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Zwingt das Abraham-Abkommen Europa zu einer neuen Sichtweise?

Panel auf der ELNET-Konferenz zu den »Abraham Abkommen und Europa: Neue Chancen in einer sich verändernden Welt«
Panel auf der ELNET-Konferenz zu den »Abraham Abkommen und Europa: Neue Chancen in einer sich verändernden Welt«

Bis jetzt stand für Europa die Lösung der israelisch-palästinensischen Frage im Fokus, doch die erfolgreiche Umsetzung der Abraham-Abkommen setzt neue Akzente.

David Isaac

Europa hat sich gegenüber dem Abraham-Abkommen zurückhaltend gezeigt, weil es an der Idee festhält, dass der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst werden muss, bevor ein regionaler Frieden erreicht werden kann, so die Teilnehmer einer Konferenz in Jerusalem diese Woche. Die Tagung zum Thema »Das Abraham-Abkommen und Europa: New Opportunities in a Changing World« untersuchte die europäische Perspektive auf die Friedensabkommen und die Frage, wie Europa stärker in die Vertiefung der Reichweite und des Potenzials der Abkommen einbezogen werden kann.

Die Redner waren sich einig, dass sich Europa nur langsam für die von den USA vermittelten Abkommen erwärmen konnte, weil es in einer alten Denkweise verhaftet ist. Die Konferenz wurde vom European Leadership Network (ELNET) gesponsert, einer gemeinnützigen Organisation, die sich um die Stärkung der Beziehungen zwischen Europa und Israel bemüht.

Ironischerweise scheinen die arabischen Länder die palästinenserzentrierte Sichtweise auf die Region schneller aufgegeben zu haben als die Europäer. Amos Yadlin, ehemaliger IDF-Generalmajor und Vorsitzender des ELNET-Forums für strategischen Dialog, bemerkte, dass ein hoher Beamter in einem der Golfstaaten kürzlich den verstorbenen israelischen Diplomaten Abba Eban zitierte: »Die Palästinenser haben keine Gelegenheit ausgelassen, eine Gelegenheit auszulassen.«

»Bis jetzt hat die EU nur am Rande mitgewirkt«, sagte der niederländische Europaabgeordnete Bert-Jan Ruissen, stellvertretender Vorsitzende der Parlamentsdelegation für die Beziehungen zu Israel. »Ich denke, einer der Gründe für diese zurückhaltende Haltung ist die Tatsache, dass einige Entscheidungsträger in der EU anerkennen mussten, dass ihr Narrativ veraltet ist. Und das ist nicht immer leicht einzugestehen, dass die eigene Sichtweise falsch ist.«

Ruissen wies auch darauf hin, dass die Abkommen als eine amerikanische Initiative angesehen werden. Sie wurden während der Trump-Administration unter der Leitung von Trumps Schwiegersohn und Chefberater Jared Kushner mithilfe des damaligen US-Botschafters in Israel David Friedman, des Sonderbeauftragten für internationale Verhandlungen Jason Greenblatt und anderer entwickelt. Die meisten Teilnehmer der Konferenz waren sich jedoch einig, dass die Europäer endlich die Bedeutung des Abkommens erkannt haben.

Daniel Meron, ehemaliger israelischer Botschafter in der Tschechischen Republik und stellvertretender Generaldirektor für Europa im Außenministerium, sagte, Europa habe zunächst nicht bemerkt, dass »etwas Dramatisches« geschehe, und »es einige Zeit gedauert hat, bis in Brüssel Erklärungen abgegeben wurden, in denen beide Seiten beglückwünscht wurden.«

Neue Möglichkeiten

Aber es gab auch Ausnahmen, meinte er und hob Olivér Várhelyi hervor, den ungarischen Kommissar der EU-Generaldirektion für Nachbarschafts- und Erweiterungsverhandlungen, der den tektonischen Wandel erkannte, den das Abkommen darstellt. Várhelyi sagte im September, dass Europa »die neuen Möglichkeiten«, die sich aus den Abkommen ergeben, »nutzen sollte«.

»Er stellte auch Geld von der EU zur Verfügung, um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Seiten und Europa zu unterstützen«, hob Meron hervor und wies darauf hin, dass seitdem in ganz Europa diesbezügliche Projekte entstanden sind, darunter in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Dänemark.

»Wir erfahren viel Interesse von hohen Beamten, die aus Europa hierher kommen oder die wir in Europa treffen, und die wissen wollen, wie sie sich stärker einbringen können. Das ist etwas, was wir vor eineinhalb Jahren noch nicht gehört haben«, sagte er. Allein der bilaterale Handel zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (ohne Software) erreichte in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 ein Volumen von 1,4 Mrd. Dollar.

