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WOCHENBERICHT, 25.2. BIS 3.3.2013

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen insgesamt 249 Beiträge mit Bezügen zu Nordafrika und dem Nahen Osten:

WOCHENBERICHT, 25.2. BIS 3.3.2013

Dabei standen folgende Länder im Mittelpunkt des medialen Interesses:

WOCHENBERICHT, 25.2. BIS 3.3.2013

Auffällig an dieser Grafik ist die hohe Zahl an Artikeln, in denen der Jemen erwähnt wurde. Das ist selbstverständlich auf den österreichischen Sprachstudenten zurückzuführen, der sich seit Wochen in der Hand jemenitischer Geiselnehmer befindet. Am Donnerstag lief ein Ultimatum ab, das vom entführten Dominik N. in einem vergangene Woche auf Youtube aufgetauchten Video bekanntgegeben worden war. (Kurier, 24. Feb. 2013, Kronen Zeitung, 24. Feb. 2013) In einem eigenen Video wandten sich die Eltern des Verschleppten mit der Bitte an die Entführer, ihren Sohn unbeschadet freizulassen. (Kurier, 28. Feb. 2013; Kronen Zeitung, 28. Feb. 2013) Unterdessen kam eine Schweizerin frei, die am 12. März 2012 von jemenitischen Geiselnehmern entführt und in weiterer Folge an eine al-Qaida-nahe Gruppierung übergeben worden war. Wie der entführte Österreicher auch, hatte die Schweizerin an einem jemenitischen Sprachinstitut Arabisch studiert. In die Verhandlungen zu ihrer Freilassung waren offenbar Vertreter des Emirats Katar involviert. (Kurier, 1. März 2013)

An Geiselnahmen, an solchen zumal, die sich über längere Zeiträume erstrecken, treten die Unterschiede zwischen verschiedenen Medien deutlich hervor. Da sie meist in halbdunklen Sphären stattfinden und nur wenig gesicherte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, spielen sie in der Berichterstattung in genannten Qualitätszeitungen in aller Regel eine wesentlich geringere Rolle als in eher dem Boulevard zugedachten Medien. Der Fall des im Jemen entführten Österreichers ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Während in der vergangenen Woche imStandard und der Presse nur 6 bwz. 4 Mal über ihn berichtet wurde, fanden sich im Kurier 14 und in der Kronen Zeitung gar 16 Beiträge über den Entführungsfall. Die Krone schickte eigens ihren Reporter Gregor Brandl in den Jemen, um ihre Leserschaft über alle Details der Geschichte auf dem Laufenden zu halten. Diesem Aufwand waren so reißerisch gestaltete Beiträge geschuldet wie der Bericht: „Jemen-Drama: ‚Er schrie wie am Spieß‘“, in dem Augenzeugen die Entführung aus einem Geschäft in Sanaa schilderten. (Kronen Zeitung, 1. März 2013) Zu Hause in Wien kümmerte sich derweilen Marga Swoboda in ihrer Kolumne „Tag für Tag“ darum, die menschlichen Dramen in Szene zu setzen, die mit Entführungen einhergehen. (Kronen Zeitung, 28. Feb. 2013)

II. Erdogans antisemitischer Ausbruch

Für Aufsehen sorgte in dieser Woche der türkische Premierminister Erdogan auf einer Konferenz der „Allianz der Zivilisationen“ der Vereinten Nationen in Wien, als er in seiner Rede gegen eine angeblich weit verbreitete „Islamophobie“ wetterte und bei dieser Gelegenheit den Zionismus als ein „Verbrechen gegen die Menschheit“ bezeichnete. (Sehen Sie dazu den MENA- Beitrag vom vergangenen Donnerstag.)

