„Es sind höchst ungewöhnliche, gar verstörende Szenen, die sich am Donnerstag im Präsidentenpalast zu Athen vor laufenden Kameras abspielen. Die Gesichter aller Anwesenden wirken wie versteinert. Griechenlands Präsident Prokopis Pavlopoulos starrt auf den Boden, während sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan ausspricht, was niemand der Griechen im Saal hören will: Erdoğan fordert eine Änderung des Vertrags von Lausanne, der die Grenzen der beiden Nachbarländer seit 1923 festlegt – die Grenzen, um die beide Völker und einstige Feinde über Jahrhunderte in Kriegen gestritten haben. (…)
Dabei hat Erdoğan den eigentlichen Tabubruch vor längerer Zeit eingeleitet. Lausanne sei kein heiliger Text, hatte Erdoğan bereits Ende 2016 in Bezug auf die griechischen Ägäis-Inseln vor der türkischen Küste gesagt: “Das waren unsere Inseln. Dort sind unsere Moscheen.” Für Griechenland stellten diese Äußerungen eine ultimative Provokation dar, schließlich geht es um nationales Territorium, das Erdoğan hier zur Disposition stellt. International aber wurden die Äußerungen des Präsidenten immer wieder als innenpolitisches Manöver gedeutet. Erdoğan wolle mit nationalistischen Tönen von den eigenen Problemen, etwa mit den Kurden, ablenken und die Menschen hinter sich versammeln. In Athen jedoch war man durchaus beunruhigt, schließlich hatte sich zuletzt auch die militärische Lage in der Ägäis alles andere als positiv entwickelt.“ (Zacharias Zacharakis: „Wie man seinen Nachbarn erschreckt“)