Dorian Barak, Mitbegründer und Präsident des UAE–lsrael Business Council, sagte: »Wir gehen davon aus, dass der Handel bis 2025 etwa fünf Mrd. Dollar erreichen wird. … Es gibt etwa 300 israelische Unternehmen, die sehr aktiv in den VAE tätig sind, sei es durch lokale Partnerschaften, durch Unternehmen, die sie gegründet haben, oder durch den direkten Verkauf großer Mengen an emiratische Produzenten und Lieferanten.«

Klimaresistente Landwirtschaft

Bei einer Podiumsdiskussion über das Geschäftspotenzial des Abkommens konzentrierten sich die Teilnehmer auf zwei Schlüsselbereiche: Energie und Ernährungssicherheit, die beide durch den Ukraine-Krieg in den Vordergrund gerückt sind. Die Diskutanten sprachen von einem wirtschaftlichen Dreierbündnis zwischen Afrika, den Golfstaaten und Israel, um das unausgeschöpfte landwirtschaftliche Potenzial der afrikanischen Staaten zu nutzen. Israel würde das technologische Knowhow und die Erfahrung beisteuern.

Danielle Abraham, Geschäftsführerin von Volcani International Partnerships, einer Nichtregierungsorganisation, die sich dafür einsetzt, israelisches landwirtschaftliches Fachwissen in die Welt zu bringen, erklärte, Israel schneide in den Bereichen »klimaresistente Landwirtschaft, effiziente Wassernutzung und Getreidelagerung« hervorragend ab. So hat Israel »weltweit die geringsten Verluste bei der Getreidelagerung«, sagte sie, während der weltweite Durchschnitt liegt bei zwanzig Prozent liege, in Afrika zwischen vierzig und fünfzig, doch in Israel nur bei 0,1 Prozent.

Robert Greenway, Präsident und Exekutivdirektor des Abraham Accords Peace Institute, führte aus, dass Europa vierzig Prozent seiner Energie aus Russland beziehe, was nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Bewaffnung seiner Energieversorgung nicht mehr tragbar sei. Dennoch fehle in Europa noch immer ein konkreter Plan, um die russischen Lieferungen zu ersetzen.

Greenways Botschaft an die europäischen Länder lautet, dass die Länder des Abraham-Abkommens über die »Ressourcen und Kapitalinvestitionen« verfügen, um einen Ersatz für russische Energie im Nahen Osten zu schaffen.«

Das Argument an Europa sei jetzt, »die Infrastrukturprojekte zu starten und zu initiieren, um die beiden Kontinente aus der Energieperspektive zu verbinden, sodass unsere Partner und Verbündeten voneinander abhängig sind und nicht von unseren Gegnern. Aus amerikanischer Sicht würde ich sagen, dass unseren strategischen Interessen immer besser gedient ist, wenn unsere Partner und Verbündeten eng miteinander zusammenarbeiten, was auch Teil der Logik hinter der Aushandlung der Abkommen war.«

Michael Freilich, Mitglied des belgischen Parlaments, meinte, bei den Abraham-Abkommen gehe es nicht nur um den Nahen Osten. »Ich glaube wirklich, dass es auch in Europa Auswirkungen haben wird.« Freilich erzählte, den Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate nach Antwerpen gebracht zu haben, wo es ein Holocaust-Denkmal für jene 25.000 Juden gibt, die aus der Stadt deportiert wurden. Der Botschafter legte einen Kranz an dem Denkmal nieder.

Freilich meinte, dies sei ein wichtiger Moment gewesen, da die arabische Bevölkerung Belgiens stark antijüdisch eingestellt sei und den Konflikt nicht als Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, sondern zwischen Muslimen und Juden betrachte.»Die Tatsache, dass ein Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate Blumen und einen Kranz an einem Denkmal für die Deportation von Juden im Zweiten Weltkrieg niederlegt, öffnet vielen muslimischen Jugendlichen die Augen«, so Freilich.

»Der Kampf gegen Antisemitismus kann durch diese Friedensabkommen sehr viel gewinnen. Und genau das ist es, was ich versuche, meinen Parlamentskollegen und den verschiedenen Ministern in der Regierung zu erklären – dass der Nahe Osten definitiv von diesen Abraham-Abkommen profitieren und wachsen wird und zusätzlich auch eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Feindseligkeit gegen Juden in Europa spielt. Ich weiß, dass es noch viel zu tun gibt, vor allem in Belgien und einigen nordischen Ländern, in Irland ebenso, aber wir dürfen niemals aufgeben. Und wir müssen weiter kämpfen«, resümiert der Parlamentarier.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News SyndicateÜbersetzung von Alexander Gruber.)

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