Nachdem die antisemitische Hetze, nach der das jüdische Streben nach nationaler Selbstbestimmung ein Verbrechen gegen die Menschheit sei, auf der Konferenz zunächst auf keinerlei Widerspruch stieß, wurde in den folgenden Tagen doch noch „(h)eftige Kritik an Erdogans Zionismus-Attacke“ laut. (Kurier, 2. März 2013) Ein Sprecher von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete Erdogans Aussagen als „verletzend und spaltend“ (Ebd.), US-Außenminister Kerry fand sie „verwerflich“. (Standard, 2./3. März 2013) Recht deutliche Worte fand auch der deutsche Außenminister Westerwelle, der auf der Homepage des Auswärtigen Amtes feststellte: „Diese Äußerungen sind verletzend und nicht akzeptabel. Der Anspruch und das Recht Israels auf einen eigenen Staat in sicheren Grenzen sind eine Selbstverständlichkeit und dürfen weder durch Handlungen noch in Reden in Frage gestellt werden.“ Die offizielle Reaktion in Österreich fiel deutlich zurückhaltender aus. Wie die österreichisch-israelische Gesellschaft in einer Presseaussendungbeklagte, ging sie über eine kritische Bemerkung eines Pressesprechers des Außenministeriums nicht hinaus. Von Außenminister Spindelegger, der Erdogans Rede vor Ort hörte, gab es kein öffentliches Statement.

Wie aber berichteten die österreichischen Zeitungen über die Affäre? Am Tag nach Erdogans Rede war die Presse das einzige Medium, das seinen antisemitischen Ausbruch erwähnte. Unter dem Titel „Erdogan geißelt ‚Schmähung’ von Muslimen“ berichtete Wieland Schneider: „Islamophobie sei ein Verbrechen – ebenso wie Faschismus und Antisemitismus, sagte Erdogan und verstieg sich dazu, im selben Atemzug auch noch den Zionismus zu nennen.“. Der türkische Premier sei „zuletzt immer wieder als massiver Kritiker Israels aufgetreten.“ (Presse, 28. Feb. 2013) Dass er in seiner Rede den Zionismus nicht nur allgemein als „Verbrechen“, sondern explizit als „Verbrechen gegen die Menschheit“ bezeichnete – ein Terminus, der juristisch zum ersten Mal im Zuge der Vorbereitung des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher des nationalsozialistischen Regimes ausformuliert wurde –, war also auch in der Presse zunächst nicht zu lesen.

Im Standard berichtete Julia Raabe über das „hochrangig besetzte UN-Forum“, das den „Dialog der Kulturen fördern“ wolle. Sie gab zwar die Teile von Erdogans Rede wieder, die sich mit dem Krieg in Syrien beschäftigten, erwähnte dessen antisemitische Hetze aber mit keinem Wort. (Standard, 28. Feb. 2013) Erst am Wochenende war über die „Diskussion um die Israelfeindliche Rhetorik des türkischen Regierungschefs“ zu lesen und wurde der entscheidende Satz Erdogans zitiert: „So wie das für Zionismus, Antisemitismus und Faschismus gilt, ist es unerlässlich, Islamophobie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu betrachten.“ In weiterer Folge ging es in dem Artikel aber nur mehr um die „Gleichsetzung von Zionismus und Faschismus“ – dass Erdogan nicht diese oder jene israelische Politik als faschistisch verdammt, sondern den Zionismus an sich als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnet hatte, schien sich noch nicht bis zum Standardherumgesprochen zu haben, relativierte er doch Erdogans Ausbruch mit dem Hinweis, türkische Politiker würden allgemein „wenig Sensibilität im Umgang mit geschichtlichen Begriffen“ zeigen: „Gegenseitige Faschismus-Vorwürfe zum Beispiel gehören unter türkischen Parteien zum üblichen Stil.“ (Standard, 2./3. März 2013)

Auch in der Kleinen Zeitung wurde zunächst über Erdogans antisemitische Aussage nicht berichtet. Hier fand einzig die ebenfalls in seiner Wiener Rede erhobene Forderung nach einer Reform des UN-Sicherheitsrates Erwähnung, der durch die Blockade durch Russland und China nicht zu einer Beendigung des Syrienkrieges beigetragen habe. (Kleine Zeitung, 28. Feb. 2013) Erst zwei Tage später widmete sich eine Kurzmeldung mit dem Titel „Erdogan und der Zionismus“ der „Empörung“, die der türkische Premier in Wien ausgelöst habe. (Kleine Zeitung, 2. März 2013)

Während Standard und Kleine Zeitung also zunächst einen großen Bogen um die umstrittenen Passagen von Erdogans Rede machten, wurde in Kurier und Kronen Zeitung zwar darauf Bezug genommen, der Verweis auf den Zionismus aber beiseitegelassen. In der Krone war in bruchstückhaften Sätzen über Erdogans Ausführung zu lesen: „Die Ursache von Kriegen seien nicht Religionen. Berufung auf Religion Missbrauch. Religionen seien friedlich. Hass-Schüren gegen Religion sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ (Kronen Zeitung, 28. Feb. 2013) Da sogar die Formulierung vom „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wiedergegeben wurde, muss der andere Teil des Satzes, in dem es um den Zionismus ging, wohl ganz bewusst unterschlagen worden sein. Am Samstag folgte eine Kurzmeldung über die „(a)ufsehenerregende Kritik von UNO-Chef Ban Ki-Moon an Türkei-Premier Erdogan“. (Kronen Zeitung, 2. März 2013)

