Von Marcus Ermler
Aktuell deutet in Bremen alles auf die erste rot-grün-dunkelrote Koalition in einem westdeutschen Bundesland hin. Der neue Player ist hierbei die Linkspartei.
Dass mit ihr eine Gruppe Regierungsverantwortung erlangen könnte, die eingefleischte Antizionisten in ihren eigenen Reihen duldet und über beste Kontakte zu anderen deklarierten Israelfeinden verfügt, scheint dabei nicht weiter zu stören. Das Bekenntnis zum Kampf gegen Antisemitismus, das sich rot und grün ansonsten gerne auf die Fahnen schreiben, scheint keine Rolle mehr zu spielen, wenn es um Hass auf Israel geht.
Die auf den ersten Blick wohl ‚fruchtbarste‘ Verbindung mit vielfältigen personellen Überschneidungen ist die zwischen der innerparteilichen Strömung „Antikapitalistische Linke“ der Bremer Linkspartei, Friedensbewegten des Bremer Friedensforums sowie den vermeintlichen Palästina-Freunden des Bremer Nahost-Forums. Die enge Beziehung zwischen Linkspartei und Friedensforum dokumentierte 2016 auch die Jüdische Rundschau. Ihr gemeinsamer Kitt ist das antizionistische Narrativ. So zu finden in einem Aufruf des Bremer Friedensforums, den die Bremer Linkspartei verbreitete:
„Ursachen für die Gewalt im Nahen Osten sind […] die Verbrechen der Israelis am palästinensischen Volk seit mehr als 60 Jahren: der Raub seines Landes, die Vertreibung seiner Menschen, die Zerstörung seiner Gesellschaft, die Verweigerung der Rückkehr der Flüchtlinge sowie die seit 1967 andauernde Besetzung des Westjordanlandes und die seit 2006 bestehende vollständige Abriegelung des Gazastreifens.“
Protest gegen den „Kotau vor der deutschen Staatsraison“
Als Scharnier zwischen linken Antikapitalisten und Antizionisten fungiert dabei ein emeritierter Bremer Professor, der nicht nur Mitglied der Linkspartei, sondern auch maßgeblicher Organisator des Bremer Nahost-Forums ist. In einem von ihm unterzeichneten „Offenen Brief“ an die Bundestagsfraktion der Linkspartei vom 17. Mai 2019 heißt es beispielsweise:
„Sie [die Fraktionen der Linkspartei in Berlin und Brüssel, Anm. des Autors ] unterwerfen sich so der brutalen 52-jährigen Besatzungspolitik Israels und der nun einsetzenden Annexionspolitik Netanjahus und Trumps und opfern die legitimen und elementarsten Lebensinteressen der PalästinenserInnen […] Wir haben es ganz offensichtlich nicht vermocht, euch von diesem erneuten Kotau vor der deutschen Staatsraison abzuhalten!“
Das Bremer Nahost-Forum selbst unterstützt nicht nur die Israelboykottbewegung BDS, sondern hält wöchentlich Palästina-Mahnwachen ab. Mit unzweideutigen Transparenten (hier und hier zu finden), wie „Israel ist ein Apartheidstaat“, „Israel raubt den Palästinensern die Lebensgrundlage“ oder auch „Keine Produkte aus israelischen Siedlungen“. Letzteres goutieren sie mit folgenden Worten:
„Im letzten Jahr, am 28.11.2015, hatte sich eine Gruppe als ‚EU-Inspekteure‘ mit weißen Kitteln verkleidet, war mit Handwagen, Plakaten und Flugblättern durch die Innenstadt gezogen und hatte zwei der großen Innenstadtgeschäfte ‚inspiziert‘.“
Ein führender Vertreter der „Antikapitalistischen Linken“, der auch Mitglied der letzten Bürgerschaft war, hat im Oktober 2014 in einer von ihm herausgegebenen Online-Zeitschrift – die auch auf dem Webauftritt der Linkspartei beworben wird – recht prägnant die Einschätzung seiner Strömung dargelegt, die in letzter antizionistischer Konsequenz nicht nur gegen den Staat Israel gerichtet ist, sondern mehr noch antisemitische Klischeebildung von Juden als „Ausbeutern“ und „Unterdrückern“ betreibt:
