Zentrum für Antisemitismusforschung: Flaggschiff in selbst verschuldeter Seenot

Von Alex Feuerherdt

Nach der kurzfristigen Absage seiner Tagung zum Thema Islamfeindlichkeit keilt das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung nun gegen seine Kritiker aus – und nimmt es dabei mit den Tatsachen bisweilen nicht ganz so genau. Das lässt tief blicken.

Zentrum für Antisemitismusforschung: Flaggschiff in selbst verschuldeter Seenot
TU Berln (Von Mangan2002 (sv.wikipedia.org), CC BY 2.5)

Es sind markige Worte, die Stefanie Schüler-Springorum gewählt hat. Bei „einem Großteil der Medienberichte“ über die geplante Tagung des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) zum Thema Islamfeindlichkeit, die schließlich abgesagt wurde, handle es sich „um falsche Tatsachen und eine Ansammlung verleumderischer Unterstellungen, die an Rufmord grenzen“, wird die Leiterin des an der Technischen Universität angesiedelten Einrichtung in einer Pressemitteilung zitiert. Die Veranstaltung, die am 10. Oktober stattfinden sollte, war kurzfristig mit der Begründung abgeblasen worden, die Sicherheit der Teilnehmer sei nach „Drohungen in den sozialen Medien“ gefährdet gewesen. Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Vorausgegangen waren mehrere Medienbeiträge, unter anderem in der taz und der Jüdischen Allgemeinen, in denen die Beteiligung der Islamic Human Rights Commission (IHRC) an der Tagung kritisch thematisiert wurde. Die Londoner Vereinigung ist Mitorganisatorin des jährlich stattfindenden, antisemitischen „Al-Quds-Tages“ in der britischen Hauptstadt. Sie ist extrem antiisraelisch ausgerichtet und sympathisiert mit dem iranischen Regime sowie mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah.

Bei der Veranstaltung am ZfA sollten die Ergebnisse des „Counter-Islamophobia Kit“ vorgestellt werden, eines Projekts, zu dem Mitarbeiter diverser europäischer Universitäten beigetragen haben, an dem aber auch die IHRC wesentlich beteiligt war. Für sie gehörte der Soziologe Luis Hernández Aguilar dem Projektteam an. Mittlerweile ist er Fellow des ZfA und erreichte als solcher, dass die Resultate des „Counter-Islamophobia Kit“ auf einer Tagung in Berlin präsentiert werden sollten. Als Referentin war ursprünglich auch Arzu Merali von der IHRC vorgesehen. Doch sie wurde wieder ausgeladen. „Da wir den Eindruck vermeiden möchten, mit der IHRC zusammenzuarbeiten, haben wir Frau Merali abgesagt“, begründete der stellvertretende Direktor des ZfA, Uffa Jensen, diesen Schritt. Mit Hernández Aguilar dagegen hat er kein Problem. Im Gegenteil sei man „sehr froh“, mit ihn „einen international ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet der Islamfeindschaft als Fellow gewonnen zu haben“.

 

Auf eine Peinlichkeit folgt gleich die nächste

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Der so Gepriesene selbst findet, die Kritik an dem Projekt sei „falsch und verletzend“ und habe zu einem „Klima des Hasses“ geführt. Dieser Meinung hat sich nun auch das ZfA angeschlossen, wie die eingangs erwähnten Äußerungen seiner Leiterin deutlich machen. Man stehe mit der IHRC „in keiner Verbindung“ und beabsichtige „auch in Zukunft nicht, mit der IHRC zu kooperieren“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Doch ohne die Islamic Human Rights Commission hätte es das „Counter-Islamophobia Kit“ nun einmal nicht in dieser Form gegeben, und ohne den Hinweis des Grünen-Politikers Volker Beck auf die antisemitischen Aktivitäten der IHRC wäre deren Funktionärin Arzu Merali auch nicht ausgeladen worden. Uffa Jensen hatte jedenfalls gegenüber der taz eingeräumt: „Mir war nicht bekannt, dass die IHRC den Al-Quds-Tag in London organisiert hat.“ Eine beschämende Aussage für eine Institution, die ihrem Namen zufolge den Antisemitismus zum Forschungsgegenstand hat.

Statt aber ob dieser Peinlichkeit ein wenig Demut zu zeigen, leistet man sich beim Zentrum gleich die nächste. Der ZfA-Fellow Hernández Aguilar, so steht es in der Presseerklärung, arbeite zwar seit Februar 2017 an dem für Deutschland relevanten Teil des Projekts „Counter-Islamophobia Kit“ mit, sei für die IHRC aber, wie diese selbst bestätige, „weder als ‚research officer‘ tätig noch an einer ihrer Kampagnen beteiligt gewesen bzw. beteiligt“. Eine merkwürdige Behauptung. Denn als „research officer for IHRC based in Germany” bezeichnet ihn die Organisation selbst auf ihrer Website in einem Beitrag über eine „Islamophobie-Konferenz“, die im Dezember 2017 stattfand. Auch bei der Vorstellung des „Counter-Islamophobia Kit“ im EU-Parlament in Brüssel vor wenigen Wochen sprach Hernández Aguilar für die IHRC. Das geht jedenfalls aus einem ihrer Tweets mit Fotos von der Präsentation hervor.

 

Erstaunlich wenig begriffen

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(Quelle: Twitter)

Beides hat die Journalistin Antje Schippmann recherchiert, die gemeinsam mit Björn Stritzel auch einen lesenswerten Kommentar zum Kurs des ZfA verfasst hat. Ihr Kollege Frederik Schindler, von dem bereits die Beiträge in der taz und der Jüdischen Allgemeinen vor der Absage der ZfA-Veranstaltung stammten, fand überdies heraus, dass Hernández Aguilar sich zudem auf seinem Profil bei ResearchGate, einem sozialen Netzwerk für Forscher, sowie in den Autorenangaben einer wissenschaftlichen Zeitschrift selbst als „Research Officer“ respektive als Teil der IHRC bezeichnet und dass die Universität Wien ihn ebenfalls in Verbindung mit dem IHRC genannt hat. All dies widerlegt die Behauptung des Zentrums für Antisemitismusforschung, sein Fellow habe mit der Islamic Human Rights Commission eigentlich gar nichts zu tun. Und es zeigt, dass die heftigen Anschuldigungen seiner Leiterin Schüler-Springorum gegenüber den Medien, die Bericht erstattet haben („falsche Tatsachen“, „Ansammlung verleumderischer Unterstellungen“, „Rufmord“), unbegründet und falsch sind.

Das ZfA, so hatte es Volker Beck formuliert, schulde der Öffentlichkeit eine Antwort auf die Frage: „Was sagt ihr Fellow Hernández Aguilar zum Thema Antiisraelismus und der iranischen Al-Quds-Tag-Kampagne?“ Diese Antwort steht weiterhin aus, stattdessen hat sich das Zentrum zu einem Gegenangriff entschlossen und die nachweisbaren Verbindungen seines Fellows zu einer Vereinigung, die eindeutige Sympathien für islamistische, antisemitische Organisationen hat und den jüdischen Staat hasst, einfach in Abrede gestellt. Das ZfA hat es in den vergangenen Tagen geschafft, seinen schwer angekratzten Ruf noch weiter zu verschlechtern. Und wenn sich das Flaggschiff der Antisemitismusforschung in Deutschland selbst in solche Seenot bringt, sagt das über den (Zu-)Stand der Beschäftigung mit dem Hass gegen Juden im Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“ sehr viel aus. Das Zentrum hat, auch wenn es paradox klingen mag, von seinem Gegenstand erstaunlich wenig begriffen.

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