Erweiterte Suche

Gestörtes GPS: Libanesische Tinder-Nutzer finden »Matches« in Israel

Israels GPS-Störungen haben unbeabsichtigte Nebenwirkungen
Israels GPS-Störungen haben unbeabsichtigte Nebenwirkungen (Imago Images / NurPhoto)

Für die heutige Kriegsführung sind globale Navigationssatellitensysteme wie GPS unerlässlich, was deren Störung zu einem Teil der Kriegsanstrengungen macht – mit manchmal unbeabsichtigten Nebenwirkungen.

Tag für Tag sind die Menschen in Israel das Ziel von Drohnen- und Raketenterror: Aus dem Libanon greift seit dem 7. Oktober 2023 die Hisbollah an, aus dem Jemen die Huthi-Terroristen, und vor einigen Tagen bekannte sich eine vom Iran gesteuerte Terrormiliz aus dem Irak zu einem Drohnenangriff auf die israelische Stadt Eilat am Roten Meer.

Dabei nutzen die Terroristen globale Navigationssatellitensysteme (GNSS), von denen das amerikanische GPS am meisten verbreitet und am bekanntesten ist. »Viele Bomben, Drohnen und andere Waffen nutzen heutzutage GNSS zur Steuerung, was sie viel genauer und einfacher herzustellen macht als der Versuch, genaue INS [Trägheitsnavigationssysteme] zu bauen«, erläutert Brian Weeden, Leiter der Programmplanung bei der Secure World Foundation. »Die Störung von GNSS-Signalen wird daher als kluger Verteidigungsschritt angesehen.«

Am 15. Oktober 2023 verkündete die israelische Armee die Einschränkung des GPS in aktiven Kampfgebieten wegen verschiedener operativer Erfordernisse, wobei keine Einzelheiten über das Ausmaß der Signalunterbrechungen genannt wurden.

Am 23. Oktober berichtete die amerikanische Website Politico, dass eine Gruppe von Forschern der University of Texas in Austin, die seit Jahren GPS-Signale in der Region verfolgt, nach dem 7. Oktober ein »seltsames Muster« festgestellt hätte. Flugzeuge, die in der Nähe des Mittelmeers flogen, verschwanden kurzzeitig über vielen Teilen Israels aus der Sicht, was ein Zeichen für GPS-Spoofing (GPS-Verfälschung) sei – einer Technik, bei der die Position eines Flugzeugs, einer präzisionsgelenkten Rakete oder eines anderen Objekts, das GPS verwendet, ungenau angegeben wird.

»Dies ist der dauerhafteste und deutlichste Hinweis auf Spoofing, den ich je gesehen habe und betrifft möglicherweise Hunderte von großen Verkehrsflugzeugen«, sagte Todd Humphreys, Professor an der Universität Texas, gegenüber Politico. Sein Doktorand Zach Clements hatte das Spoofing-Muster als Erster entdeckt. Israel, so Clements, habe eine Warnung an Piloten herausgegeben, sich bei der Landung nicht auf GPS zu verlassen, sondern auf andere Methoden an Bord zurückzugreifen. Israelis sollten auch mit »vorübergehenden Störungen bei ortsbezogenen Anwendungen« wie Google Maps rechnen.

Fast ganzer Libanon betroffen

Die Website GPS Jam, die GPS-Störungen verzeichnet und auf einer Weltkarte in verschiedenen Farbabstufungen darstellt (grün: niedrig, gelb: mittel, rot: hoch), hat weite Teile Israels – die Küste, die Region Jerusalem und einen Streifen, der etwa vom Toten Meer bis Eilat reicht – rot eingefärbt. Der Norden ist dieser Karte zufolge nicht betroffen.

Dafür aber der Libanon: So waren am 30. März der südliche Landesteil und am 1. April fast das ganze Land mit Ausnahme der nördlichen Metropole Tripoli rot eingefärbt. Über die Dauer der Störungen und die Verursacher sagt diese Grafik jedoch nichts aus. Auch weite Teile Jordaniens wie die nordwestliche Türkei und die ägyptische Hauptstadt Kairo sind rot markiert. Zumindest in den beiden letzteren Fällen kann wohl ausgeschlossen werden, dass Israel irgendetwas damit zu tun haben könnte.

Dass er aber immer wieder das GPS-Signal im Libanon stört, ist nur logisch und legitim. Die beiden Länder befinden sich im Krieg, und der Libanon hat am 7. Oktober letzten Jahres eine Waffenruhe gebrochen, indem er der Hisbollah gestattete, Israel von libanesischem Territorium aus anzugreifen. Der libanesische Minister für öffentliche Arbeiten und Verkehr, Ali Hamiye, beschuldigt Israel, mit der Störung der GPS-Signale im Libanon in Verbindung zu stehen und wirft Israel vor, Libanons »nationale Souveränität zu verletzen« und »die Flugsicherheit« im libanesischen Luftraum »mit Füßen zu treten«.

Der Minister, der selbst der Hisbollah angehört, stützte seine Anschuldigung auf einen Bericht der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) vom November 2023. Laut der libanesischen Tageszeitung L’Orient-Le Jour forderte er die EU auf, »radikale Maßnahmen zu ergreifen, um die ernste Bedrohung der Flugsicherheit in der gesamten Region zu beseitigen, die internationale Standards und Operationen gefährdet und das Leben von Menschen aufs Spiel setzt«. Die Empörung kann nur geheuchelt sein: Würde seine Hisbollah aufhören, Israel mit Bomben, Drohnen und Raketen zu beschießen, wäre dies ein großer Schritt zur Deeskalation.

Verwirrte Dating-Apps

Eine – zumindest von außen betrachtet – komische Begleiterscheinung der GPS-Störung ist, dass auch Dating-Apps wie Tinder und Bumble betroffen sind. »Es sind nur noch Israelis auf Tinder«, zitierte L’Orient-Le Jour Ende Februar einen frustrierten Architekten aus Beirut. Grund dafür ist, dass Dating-Apps GPS benutzen, um das Smartphone des Nutzers zu lokalisieren und ihn mit potenziellen romantischen Matches in seiner Umgebung in Verbindung zu bringen. Durch die GPS-Störung herrscht nun Chaos.

Abgesehen von dem eisernen Vorhang, der Israel und den Libanon trennt, ist es den libanesischen Bürgern bei Strafe verboten, auch nur irgendwelche Fernkontakte zu Israelis zu unterhalten. Eine einzige Textnachricht oder eine Interaktion in den sozialen Medien kann gegen das Boykottgesetz von 1955 verstoßen. Neben der Gefahr juristischer Verfolgung drohen persönliche Nachteile. Das musste 2018 etwa die Miss Earth Libanon, Salwar Akar, erfahren, der ihr Titel aberkannt wurde, weil sie anlässlich der Vorbereitungen der Miss-Earth-Wahl auf den Philippinen für ein Foto mit Dana Zreik, der Miss Earth Israel, posiert hatte.

Südlich der Grenze bekommen unterdessen israelische Nutzer auf Tinder und Bumble Matches aus dem Libanon angezeigt, berichtete die Website The National (Abu Dhabi) Anfang März. Ein israelischer Reservist witzelte, er sei schon seit langer Zeit in der Reserve. Sollte es aber zum Krieg gegen Hisbollah-Chef Nasrallah kommen, werde er verlangen, zu den Waffen gerufen zu werden – in der Hoffnung, im Libanon seine neuen Matches zu treffen.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!