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Hamas-Terror: Israel im Krieg

Einsatzkräfte in Israel bergen die Opfer des Hamas-Terrorangriffs
Einsatzkräfte in Israel bergen die Opfer des Hamas-Terrorangriffs (© Imago Images / Saeed Qaq)

Am Morgen des 7. Oktobers griffen militante Islamisten der Hamas Israel an. Ministerpräsident Netanjahu hat den Kriegszustand erklärt.

Der Angriff der islamistischen Hamas am Samstagmorgen traf die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) völlig unvorbereitet. Während tausende Raketen aus dem Gazastreifen in Süden Israels und Tel Aviv einschlugen, drangen hunderte Kämpfer durch Lücken in den Sicherheitsbarrieren bis zu fünfundzwanzig Kilometer weit in israelisches Territorium vor.

Wie israelische Medien berichten, überfielen die Islamisten zweiundzwanzig Orte in Israel, darunter Sderot und Ofakim und den Kibbutz Be’eri, die bis Sonntagvormittag von den IDF zurückerobert werden konnten. In anderen Gemeinden wie Kfar Aza, Re’im und wahrscheinlich auch in Erez und Zikim dauerten die Kämpfe am Sonntag noch an.

Einer Meldung des Standard zufolge habe die Qassam-Miliz – der bewaffnete Arm der Hamas – in einem Statement erklärt, dass sie sich auf israelischem Boden nach wie vor »heftige Kämpfe« mit dem israelischen Militär liefere. Genannt wurden Orte im Grenzgebiet zum Gazastreifen wie Ofakim, Sderot, Yad Mordechai, Kfar Azza, Be’eri, Yatid und Kissufim – bevor es dann am Montag hieß, Israel habe sein Territorium wieder gänzlich unter Kontrolle.

Die Dschihadisten griffen auch Militäreinrichtungen an, die sie zeitweise besetzen konnten. Darunter der Grenzübergang Erez, der Stützpunkt Zikim und das Hauptquartier der Gaza-Division in Re’im. Ein Video der Hamas zeigt tote israelische Soldaten nur mit Unterwäsche und taktischen Westen bekleidet. Sie wurden offenbar im Schlaf überrascht.

»Dieser Angriff ist kaum zu fassen«, sagt der Nahost-Analyst Aaron David Miller. »Das ist ein Trauma mit einer Zahl von Toten, die kaum abzusehen ist«. Laut Angaben der israelischen Behörden vom Sonntagabend töteten die Islamisten mindestens 700 Israelis, verwundeten rund 2.000 weitere und nahmen Dutzende Geiseln, die Hamas behauptet, es seien 130.

Wie konnte das geschehen?

Der Angriff ist für Israel auf mehreren Ebenen verheerend. Einen derart weitreichenden Militärschlag gegen Stützpunkte, Städte und Kibbuzim hat Israel seit den Kämpfen im Unabhängigkeitskrieg 1948 nicht mehr erlebt. Ein Soldat der IDF wurde zuletzt vor siebzehn Jahren auf israelischem Territorium als Geisel genommen. Diesmal sind es Dutzende, unbestätigten Meldungen zufolge ist auch ein hochrangiger Kommandant darunter.

Die Frage ist, wie ein Angriff dieser Größenordnung gelingen konnte, ohne dass die israelischen Nachrichtendienste darauf aufmerksam wurden. Die Vorbereitung einer derart komplexen Offensive dauert Wochen, wenn nicht Monate. Für gewöhnlich wissen die Geheimdienste sehr genau, was jenseits der Grenze passiert. Sie haben Informanten in militanten palästinensischen Gruppen sowie im Libanon, in Syrien und anderen Staaten.

Weiters hat Israel seit dem Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 Hunderte von Millionen US-Dollar für den Bau eines intelligenten Grenzsystems mit Sensoren und unterirdischen Mauern ausgegeben. Doch trotz dieses ausgeklügelten Abwehrsystems, den Agenten, Drohnen und Überwachungstechnologien konnte der Angriff nicht aufgedeckt und verhindert werden.

Wie der US-Oberst im Ruhestand Cedric Leighton in einem CNN-Interview vermutet, hat die Hamas sich an die weitreichenden Überwachungstechniken angepasst. So habe sie bei der Planung bewusst auf Smartphones verzichtet, um die Gefahr auszuschalten, abgehört oder geortet zu werden. Indem sie auf veraltete und einfache Kommunikationsmittel zurückgriffen, konnten sie unentdeckt vom technisch hochgerüsteten israelischen Geheimdienst agieren.

Andere weisen darauf hin, dass die IDF aufgrund der eskalierenden Gewalt zwischen israelischen Siedlern und Palästinensern eine große Anzahl von Truppen in das Westjordanland verlegen mussten – Truppen, die an der Grenze zu Gaza fehlten.

Was steht auf dem Spiel?

Der Angriff der islamistischen Hamas hat den Israelis auf dramatische Weise gezeigt, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Und es ist möglicherweise noch nicht vorbei. Folgen die Araber in der Westbank und in Israel dem Aufruf der Hamas, zu den Waffen zu greifen und greift auch noch die schwer bewaffnete libanesische Hisbollah ein, kann die Situation zu einem umfassenden Krieg eskalieren. Am Sonntagmorgen wurden bereits Geschosse vom Libanon abgefeuert, die eine israelische Militärstellung in den Shebaa-Farmen trafen. Israel antwortete mit Artilleriebeschuss auf das libanesische Dorf Kfar Shouba.

Abgesehen von der erschütternden Zahl an Toten und Geiseln steht auch politisch einiges auf dem Spiel. Unklar ist bisher, wie Golfstaaten wie Qatar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf die Eskalation reagieren und was das für den Prozess der Normalisierung zwischen Israel und den arabischen Staaten bedeutet.

Israels Luftwaffe hat in der Nacht zum Sonntag begonnen, Ziele im Gazastreifen anzugreifen. Laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium starben mindestens 300 Menschen, rund 2.000 wurden verwundet.

Langfristige Lösung notwendig

»Wir werden siegen«, verkündete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Und damit hat er sicherlich recht. Der überlegenen Schlagkraft der IDF hat die Hamas am Schlachtfeld wenig entgegenzusetzen. Derzeit ist noch vieles unklar, von den Hintergründen des Überraschungsangriffs bis zu den tatsächlichen Opferzahlen. Auch zeichnet sich noch nicht ab, ob der am Sonntagvormittag von der libanesischen Hisbollah gestartete Beschuss auf Israel weiter eskaliert, auch wenn die Nordfront derzeit ruhig ist und es heißt, die Hisbollah habe der libanesischen Regierung zugesagt, sich aus den Kämpfen herauszuhalten.

Israel wurde angegriffen und befindet sich im Krieg, derzeit muss es alles auf einen militärischen Gegenschlag setzen. Aber wie die Vergangenheit mehrmals zeigte, können Militärschläge allein die militanten Islamisten nicht auf Dauer ausschalten.

Soll nicht nur eine weitere Schlacht gewonnen, sondern eine dauerhafte (relative) Sicherheit für die Bewohner Israels erreicht werden, braucht es neben militärischer Härte auch eine langfristige politische Lösung, wie auch immer diese momentan aussehen kann.

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