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Wie geht es in Libyen weiter?

Das Hauptquartier der Regierung des suspendierten Premierministers Fathi Bashaghas in Sirte im Osten Libyens
Das Hauptquartier der Regierung des suspendierten Premierministers Fathi Bashaghas in Sirte im Osten Libyens (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Durchführung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Libyen in diesem Jahr und das Schicksal des Regierungschefs der Administration im Osten des Landes, Fathi Bashagha, sind ungewiss.

Am vergangenen Dienstag verkündete das sogenannte 6-plus-6-Komitee, das sich aus dem libyschen Repräsentantenhaus (dem international anerkannten Parlament) und dem Hohen Staatsrat (einem nicht anerkannten Legislativrat) zusammensetzt, um die Wahlgesetze vorzubereiten, dass ein vollständiger Konsens hinsichtlich der Organisationsgesetze für die Wahlen des Staatsoberhaupts und der Mitglieder des neuen Parlaments erzielt werden konnte.

Libysche Politiker stellten diese Erklärung jedoch umgehende infrage und bezeichneten sie als »schwammig«, wie es etwa Naima Al-Hami, ein Mitglied des Hohen Staatsrats, ausdrückte: »Die Erklärung des Ausschusses ist vage und lässt Transparenz bei der Klärung der Einzelheiten der Vereinbarung vermissen.« Die Bedingungen für die Kandidatur des Präsidenten, »welche die Grundlage für den Konflikt zwischen den verschiedenen Parteien bilden, bleiben unklar«, fügte sie hinzu. Al-Hami vertrat die Auffassung, das 6-plus-6-Komitee verfüge über weitreichende Befugnisse, ohne im Fall eines Konsenses das Repräsentantenhaus und den Obersten Rat einbeziehen zu müssen. Allerdings schloss sie aus, dass solch ein Konsens zwischen den Ausschussmitgliedern bestehe bzw. zu erreichen sei, »es sei denn, die Vertreter des Obersten Staatsrats beschließen, die Voraussetzung aufzuheben, die Militärs und Doppelstaatsangehörige von der Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen ausschließt«.

Das Mitglied des Repräsentantenhauses, Abdel Moneim Al-Arfi, hingegen erklärte, der Ausschuss werde es Militärangehörigen nicht erlauben, bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Das eigentliche Problem, so Al-Arfi, liege »in der mangelnden Akzeptanz der verschiedenen Parteien für die Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses und die daraus resultierenden Wahlgesetze.«

Trotz der Unklarheiten ist der deutsche Botschafter in Libyen, Michael Ohnmacht, optimistisch, dass die Möglichkeit besteht, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vor Ende 2023 oder Anfang 2024 abzuhalten, vorausgesetzt, die politischen Kräfte erzielen einen Konsens. So sagte Ohnmacht in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung, dass »alle technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Wahlen zu diesem Zeitpunkt abzuhalten«. 

Er habe, fügte er hinzu, ausführliche Gespräche mit allen politischen und militärischen Kräften in Libyen, einschließlich General Khalifa Haftar, geführt und bei allen Beteiligten den Wunsch verspürt, diese Wahlen zum angekündigten Termin abzuhalten.

Beendigung der politischen Spaltung?

Seit Ende 2021 konzentriert sich die politische Debatte auf die Durchführung von Wahlen, um die politische Spaltung zwischen dem Westen und Osten des Landes zu beenden, die zur Etablierung von zwei Regierungen, zwei Parlamenten und zwei Armeen geführt hat. Die politischen Parteien haben dieses Ziel jedoch mehr als einmal verfehlt, weil sie sich über die Zulassung von Militärs zur Nominierung für die Präsidentschaftswahlen uneinig waren – ein Problem, das Beobachtern zufolge eng mit Khalifa Haftar zusammenhängt, der unbedingt nominiert und Präsident werden möchte.

Eine weitere rätselhafte Angelegenheit ist das Schicksal von Premierminister Fathi Bashagha. Am 16. Mai veröffentlichte das Repräsentantenhaus auf seiner Website eine Erklärung, in der es ankündigte, in nichtöffentlicher Sitzung über die Leistungen der Regierung Bashagha zu beraten. Dann stimmte das Repräsentantenhaus in aller Eile für die Suspendierung Bashaghas und nicht bloß für den Entzug des Vertrauens in seine Regierung und startete eine Untersuchung.

Der Bashagha nahestehende libysche Politologe Senussi Ismail erläuterte die Vorgänge um den Premierminister und sagte, dieser habe einen Teil des Gesamthaushalts für die westliche Region bereitgestellt, in der die konkurrierende Regierung unter Abdul Hamid al-Dabaiba tätig ist, was die Vertreter aus dem Osten und Süden verärgert habe. Das Parlament hingegen gab offiziell keine Gründe für seine Schritte bekannt, und Bashagha verschwand, ohne dass die gegen ihn eingeleitete Untersuchung zu einem Ergebnis gekommen oder die Möglichkeit seiner Rückkehr ins Amt geklärt worden wäre.

Dieses Vorgehen bringt den Direktor des Zentrums für Studien und Forschung in Genf, Hosni Obeidi, zu der Ansicht, das Parlament habe »Bashagha nicht nur suspendiert, sondern seinem politischen Leben ein Ende bereitet«. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP fügte er hinzu, »Bashaghas demütigender Abgang spiegelt die Differenzen im östlichen Lager wider, insbesondere zwischen General Haftar und dem von Aqila Saleh geleiteten Repräsentantenhaus«, ohne jedoch näher auf die Art dieser Differenzen einzugehen. Laut Obeidi nutze Dabaiba im Westen »die Lähmung der Regierung im Osten, um seinen Einfluss auf das politische und wirtschaftliche Leben in Libyen zu stärken«.

Die Suspendierung Bashaghas fiel mit Medienberichten über Verhandlungen zwischen Haftar und Dabaiba zur Bildung einer Einheitsregierung und zur Beendigung des Streits zwischen den beiden zusammen. Diesen Berichten zufolge führen Ibrahim al-Dabaiba, der Neffe des Ministerpräsidenten von Tripolis, und Saddam Haftar, der Sohn von Khalifa Haftar, seit Monaten die Verhandlungen.

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