Erweiterte Suche

Krieg ist die Hölle. Immer und Überall 

Auch wenn Krieg immer die Hölle ist, gib es doch notwendige und gerechte Kriege
Auch wenn Krieg immer die Hölle ist, gib es doch notwendige und gerechte Kriege (Quelle: JNS)

So wie der Krieg immer die Hölle war und immer sein wird, so sind doch einige Kriege gerecht und andere offenkundig ungerecht. Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza ist ein perfektes Beispiel für Ersteres.

Ben Cohen

»Krieg«, so soll der General der Unionsarmee, William Tecumseh Sherman, einige Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg zu einer Gruppe von Armeekadetten gesagt haben, »ist die Hölle«. Mehr als eineinhalb Jahrhunderte später deutet nichts darauf hin, dass Shermans Einschätzung anders ausfallen würde, würde er Kriegszustände in unserer heutigen Zeit betrachten.

Doch so sehr dieses dem US-General zugeschriebene Zitat auch wie ein pazifistischer Schlachtruf klingt, ist er es doch nicht. Sherman wusste nur zu gut, dass manche Kriege gerecht sein können, auch wenn ihre Auswirkungen schmerzhaft sind. »Man kann den Krieg nicht mit schärferen Worten beschreiben, als ich es tue. Krieg ist Grausamkeit, und man kann sie nicht verfeinern; und diejenigen, die den Krieg in unser Land gebracht haben, verdienen alle Flüche und Verleumdungen, die ein Volk ausstoßen kann«, schrieb der Kriegsveteran in einem Brief an den konföderierten Befehlshaber General John Bell Hood. 

Aber es könne keinen Frieden mit einer Teilung des Landes geben, schrieb der Nordstaaten- und den Südstaaten-Offizier: »Wenn sich die Vereinigten Staaten jetzt einer Spaltung unterwerfen, wird diese nicht enden, sondern weitergehen, bis wir das Schicksal Mexikos erleiden, das ewiger Krieg ist.« Dies zu verhindern war nach Shermans Ansicht das oberste Ziel der Union in ihrem Bestreben, die sklavenhaltenden Konföderationsstaaten in einem gerechten Krieg zu besiegen, der etwa 600.000 Menschenleben forderte.

Gerechte Kriege

So wie der Krieg die Hölle war, immer noch ist und immer sein wird, so sind doch einige Kriege gerecht und andere offenkundig ungerecht. Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza ist ein perfektes Beispiel für Ersteres. Er ist gerecht, weil Israel seine Militäroperationen nicht begonnen hätte, hätten die Mörder und Vergewaltiger der Hamas während ihres Pogroms am 7. Oktober letzten Jahres nicht mehr als 1.200 Israelis und Ausländer abgeschlachtet

Israel kämpft gegen einen Feind, der nie einen Hehl aus seinem Ziel gemacht hat, den einzigen jüdischen Staat der Welt zu vernichten. Und ohne eine israelische Antwort, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebt haben, hätten die Hamas und ihre iranischen Patrone keine Skrupel, einen weiteren 7. Oktober zu veranstalten, und dann noch einen und noch einen, bis ihr Ziel erreicht ist.

Das bedeutet keineswegs, dass die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht leidet. Sie leidet – und das ist eine Wahrheit, die wir anerkennen müssen, auch wenn wir zu Recht misstrauisch sind, was die vom Gesundheitsministerium, das von der Hamas geführt wird, veröffentlichten Opferzahlen angeht

Der Wunsch nach einem Waffenstillstand, damit das Blutvergießen zumindest gestoppt werden kann, ist eine menschlich verständliche Reaktion auf die Szenen, die wir erleben müssen. Aber diejenigen, die Israel auffordern, jetzt einen solchen Waffenstillstand auszurufen, darunter dieselben misstönenden Stimmen, die Israel fälschlicherweise beschuldigen, einen »Völkermord« in Gaza zu begehen, wollen keinen Waffenstillstand in dem Sinn, in dem dieser Begriff üblicherweise verstanden wird. Sie wollen eine bedingungslose, einseitige Kapitulation Israels als ersten Schritt zu seiner letztendlichen Beseitigung. 

Anders ausgedrückt: Die in Palästinensertücher gehüllten Demonstranten, die unsere Straßen bevölkern, sind empört über den Anblick toter palästinensischer Kinder, haben aber keine Bedenken, den Kindern in Israel ein ähnliches Schicksal zuzumuten oder gar zu wünschen.

Krieg nicht nur in Israel

Besonders deprimierend an dieser Situation ist, dass, während sich diese ermüdende Debatte hinzieht und in dem Maße, in dem die Gemüter sich erhitzen und immer mehr antisemitische Stereotypen in die an Israel gerichteten Vorwürfe einfließen, andere, weit schrecklichere Kriege und Konflikte rund um den Globus einfach ignoriert werden. 