Im Kurier war von einem „starken Auftritt Erdogans“ die Rede, der beklagt habe, dass Intoleranz und Gewalt gegenüber Muslimen zunehmen würden, was „nicht zu akzeptieren“ sei. (Kurier, 28. Feb. 2013) Erst zwei Tage danach war zu lesen, dass „(m)it einiger Verspätung“ Kritik an Erdogan geäußert wurde, weil er „den Zionismus – also die Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina – als ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ bezeichnet“ hatte. (Kurier, 2. März 2013)

Zusammenfassend kann man feststellen, dass nur die Presse von Anfang an über die hetzerische Aussage Erdogans berichtete. Die anderen Zeitungen zogen es anfänglich entweder vor, seine Ausführungen über „Islamophobie“, in deren Zusammenhang der inkriminierte Satz gefallen ist, gänzlich zu ignorieren (Standard,Kleine Zeitung), oder aber die entscheidende Passage einfach auszulassen (Kronen ZeitungKurier). Alle Zeitungen widmeten sich sodann der international laut gewordenen Kritik, wobei sie sich vorrangig auf Erdogans Gleichsetzung von Zionismus und Faschismus konzentrierten. Der fundamental antisemitische Charakter der Behauptung, das jüdische Streben nach nationaler Selbstbestimmung sei an und für sich ein Verbrechen gegen die Menschheit, wurde dabei aber von keiner österreichischen Zeitung benannt.

III. Ban Ki-moons Warnung

Ebenfalls auf der Konferenz der „Allianz der Zivilisationen“ meldete sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum israelisch-palästinensischen Konflikt zu Wort, dessen Lösung „überfällig“ sei. Der Standard berichtete: „Spezielle Sorgen bereite ihm die Jugend in der Region. ‚Eine Generation von jungen Menschen auf beiden Seiten ist gefährdet, mit einem dämonisierten, entmenschlichten und völlig falschen Bild ihrer Nachbarn aufzuwachsen.‘“ (Standard, 28. Feb. 2013)

Dem UN-Generalsekretär scheint entgangen zu sein, dass wir es nicht mit einer zukünftigen Gefahr, sondern mit einer bereits seit Jahrzenten existierenden Realität zu tun haben, in der die jungen Menschen von Geburt an ein dämonisiertes, entmenschlichtes und völlig falsches Bild des Staates Israel und seiner jüdischen Bewohner vorgesetzt bekommen. Nicht erst seit einer Generation werden die Menschen in den arabischen Ländern mit jenem Hass gegen Israel und Juden indoktriniert, den der ägyptische Präsident Mohammed Mursi einmal so glorifizierte: „Liebe Brüder, wir dürfen niemals darauf vergessen, unsere Kinder und Enkelkinder zum Hass gegen die Zionisten und Juden zu erziehen, und gegen alle, die sie unterstützen. Sie müssen zum Hass erzogen werden, der Hass muss weitergehen.“

IV. Der Iran auf dem Weg zur Bombe

Kaum waren die vermeintlich Hoffnung machenden Meldungen gedruckt, wonach der Iran „im Atomstreit (ein) neues Angebot“ (Standard, 27. Feb.2013) machen wolle und daher „gleich fünf verschiedene Verhandlungspapiere“ (Presse, 27. Feb. 2013) zur jüngsten Verhandlungsrunde über sein Atom(waffen)programm mitbringen wolle, schon wurde gemeldet, die Gespräche seien bereits wieder vorbei. Das Ergebnis der im April 2012 wieder aufgenommenen Verhandlungen mit dem Iran lässt sich sehr kurz zusammenfassen: Es gibt nicht den geringsten Fortschritt zu vermelden. Schlimmer noch: Standen bisher die iranischen Bemühungen zur Urananreicherung im Zentrum der Auseinandersetzung, so gibt es laut einem Bericht des Daily Telegraph jetzt auch Hinweise darauf, dass das iranische Regime nun Anstrengungen zur Gewinnung von Plutonium unternimmt – und sich damit anschickt, auch den zweiten möglichen Weg zur Atombombe zu beschreiten.

