Der Iran hat sich in der Vergangenheit stets als der fähigste externe Akteur erwiesen, wenn es um die Regierungsbildung im Irak geht, in dem Teheran großen Einfluss hat.
Rudaw
Vor den Wahlen im Irak am 10. Oktober steht der übergroße Einfluss des benachbarten Iran im Rampenlicht – aber auch der wachsende Widerstand der Bevölkerung dagegen. Die vorgezogene Parlamentswahlen sind ein Zugeständnis an die pro-demokratische Bewegung, die gegen das irakische politische System protestiert hat, das sie als unfähig, korrupt und dem Iran hörig bezeichnet.
„Eines der am meisten beunruhigenden Dinge für den Iran ist die große Unzufriedenheit der irakischen Öffentlichkeit mit Teheran“, sagt die Politikwissenschaftlerin Marsin Alshamary. „Das ist eines der Dinge, mit denen der Iran nicht gerechnet hat und mit denen er sich auseinandersetzen muss“, so die Forscherin der Harvard Kennedy School.
Auf dem Höhepunkt der beispiellosen Proteste im November 2019 griffen wütende Demonstranten das iranische Konsulat in der südlichen Stadt Nadschaf an und setzten es in Brand, wobei sie riefen: „Raus aus dem Irak!“ Als daraufhin viele Demonstranten von Bewaffneten getötet wurden, beschuldigten die Aktivisten pro-iranische Gruppierungen, die im Irak eine wichtige Rolle spielen.
Diese schiitischen Gruppierungen wiederum machen die USA für Angriffe auf ihre Interessen verantwortlich. Ihr paramilitärisches Netzwerk, das als Hashd al-Shaabi (Volksmobilisierungskräfte) bekannt ist, wurde 2014 gegründet , um den Islamischen Staat zu besiegen und umfasst viele pro-iranische Milizen. Es wurde inzwischen in den staatlichen Sicherheitsapparat des Irak integriert.
Aber auch im Parlament haben politische Parteien mit engen Verbindungen zur Islamischen Republik mächtige Blöcke gebildet, die in früheren irakischen Regierungen großen Einfluss hatten.
In der Vergangenheit waren die Beziehungen zwischen dem Irak und seinem größeren Nachbarn im Osten stets unbeständig. Nach der islamischen Revolution im Iran 1979 griff der irakische Diktator Saddam Hussein das Nachband wegen eines Grenzstreits an und löste damit den brutalen Krieg aus, der von 1980 bis 1988 dauerte.
Seit dem Sturz Saddams durch die von den USA angeführte Invasion im Jahr 2003, die eine jahrelange Aufstandsbewegung auslöste, hat der Iran jedoch großen Einfluss im Irak gewonnen. Seitdem können schiitische Pilger aus dem Iran wieder in die für Schiiten heiligen Städte Nadschaf und Karbala im Irak pilgern.
Der Iran ist auch zu einem der größten Handelspartner des Irak geworden, was für die Islamische Republik, die wegen ihres umstrittenen Atomprogramms mit Sanktionen belegt ist, von großer Wichtigkeit ist. Der Irak importiert iranischen Strom sowie Lebensmittel, Textilien, Möbel und Autos. Viele Iraker befürchten jedoch, dass der iranische Einfluss inzwischen zu stark geworden ist. In den letzten Jahren hat sich die anti-iranische Wut entladen, sogar im südlichen schiitischen Kernland des Irak.
„Der Iran hat im Süden und im Zentrum des Iraks einen Großteil seiner schiitischen Basis verloren, von der er lange Zeit annahm, dass sie ihm treu ergeben sei“, so Renad Mansour von der Denkfabrik Chatham House. „Viele der Parteien, die mit dem Iran verbündet sind, finden es schwer, die Popularität zu erhalten, die sie lange Zeit genossen. hatten.” (…)
Der irakische Politologe Ali al-Baidar sagte, die iranfreundlichen Parteien versuchten, „ihre Präsenz in Politik und Regierung zu konsolidieren“. Sie wollen „auf mehreren Ebenen – Diplomatie, Kultur, Sport – präsent sein, um ihr Image in der Öffentlichkeit zu ändern“, das sie in aller Regel bloß mit dem Sicherheitsapparat in Verbindung bringt.
Lahib Higel von der International Crisis Group sagte, sie erwarte, dass die pro-iranischen Parteien im Parlament „ungefähr den gleichen Anteil an Sitzen behalten werden. Ich glaube nicht, dass es einen signifikanten Zuwachs für sie geben wird“. Teheran hofft auf einen Premierminister, mit dem es zusammenarbeiten kann und der für die iranischen Ziele akzeptabel ist.
„Ein Kompromisskandidat ist für den Iran keine schlechte Wahl, denn das bedeutet in der Regel, dass es sich dabei um einen recht schwachen Premierminister handelt. In diesem Fall könnte Teheran, wenn nicht direkt mit dem Büro des Premierministers, so doch mit den Akteuren in seinem Umfeld zusammenarbeiten.“
Mansour sagte, die Wahl sei zwar wichtig, aber der Schlüssel seien letztlich die Hinterzimmerabsprachen, die im Rahmen der Regierungsbildung getroffen würden. „In diesem Prozess hat der Iran in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt“, sagte er. „Der Iran hat sich als der fähigste externe Akteur erwiesen, wenn es um die irakische Regierungsbildung geht.“
(Aus dem Artikel „In Iraq, big neighbour Iran faces growing backlash “, der bei Rudaw erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)