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Deutschlands »Kapitulation gegenüber dem palästinensischen Terrorismus«

Gedenkveranstaltung der jüdischen Opfer des Olympia-Attentates in München. Kranzniederlegung am Olympischen Feuer auf dem Rathausplatz Kiel
Gedenkveranstaltung der jüdischen Opfer von München am Olympischen Feuer auf dem Rathausplatz Kiel (© Imago Images / penofoto)

In diesen Tagen jähren sich die Ereignisse der Olympischen Spiele 1972 zum 50. Mal. Unzählige Details und deren Folgen wurden in Büchern wie Filmen erörtert und stehen überdies im Fokus neuer Dokumentationen und Interviews.

Israel ist terrorerprobt. Momentan vergeht wieder einmal keine Woche, in der Israels Newsticker nicht ein Attentat irgendwo im Land vermelden müssen. Die Ereignisse der Olympischen Spiele in München sind eine umso schmerzlichere Erinnerung daran, dass Israelis der palästinensische Terror in aller Welt ereilt; sie tötet und verletzt, weil sie Israelis, weil sie Juden sind.

Deutschland war etliche Jahre prominenter Schauplatz des palästinensischen Terrors. München spielte bereits 1970 eine Rolle. Damals waren Transitpassagiere eines El-Al-Flugs die Zielscheibe. Einer der über dreißig israelischen Reisenden kam ums Leben, elf wurden verletzt.

Darunter war die 1923 in Berlin geborene Schauspielerin Hanna Meron, die 1934 auf Umwegen im vorstaatlichen Israel Zuflucht vor den Nazis fand. Eine von den Terroristen eingesetzte Handgranate riss ihr den linken Fuß ab. Obwohl sie ein Jahr später wieder auf der Bühne stand, warf München weiter Schatten Merons Leben. Dennoch war sie für Israelis kein Opfer, sondern vielmehr, wie die Israels Medien nicht nur anlässlich ihres Todes 2014 titelten, die »Heldin des Münchener Anschlags«.

Zwei Israelis auf dem Weg nach München

Zwei Männer reisten nicht direkt von Israel zur Münchener Gedenkveranstaltung. Ihre Reise hatte zuvor noch andere Stationen, darunter die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Shaul Ladany nahm als 86-jähriger Shoa-Überlebender dort an einer Gedenkzeremonie teil, die wegen Corona mehrfach verschoben werden musste. Doch auch einen weiteren, mit 62 Jahren viel jüngeren Israeli führte das persönliche Gedenken an diese Stätte.

Für den gebürtigen Jugoslawen Ladany war es eine Reise von einem Ort seines Überlebens zum nächsten. Dank Intuition, Wagemut als auch Glück gehörte er weniger als drei Jahrzehnte, nachdem er in jungen Jahren die Inhaftierung im KZ Bergen-Belsen überlebt hatte, zu jenen israelischen Sportlern, die der Münchener Geiselnahme knapp entkamen.

Shaul Ladany, seit 1972 Halter eines israelischen Landes- und eines Weltrekords in der Geher-Disziplin, nimmt die zweifelhafte Ehre, als Jude und als Israeli dem Tod auf deutschem Boden gleich zwei mal entronnen zu sein, zum Anlass, über die Vergangenheit zu berichten. Er mahnt im Jetzt mit Hoffnung für die Zukunft. Ladany war einer von fast sechzig jüdischen Überlebenden, die zur Bergen-Belsener Gedenkzeremonie anreisten.

Auch – und damit sind wir bei der zweiten oben genannten Person – Israels Staatspräsident Isaac Herzog zog es während seiner ersten Auslandsreise im Amt dorthin, u. a., um am Gedenkstein für seinen Vater innezuhalten, der unter den ersten britischen Soldaten war, die dieses NS-Lager an 15. April 1945 befreiten. Es ist das erste Mal, dass der 2021 ins Amt gewählte Isaac Herzog als Präsident des Staates Israel an diesem Ort gedenkt – und an seinen Vaters Chaim Herzog erinnert, der als sechster Präsident Israels auch derjenige seiner Amtsvorgänger ist, der einst Schlagzeilen machte, weil er Israels erstes Staatsoberhaupt war, das Deutschland besuchte.

Gelebte Vergangenheit

Für Ladany und Herzog, wie für viele Israelis und Juden, sind Besuche in Deutschland mit von der Vergangenheit her bestimmten Blicken auf die Zukunft begleitet. Das klang auch in Präsident Herzogs gemeinsamen Statement mit Deutschlands Präsident Frank-Walter Steinmeier an:

»Fünfzig Jahre nach der Katastrophe ist es an der Zeit, den Hinterbliebenen Unterstützung zu gewähren und die Lehren aus dieser Tragödie für zukünftige Generationen zu bekräftigen, darunter auch die Bedeutung der Terrorbekämpfung.«

Nicht nur das jüdische Yiskor-Gebet (Möge [Gott] erinnern) gebietet, mehrmals im Jahr die Erinnerung an Verstorbene privat wie öffentlich zu ehren. Zudem pflegt auch der Staat Israel eine bemerkenswerte Gedenkkultur, die für die Lebenden wie für die Gesellschaft als identitätsstiftendes Element von herausragender Bedeutung ist.

