Unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurde gegen fast 200.000 Türken wegen »Präsidentenbeleidung« ermittelt, darunter auch zahlreiche Minderjährige.
Der Polizei in der türkischen Stadt Mersin ist es gelungen, ein schweres Verbrechen aufzuklären. Nachdem sie über die kriminelle Tat informiert worden war, nahm sie umgehend Ermittlungen auf und konnte dank der Aufnahmen von Sicherheitskameras in der Umgebung des Tatorts den Verantwortlichen ausfindig machen.
Ein 16-jähriger Schüler hatte dem Konterfei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan auf einem Wahlkampfplakat ein Hitlerbärtchen aufgemalt und ein paar unfreundliche Worte dazugeschrieben. Nur wenige Stunden nach der ruchlosen Tat konnte der Jugendliche festgenommen und in ein Jugendgefängnis gebracht werden. Ihn erwarten eine Anklage wegen »Beleidigung des Präsidenten« und eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren im Fall einer Verurteilung.
Rechtliche Keule gegen Abweichler
Was klingt wie ein schlechter Witz, ist in der Türkei bittere Realität: Nicht weniger als 175.000 Menschen wurden seit dem Amtsantritt des offenbar sehr leicht »beleidigten« Präsidenten im Jahr 2014 bereits juristisch verfolgt. Allein im Jahr 2020 wurden rund 31.000 Verfahren wegen »Präsidentenbeleidigung« eingeleitet und bis Anfang 2022 wegen dieses Delikts über 16.000 Menschen verurteilt, Haftstrafen inklusive.
Immer wieder sind auch Minderjährige unter jenen, welche die harte Hand des Gesetzes zu spüren bekommen. Unter den Massen von Verurteilten befanden sich schon 12- bzw. 14-jährige Halbwüchsige. So wurde im heurigen April Anklage gegen einen 13-Jährigen erhoben, der Erdoğan in einem Chat auf WhatsApp »beleidigt« haben soll.
Den Tatbestand der »Beleidigung des Präsidenten« gab es zwar schon davor, aber erst unter Erdoğan wurde er zu einem mehr oder minder willkürlichen Mittel der Repression gegen Satiriker, politische Gegner und Kritiker des zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten.