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Horn von Afrika: Neue Instabilität durch Abkommen zwischen Äthiopien und Somaliland?

Horn von Afrika: Äthiopien und die benachbarte abtrünnige somalisch Region Somaliland
Horn von Afrika: Äthiopien und die benachbarte abtrünnige somalisch Region Somaliland (© Imago Images / Panthermedia)

Der Binnenstaat Äthiopien hat mit der Unterzeichnung eines Abkommens mit dem Führer einer abtrünnigen somalischen Region erste Schritte in Richtung eines eigenen Zugangs zum Meer unternommen. Damit drohen weiteren Unruhen in der Region.

Im Januar unterzeichnete der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed eine Absichtserklärung mit dem Präsidenten Musa Bihi Abdi der abtrünnigen somalischen Region Somaliland, nach der Addis Abeba einen Seehafen am Roten Meer erhalten soll. Während der Unterzeichnungszeremonie erklärte Abdi, Somaliland plane im Rahmen des Abkommens, ein Stück Land entlang seiner Küste an Äthiopien zu verpachten, das dort einen Marinestützpunkt errichten dürfe.

Der separatistische Präsident fügte hinzu, im Gegenzug sehe das Abkommen in naher Zukunft die äthiopische Anerkennung Somalilands als unabhängigen Staat vor. Das Büro von Abiy Ahmed wiederum erklärte, das Abkommen stärke die sicherheitspolitische, wirtschaftliche und politische Partnerschaft zwischen Äthiopien und Somaliland und bezeichnete den Seehafen als »existenzielle Frage« für Addis Abeba.

Äthiopien hat seit der Unabhängigkeit Eritreas in den frühen 1990er Jahren keinen Seehafen am Roten Meer mehr. Deswegen ist es bei mehr als neunzig Prozent seines Außenhandels auf die Häfen im benachbarten Dschibuti angewiesen, was das Land jährlich mehr als 1,5 Mrd. Dollar an Gebühren kostet.

Das Memorandum erlaubt es den Äthiopiern, einen etwa zwanzig Kilometer langen Küstenstreifen am Golf von Aden für den Bau eines Handelshafens und einer militärischen Marinebasis zu nutzen. Somaliland hat sich vor mehr als dreißig Jahren vom Staat Somalia getrennt und für unabhängig erklärt, wurde jedoch von der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen nie als unabhängiger Staat anerkannt.

Gefahr für das Horn von Afrika

Die somalische Regierung, welche die Region nach wie vor als Teil ihres Territoriums betrachtet, reagierte denn auch rasch auf das kürzlich unterzeichnete Abkommen und kündigte an, ihren Botschafter in Äthiopien zu Konsultationen nach Mogadischu zurückzuberufen. Der somalische Premierminister Hamza Abdi Barre erklärte, sein Land werde das Gebiet »mit allen rechtlichen Mitteln« verteidigen.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, machte den amerikanischen Standpunkt zu den Entwicklungen deutlich, als er erklärte, »die Vereinigten Staaten erkennen die Souveränität und territoriale Integrität der Bundesrepublik Somalia an«. Amerika schlösse sich seinen Partnern an und bringe seine »tiefe Besorgnis über die eskalierenden Spannungen am Horn von Afrika zum Ausdruck. Wir fordern alle betroffenen Parteien dringend auf, einen diplomatischen Dialog aufzunehmen.«

Der Chefredakteur der äthiopischen Website Nilotik, Noureddine Abda, ist der Ansicht, dass die Absichtserklärung zwischen Äthiopien und Somaliland vor dem Hintergrund einer sehr komplexen regionalen und internationalen Situation zustande kommt, »in der jeder versucht, sich neu zu positionieren, bevor die derzeitigen Turbulenzen in den internationalen Beziehungen enden« und eine Phase der Konsolidierung und Ruhe eintritt.

Sowohl Äthiopien als auch Somaliland, so Abda, hätten ihrer ganz eigenen Beweggründe und Motive für das Abkommen: Addis Abeba habe einen »alles überragenden Wunsch, einen Zugang zum Meer zu erlangen, um seinen internationalen Handel zu sichern und seine nationale Sicherheit zu festigen«. Gerade aktuell könne Äthiopien angesichts der großen Sicherheitsbedrohungen im Roten Meer nicht untätig bleiben.

Der auf die Angelegenheiten der Länder des Indischen Ozeans spezialisierte Sankalp Gujar, sagte zur Eskalation des Streits zwischen Addis Abeba und Mogadischu, dass die Vereinbarung »wahrscheinlich dazu führen wird, einen Zustand der Unsicherheit und Instabilität am Horn von Afrika zu schaffen, das durch den Krieg im Gazastreifen und im Sudan ohnehin bereits in Aufruhr ist«. Äthiopiens langfristiges Streben nach Zugang zu den Häfen könnte möglicherweise die politische Geografie im westlichen Indischen Ozean neu gestalten, meinte er.

Zur Position Somalias sagte der leitende Berater des somalischen Präsidenten für Frieden und Versöhnung, Abdirahman Badio, das zwischen Äthiopien und Somaliland unterzeichnete Memorandum sei gefährlich und stelle eine große Bedrohung für Somalia und das Horn von Afrika sowie die Region am Roten Meer dar. Die bedrohlichsten Auswirkungen seien »das mögliche Wiederaufleben von Extremisten wie Al-Shabaab und dem Islamischen Staat, nachdem deren Aktivitäten seit 2023 in Somalia deutlich zurückgegangen sind.«

Badio betonte, die Extremisten würden das Memorandum als Vorwand nützen um zu behaupten, nur sie könnten »den muslimischen somalischen Staat gegen die Äthiopier verteidigen, um so das somalische Volk im Namen eines Dschihads zu mobilisieren«.

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