Insofern darf nicht verwundern, dass aus israelischer Sicht Gesten wie die Schweigeminute während der Olympia-Eröffnungsfeier in Tokio 2000 oder die Initiative von IOC-Vorsitzenden Thomas Bach, vor den Spielen 2016 im brasilianischen Rio erstmals eine Gedenkzeremonie abzuhalten, ungenügend waren – vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Jahre zwischen dem Massaker und diesen Gesten verflossen sind. Verwundern darf es aber auch nicht angesichts der Tatsache, wie es zum Beispiel um den Ort des Geschehens, Münchens Connollystraße 31, bestellt ist, wo es immer noch keine Gedenkstätte und Dokumentation gibt.

Nicht nur für die Toten

Kurz vor der diesjährigen Gedenkzeremonie einigte sich Deutschland mit den Hinterbliebenen, deren Angehörige unvermittelt aus dem Leben gerissen wurden, eine zusätzliche, um mehrere Millionen aufgestockte Entschädigung zu gewähren. Das war zweifellos wichtig und nicht weniger von Bedeutung, als dass vereinbart wurde, bislang nebulös gebliebene Sachverhalte zu klären.

Doch Terror ist zugleich auch immer die Geschichte von Menschen, die dem Gräuel entkamen. Es ist eine Geschichte des Todes wie auch des Lebens. Menschen, die Terror überlebten, und auch ihre Familien, können im Gegensatz zu den unwiderruflich Beraubten zwar ihr Leben weiterführen, doch auch für sie ist es fast nie mehr so wie zuvor.

Deutschland erwähnte in der Stellungnahme zur Kompensationsvereinbarung lediglich die Toten und deren Hinterbliebene. Darum kämpften seit Jahrzehnten die in jungen Jahren verwitweten Ankie Spitzer und Ilana Romano, die das Israelische Olympische Komitee felsenfest an ihrer Seite wussten. Auch wenn ein endgültiger Verlust nicht mit bleibenden physischen und/oder psychischen Verletzung gleichzusetzen ist, so ist doch befremdlich, dass sich keine der beteiligten Seiten mit der Frage befasste, wie die überlebenden israelischen München-Olympioniken beruflich wie privat weitermachten. Ausschließlich ihr als »lebende Fackeln der Erinnerung« abgelegtes Zeugnis über das Damals stand und steht weiterhin im Zentrum des Interesses.

Für die Hochbetagten ist das längst Realität, sie haben sich arrangiert. Umso besser für alle, die nach ihnen in diese Lage gekommen sind und leider wohl auch zukünftig kommen werden, dass sich dies zwischenzeitlich geändert hat. Israel entschädigt seit Jahren alle von Terror Betroffenen, Deutschland richtete 2017 endlich eine zentrale Anlaufstelle für alle Betroffenen von Terror ein.

Wahrnehmung von Verantwortung

Es ist wohl immer viel einfacher, andere zu kritisieren. Somit darf nicht verwundern, dass Israel die Lillehammer-Affäre – bei der ein am München-Terror Unbeteiligter aufgrund einer Verwechslung im Zuge der Vergeltung des israelischen Mossad getötet wurde – und ihre weitreichenden Folgen gerne in den Hintergrund rückt und sich einige Medien dieser Tagen beispielsweise lieber mit geschädigten Sportlern aus Ostdeutschland beschäftigten, schließlich kann man so den Flirt des DDR-Regimes mit der PLO ins Rampenlicht stellen.

Diesen Blickwinkel behält Israel seit Jahren bei und sieht sich durch neuere Ereignisse darin bestätigt, dass man Deutschlands »Kapitulation gegenüber dem palästinensischen Terrorismus«, wie es die Tagezeitung Israel Today formulierte, jetzt erst recht aufs Tapet bringen muss. In Israel schlugen die Wogen denn auch nicht wegen der infamen Äußerungen hoch, die der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas kürzlich in Deutschland in Anwesenheit von Kanzler Olaf Scholz kundtat. Da vernahm man in Israel nur: Nichts Neues unter der Sonne, schon in seiner Dissertation outete Abbas sich als Shoa-Leugner.

Vielmehr war Israel entsetzt, dass ein Kanzler Deutschlands, jenes Landes, das immer wieder betont, sich Israels Sicherheit verpflichtet zu sehen, nur schleppend auf Abbas’ Statements reagierte. Israels Medien berichteten zwar breit darüber, dass es in Deutschland deshalb harsche Kritik für Olaf Scholz setzte, brachte aber kaum Folgeberichte über die Initiativen wie die des Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Volker Beck. So kommt es, dass weder dieser deutsche Verfechter der Belange Israels noch seine nach dem beschämenden Abbas-Scholz-Zwischenfall gestellte Strafanzeige gegen Abbas wegen Beihilfe und Anstiftung zum Mord in München 1972 der breiten israelischen Öffentlichkeit bekannt sind – während es in Israel allseits Allgemeingut ist, dass Mahmud Abbas als ehemaliger Schatzmeister der PLO die Finger bei blutigen Angelegenheiten mit im Spiel hatte.

In diesen Tagen, in denen die Welt Rückblick auf München 1972 hält, nahm man in Israel vielmehr ein aktuelles Umfrageergebnis aus Deutschland wahr, laut dem »einer von drei Deutschen meint, Israel geht mit den Palästinenser so um, wie die Nazis mit Juden.« Insofern darf es nicht verwundern, dass die bis vor Kurzem vorherrschende Haltung Deutschlands bezüglich Entschädigung und Klärung der Abläufe rund um die 1972 in München getöteten israelischen Sportler vor dem Hintergrund der bestens bekannten Tatsache, dass Deutschland einer der großen Geldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde ist, als ein umso größerer Affront empfunden wurde. Dass dieser Affront 50 Jahre lang im Raum stand, ließ ihm umso längere Schatten werfen.

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