssen auch die Interessen berücksichtigen, und es ist legitim, dass wir einen schmalen Grat gehen müssen. Ich glaube, dass die israelische Politik bisher darin besteht, so viel humanitäre Hilfe wie möglich zu leisten und die Invasion abzulehnen.« 

Israelisches Dilemma

Sophie Kobzantsev, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Zvi Magen am Institute for National Security Studies (INSS), beschäftigt sich mit dem postsowjetischen Raum. Sie glaubt, die neue Regierung werde ihre Politik gegenüber der Ukraine letztlich nicht ändern.

»Die Beziehungen zwischen Israel und Russland waren und bleiben strategisch, und Washington weiß und versteht das«, sagte Kobzantsev. »Trotz allem, was bisher geschehen ist, besteht die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern [Russland und Israel] in Syrien weiter«, und daran werde sich wohl auch nichts ändern, fügte sie hinzu.  

Ayalon ergänzte, Israel habe kein Interesse daran, »ein verwundetes Tier zu provozieren, das das gefährlichste ist«. Dies gilt für die Tatsache, dass die militärische Leistung Russlands in der Ukraine zu wünschen übrig lässt und das Land gezwungen hat, einige Truppen aus Syrien abzuziehen. Ayalon ist auch der Meinung, dass Netanjahu zwar enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhält, Israel aber keinen wirklichen Einfluss hat, um als Vermittler zwischen Kiew und Moskau aufzutreten.

»Es wird vergeblich sein, wie der Versuch von Bennett«, bemerkte Ayalon. »Ich denke, die einzigen potenziellen Vermittler sind die Vereinigten Staaten oder ein Gipfeltreffen vieler Länder. Dadurch könnte China sozusagen auf der Seite Russlands und die Vereinigten Staaten auf der Seite der Ukraine stehen. Wenn [Netanjahu] sich einmischt, kann das unseren Interessen schaden.« Kobzantsev stimmt in Bezug auf Syrien zu, hat aber eine andere Sichtweise auf eine mögliche Vermittlungsbemühung unter der Führung Netanjahus.

»Russland betrachtet Israel als einen bedeutenden und strategischen Akteur im Nahen Osten. Trotz der Tatsache, dass Russland seine Beziehungen zu Israels Feinden wie dem Iran verstärkt hat, ist es sich der militärischen und politischen Stärke Israels in der Region bewusst«, sagte sie. »Israel ist ein westliches Land und ein Verbündeter der Vereinigten Staaten. Russland weiß das, aber gleichzeitig beteiligt sich Israel nicht an der NATO-Militärhilfe für die Ukraine. Daher ist es für Russland vielleicht angenehmer, mit Israel zu sprechen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass beide Länder nur dann zu Verhandlungen bereit sind, wenn die Umstände es den Akteuren erlauben, die notwendigen Zugeständnisse zur Beendigung der Feindseligkeiten zu machen«, fügte sie hinzu. 

Im Hinblick auf eine Gegenleistung für den ukrainischen Präsidenten – die Ukraine könnte im Gegenzug für militärische oder geheimdienstliche Hilfe für israelfreundliche UN-Resolutionen stimmen – ist Ayalon der Ansicht, eine Abstimmung Israels gegen Russland in den Vereinten Nationen sei der beste Weg, um die Ukraine dazu zu bringen, dort gegen die Palästinenser zu stimmen. Kobzantsev merkte an, Jerusalem würde zwar gerne Stimmen in den Vereinten Nationen erhalten, müsse aber seinen Beziehungen zu Russland in Bezug auf den Iran Vorrang einräumen.

Herausforderung für Israel

Russlands Kauf iranischer Drohnen und – Berichten zufolge – ballistischer Raketen stellt jedoch eine gewisse Herausforderung für die israelisch-russische Dynamik dar. Es sind auch Berichte aufgetaucht, wonach Moskau bald fortschrittliche Sukhoi Su-35-Kampfjets an Teheran liefern könnte.

Während Jerusalem und Washington über diese Entwicklungen besorgt sind, bleibt abzuwarten, ob Russland es sich in einer Zeit schwindender Militärvorräte leisten kann, solche Lieferungen an ein Land zu schicken, das es traditionell in vielen Situationen als Rivalen betrachtet.

Bis auf Weiteres wird Israel seine Politik gegenüber der Ukraine trotz des Regierungswechsels wohl beibehalten. Es bleibt jedoch noch viel abzuwarten, was den Druck der USA, ein geschwächtes Russland, mögliche künftige ukrainische Siege und die iranische Beteiligung an dem Krieg betrifft. In jedem Fall müssen die israelischen Entscheidungsträger darauf vorbereitet sein, einen Plan für alle Szenarien zu haben – so viel ist in diesen sehr unklaren Zeiten doch klar.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate(Übersetzung von Alexander Gruber.)

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