„Ein ‚Durchbruch‘ im iranischen Atomstreit“, kommentierte Gudrun Harrer die letzte Verhandlungsrunde in Kasachstan, „stand überhaupt nie zu Debatte.“ Entgegen aller Evidenz scheint sie keinen Zweifel daran zu haben, dass der Iran auf „einen Deal mit der internationalen Gemeinschaft“ aus sei, und sie meint auch zu wissen, was beide Seiten im Atomstreit angeblich wirklich wollen. Daher gibt sie sich zuversichtlich, dass ein Lösung des Konflikts erreichbar wäre: „(D)as Problem ist vor allem der Fahrplan.“ (Standard, 28. Feb. 2013) Obwohl der Iran seit der Aufdeckung seines Nuklearprogrammes alles getan hat, um einzelne Komponenten davon vor der internationalen Öffentlichkeit geheim zu halten und seit mehr als zehn Jahren darauf setzt, die Verhandlungen zu verschleppen und Zeit zu gewinnen, scheint Harrer nicht einmal eine Sekunde lang der Gedanke zu kommen, dass es dem Iran vielleicht gar nicht um eine Verhandlungslösung mit dem Westen gehen könnte, sondern wirklich um die Bombe.

Lässt man die vergangenen Monate Revue passieren, wird klar, warum das iranische Regime keinen Gedanken darauf verschwendet, im Konflikt um sein Atomprogramm einzulenken. Die letztes Jahr verhängten Wirtschaftssanktionen treffen das Land zwar hart, aber die iranische Führung weiß ganz genau, dass der Westen nur zu gerne bereits wäre, sie wieder substanziell zurückzunehmen, wenn es dafür ein Entgegenkommen von iranischer Seite gebe, das als Erfolg verbucht werden könnte. Schon vor der letzten Verhandlungsrunde war davon die Rede, die P5+1-Staaten „bieten dem Iran eine Lockerung einiger Sanktionen im Gold- und Ölhandel sowie im Bankensektor an.“ (Presse, 27. Feb. 2013)

Dass die iranische Führung über die dazu gestellten Bedingungen nicht einmal reden will, ist Beleg für ihr ungetrübtes Selbstbewusstsein, das noch dadurch gestärkt wurde, dass US-Präsident Obama nach harten Auseinandersetzungen seinen Kandidaten für das Amt des Pentagon-Chefs durch den Senat bringen konnte. Die USA haben damit in dieser heiklen Phase einen der umstrittensten Verteidigungsminister ihrer Geschichte, einen Mann, der in der Vergangenheit nicht nur ein militärisches Vorgehen gegen iranische Atomanlagen ablehnte, sondern sogar gegen die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran eintrat. Sollte Obamas Drohung, als letzte Konsequenz das US-Militär einzusetzen, um iranische Atomwaffen zu verhindern, den Iran jemals sonderlich beeindruckt haben, so hat sie mit der Bestätigung Hagels als Verteidigungsminister jegliche Glaubwürdigkeit verloren. (Von den Europäern droht dem iranischen Atomwaffenprogramm in dieser Hinsicht ohnehin keine Gefahr.)

Weil die, die es vielleicht könnten, nicht dazu bereit sind, alles nötige zu tun, um den Iran an der Entwicklung der Bombe zu hindern, wird der Verhandlungszirkus weitergehen. „Die Gespräche sollen in Kürze fortgesetzt werden“, war dem Standard zu entnehmen. (Standard, 28. Feb. 2013) Bei den „Expertengesprächen“ in Istanbul Mitte März wird, darauf kann man wetten, genauso wenig herauskommen wie bei der nächsten Verhandlungsrunde auf politischer Ebene, die für Anfang April angesetzt ist. Unterdessen ist im heutigen Standard unter der Rubrik “Ganz kurz” zu lesen: “Der Iran gab am Sonntag den baldigen Einsatz von 3000 neuen Zentrifugen zur Beschleunigung der Urananreicherung bekannt.” (Standard, 4. März 2013) Die letzten Gespräche wertete Irans Chefunterhändler Said Jalili übrigens als „positiven Schritt“. (Standard, 28. Feb. 2013) Er hat allen Grund dazu.

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