„Auch Teile des Landesverband Bremen DER LINKEN verzichtet auf jede kritisch historische Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse in Israel/Palästina. Parteilichkeit für die Unterdrückten und Ausgebeuteten weicht einem beliebigen realpolitischen Aktionismus. Anti-Imperialismus oder Lernen aus der Geschichte war gestern […] Solidarität für Palästina ist für die AkL nicht denkbar ohne die Solidarität mit den ausgebeuteten Schichten der neoliberalen/kapitalistischen Gesellschaft Israels.“
Bremer Linkspartei als Sprachrohr von Israel-Hassern
In das Bild dieses antizionistischen Narrensaums der Bremer Linkspartei passen dann mannigfaltige Vorkommnisse der letzten Jahre. So berichtete 2010 eine vom Simon-Wiesenthal-Zentrum als „extrem anti-israelisch“ geadelte Linkspartei-Politikerin über ihre Teilnahme an der Free-Gaza-Flotille. Im Jahr 2011 konnte sich der Landesvorstand der Bremer Linkspartei nicht zur einer Verurteilung der vom Bremer Friedensforum initiierten BDS-Kampagne durchringen, denn:
„es bedeutet auch nicht, dass wir Boykottaktionen gegen Israel als antisemitisch einstufen […] Boykottaufrufe gegen Staaten (und um einen solchen geht es hier) sind ein legitimes, friedliches Mittel der internationalen Zivilgesellschaft“.
Ein Jahr später machte sich der Landesverband „zum Sprachrohr von zwei Israel-Hassern“, wie es die BILD seinerzeit schrieb. Ein anderer pensionierter Professor stellte auf der Homepage der Bremer Linkspartei in seiner Rezension eines Buches von Arn Strohmeyer („Wer rettet Israel – Ein Staat am Scheideweg“) fest, dass Israel im Hinblick auf die Palästinenser ein „Herrenmenschentum ohne arisches Vorzeichen“ betreibe. Und fragte weiter: „Werden die Wannsee-Beschlüsse erst jetzt vollständig grausame Wirklichkeit?“
Im April 2013 luden „Antikapitalistische Linke“, ein Kreisvorstand der Bremer Linkspartei und der Gesprächskreis Nahost rund um die eben erwähnten emeritierten Professoren des Nahost-Forums zu einer Veranstaltung „Antisemitismusvorwurf als ideologische Waffe“ ein. Dort verbreiteten sie den abgeschmackten Vorwurf, dass „Propagandisten … des israelischen Besatzungsregimes in den palästinensischen Gebieten (inklusive permanenter Verstöße gegen das Völkerrecht) Kritiker mundtot zu machen“ versuchten.
Dabei wurden einer jüdischen Lehrerin und einem jüdischen Studenten der Zutritt zu der Veranstaltungen verwehrt. Zitat: „Euch gehört doch sowieso schon alles, auch die Medien“. Petitesse am Rande: Wie die Jüdische Allgemeine und die taz damals berichteten, unterhielt der Schatzmeister des zur Veranstaltung einladenden Kreisvorstandes der Linkspartei „offenbar gute Kontakte zu führenden Bremer Neonazis“, was in „zweieinhalb Jahren“ Kreisverbandsmitgliedschaft niemandem in der Bremer Linkspartei aufgefallen sein wollte.
Die „Antikapitalistische Linke“, das Bremer Friedensforum und das Nahost-Forum riefen beseelt von diesem antizionistischen Geist 2014 gemeinsam mit der Erdogan-nahen UID zu einer Demonstration „Frieden und Gerechtigkeit für Palästina“ auf, die Israel einen „eklatanten Bruch des Völkerrechts“ vorwarf. 2015 machte die Bremer Linkspartei auch Werbung für die antisemitische NAKBA-Ausstellung.
Die Bremer Linkspartei und ihr Netzwerk linker Antizionisten
Auch in der Wahl ihrer Bündnispartner schreckt die Bremer Linkspartei nicht vor Antizionisten und Antisemiten zurück. In Bremen aktiv ist, wie bereits erwähnt, die „Antikapitalistische Linke“, welche beispielsweise auf der Homepage der Bremer Linkspartei referenziert wird. Die trotzkistische Gruppierung marx21 weist für Bremen eine eigene Facebook-Seite aus. Die Fidel Castro treue Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí hat vor Kurzem zu einer Veranstaltung in Bremen eingeladen.
Die trotzkistische SAV ist in der Bremer Linkspartei sehr präsent, nicht nur durch einen Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2017 (siehe unten). Die Linkspartei selbst ermöglicht es der SAV sich in ihrem Abgeordnetenbüro, dem „Linkstreff“, regelmäßig zu Veranstaltungen zu versammeln. Alle diese Gruppierungen sind als antizionistisch einzustufen. Texte dieser Gruppierungen, die diese Einschätzung rechtfertigen, findet man von der „Antikapitalistische Linken“ hier, von marx21 hier, von Cuba Sí hier sowie von SAV hier.
Darüber hinaus bietet die Bremer Linkspartei auch der stalinistisch-maoistischen MLPD eine politische Heimat, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird und alsantizionistisch einzustufen ist (wie dieser Text der Parteizeitung der MLPD belegt). Unlängst stellte die Linkspartei der MLPD ihre Website als Propagandaplattform für den Aufruf „Schließen wir uns zusammen!“ für ein breites Bündnis mit der Linkspartei zur Verfügung.
Auf den allwöchentlichen Montagsdemonstrationen auf dem Bremer Marktplatz, die zwar überparteilich gedacht, doch im Wesentlichen von der Linkspartei getragen und auf ihrer Homepage redaktionell begleitet werden, scheint die MLPD derart präsent zu sein, dass ein Organisator in einem Bericht vom August 2017 resümiert: „ein inoffizielles MLPD-Organ, als das sich die Homepage mit Verweis auf einige der letzten Wochenseiten nun bezeichnen ließe, will und kann ich als parteiloser Webmaster aber nicht betreiben“.
Nehmen wir als weiteres Beispiel einen stadtbekannten Trotzkisten der Bremer Linkspartei, der sich als Direktkandidat bei der Bundestagswahl 2017, seinerzeit als Mitglied des Landesvorstandes der Linkspartei und als Mitglied im Bundesvorstand der vom Verfassungsschutz beobachteten trotzkistischen Sozialistischen Alternative (SAV) engagiert. Auf seinem Twitter-Account feiert er die isländische BDS-Band, die sich vor Kurzem beim Song Contest in Tel Aviv mit einem inszenierten Protest gegen Israel hervortat.
Israelfeindschaft in Regierungsverantwortung?
Halten wir fest: Die Bremer Linkspartei hat in den letzten zehn Jahren eine Geschichte voll von Antizionismus und Kooperationen mit israelfeindlichen Organisationen aufzuweisen. Die hierin involvierten Kräfte sind auch heute noch in der Partei aktiv, so in der „Antikapitalistischen Linken“ mit ihrer Verbindung zum Bremer Friedensforum wie dem Bremer Nahost-Forum sowie in weiteren innerparteilichen Strömungen. Weiterhin baut die Bremer Linkspartei auf ein Netzwerk mit antizionistischen Parteien wie der SAV und der MLPD.
Wenn sich SPD sowie die in Bremen eigentlich sich dezidiert gegen jeden Antisemitismus positionierenden Grünen im letzten Moment nicht doch noch eines anderen besinnen sollten, wird im Bundesland Bremen demnächst eine Partei in Regierungsverantwortung stehen, die offen israelfeindlichen Kräften eine politische Heimat bei sich gibt. Ein einmaliger Vorgang – für Bremen wie den Westen der Bundesrepublik.