Über die Ukraine liest und hört man heutzutage in Amerika viel weniger; und wenn doch, geht es selten um das Leid, das die einmarschierenden Russen der ukrainischen Zivilbevölkerung zugefügt haben, darunter Vergewaltigungen und die Entführung von Kindern, sondern fast immer nur darum, wie sich dieser Krieg auf die innenpolitischen Spaltungen ausgewirkt hat, während die USA auf die Präsidentschaftswahlen im November zusteuern.

Das Gleiche gilt für den Sudan, wo die paramilitärischen Milizen der Schnellen Eingreiftruppe (RSF) im Rahmen ihrer rassistischen Kampagne der Arabisierung gegen das Volk der Masaliten im Westen des Landes weiterhin unvorstellbare Gräueltaten verüben – auf demselben Schauplatz, auf dem im Jahr 2005 der Völkermord in Darfur stattfand, der damals die amerikanischen Juden in einer fast beispiellosen Kampagne politischer Solidarität und humanitärer Hilfe für einen Konflikt am anderen Ende der Welt mobilisierte. 

Ebenso gilt es für Haiti, wo kriminelle Banden die Straßen beherrschen, was einen hochrangigen UN-Beamten dazu veranlasste, die Szenen in Port-au-Prince mit dem apokalyptischen Film Mad Max zu vergleichen, während diese Erklärung im Gegensatz zu den Äußerungen von UN-Beamten zur Notlage in Gaza keine einzige Demonstration oder Protestaktion ausgelöst hat. 

Ganz zu schweigen von den Kriegen in der westafrikanischen Sahelzone, wo Militärjuntas gegen islamistische Terroristen kämpfen. Oder jenem in Nigeria, wo Christen gnadenlos von islamistischen Banditen angegriffen werden, darunter die 87 Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, die unlängst im Bundesstaat Kaduna entführt wurden. Oder in Myanmar, wo die Junta, die vor drei Jahren durch einen Staatsstreich die Macht von einer demokratisch gewählten Regierung übernommen hat, ihre Unterdrückung immer weiter verschärft.

Diese Liste ist bei Weitem nicht vollständig, und gerade das ist vielleicht der Punkt: Alle Kriege sind die Hölle, aber nur einer – der einzige, der derzeit von Israel geführt wird – wird ausdrücklich als solcher bezeichnet, und zwar durch einen ständigen Strom weltweiter Medienberichterstattung, durch schlecht informierte und zunehmend gewalttätige Pro-Hamas-Demonstrationen, durch das Händeringen von gewählten Vertretern, die Angst haben, Stimmen zu verlieren, und durch UN-Bürokraten, die demselben antizionistischen Drehbuch folgen, das ihre Institution mindestens seit den 1970er Jahren anleitet.

Jedes Leben gleich viel wert?

Im Anschluss daran habe ich ein paar Fragen an jene Juden, die sich zunehmend gedrängt fühlen, im Namen des menschlichen Anstands einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu fordern. 

Es ist völlig verständlich, ja, sogar lobenswert, wenn man sich sehnlichst ein Ende des Leidens der Palästinenser wünscht. Aber haben Sie schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht, dass die ganze Aufmerksamkeit, die den Palästinensern gewidmet wird, die Leiden in anderen Ländern in den Schatten stellt? Sind Sie besorgt, dass der Slogan Palestinian Lives Matter als Only Palestinian Lives Matter interpretiert wird und das Leben von Ukrainern, Haitianern und schwarzafrikanischen Gemeinschaften im Sudan weniger zählt? Bringen Sie den Mut auf, die Israelkritiker auf ihr beschämendes Schweigen zu diesen und anderen Konflikten anzusprechen? 

Wenn Sie einen Kommentar wie jenen von Pankaj Mishra in der London Review of Books lesen, in dem er behauptet: »Viele von uns, die einige der Bilder und Videos aus dem Gazastreifen gesehen haben, sind in den vergangenen Monaten leise verrückt geworden«, müssen Sie sich dann nicht fragen, warum die anderen Konflikte der Welt keine ähnliche Verrücktheit hervorgerufen haben? Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, andere über diese Konflikte aufzuklären, um im Einklang mit den edelsten Traditionen des Judentums »die Welt zu heilen«?

Oder ist das Ziel jetzt einfach, Palästina auf Kosten Israels zu »heilen« und die »Heilung« des Rests der Welt sich selbst zu überlassen? Ich fürchte, und damit bin ich nicht allein, dass die Antwort auf die letzte Frage »ja« lautet. Ich warte darauf, eines Besseren belehrt zu werden.

Ben Cohen ist ein in New York lebender Journalist und Autor, der eine wöchentliche Kolumne über jüdische und internationale Angelegenheiten für Jewish News Syndicate schreibt. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!