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Staatsstreich in Niger Bedrohung für Nordafrika 

Russische Flaggen bei Protest vor der französischen Botschaft in Niamey zur Unterstützung des Militärputsches in Niger
Russische Flaggen bei Protest vor der französischen Botschaft in Niamey zur Unterstützung des Militärputsches in Niger (© Imago Images / ZUMA Wire)

Der Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Nigers hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Stabilität und den Kampf gegen den Terrorismus in der Sahelzone und in Nordafrika. 

Der Befehlshaber der Präsidentengarde in Niger, General Abd al-Rahman Chiani, erklärte sich zum Führer des neuen Militärrats, nachdem er Präsident Mohamed Bazoum am 26. Juli festgesetzt und damit den ersten seit 2010 und damit insgesamt fünften Militärputsch in Niger seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1960 ausgelöst hatte. Von besonderem Charakter war der aktuelle Staatsstreich jedoch, als er nach einer kurzen Phase des politischen Wandels und nach demokratischen Wahlen stattfand.

Der Putsch wirft viele Fragen auf über die Instabilität und die zunehmenden Sicherheitsbedrohungen in den Ländern der Sahelzone, aber auch den nordafrikanischen Ländern wie Algerien und Libyen, die an Niger grenzen.

Beobachtern zufolge verdeutlicht die Rückkehr der Staatsstreiche in Afrika das Dilemma, dass es dem Kontinent nicht wirklich gelungen ist, dem Phänomen der gewaltsamen Machtergreifung Einhalt zu gebieten. So hat die Zahl der gescheiterten und erfolgreichen Putschversuche seit der Ära der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder vom europäischen Kolonialismus mittlerweile etwa 205 erreicht. Während die Zahl der Militärputsche auf dem afrikanischen Kontinent zu Beginn des neuen Jahrtausends noch zurückging, ist das Phänomen im vergangenen Jahrzehnt mit sechs Militärputschen allein in den zwei Jahren vor dem jüngsten Putsch in Niger wieder stark angestiegen.

Unter russischer Flagge

Bemerkenswert ist auch, dass bei den Aufmärschen und Demonstrationen, die in Niger zur Unterstützung des Staatsstreichs abgehalten wurden, die russische Flagge deutlich zu sehen war. Das Weiße Haus erklärte zwar, es gebe keine Beweise dafür, dass Russland oder die Gruppe Wagner hinter dem Putsch stecke, der Anführer der paramilitärischen Organisation, Jewgeni Prigoschin, jedoch brachte implizit die Unterstützung seiner Söldnertruppe zum Ausdruck. In einer Audiobotschaft erklärte Prigoschin, »was in dem afrikanischen Land geschehen ist«, sei »der Kampf des nigrischen Volkes gegen die Kolonialisten«. Er erklärte weiters, tausend seiner Kämpfer könnten die Ordnung wiederherstellen sowie Terroristen verfolgen und deren Organisationen vernichten, um sie davon abzuhalten, der Zivilbevölkerung Schaden zuzufügen.

Neben dem Beitrag Prigoschins geben die derzeitigen Auseinandersetzungen in Niger vor allem wegen der Präsenz bewaffneter Gruppen wie dem Islamischen Staat Anlass zu Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen Ausbreitung der Unruhen auf nordafrikanische Staaten wie Algerien und Mauretanien. Auch eine Eskalation der ohnehin bestehenden Konflikte in Libyen und dem Sudan kann nicht ausgeschlossen werden.

Jean-Pierre Melali, Experte für internationale Beziehungen, meinte diesbezüglich, der Staatsstreich schade dem westlichen Einfluss in Afrika, insbesondere dem französischen. Melali erklärte weiters, dieser Putsch stelle in der Reihe von Putschen und Staatsstreichen in allen Ländern der Region ein weiteres Ereignis dar, das die Präsenz der Russen in der Region belege, insbesondere der Wagner-Söldner. »Es ist ein schlechter Tag für die Menschen in der Region, die als einer der ärmsten Landstriche der Welt gilt, von Finanz- und Umweltproblemen, Dürre und massivem Bevölkerungswachstum geplagt wird und in der sich die Bevölkerung in zwanzig oder dreißig Jahren verdoppeln könnte.«

Der politischer Analyst aus Niger, Gemba Kakanda, rechnet zudem damit, dass die internationalen Partner ihr Engagement in Niger reduzieren, möglicherweise Sanktionen verhängen und die Entwicklungshilfe kürzen werden. »Die neue Regierung wird eine verzweifelte Haltung an den Tag legen, Maßnahmen zur Unterdrückung der Bevölkerung ergreifen und ihre Aufmerksamkeit vom wichtigsten Thema abziehen, nämlich dem Kampf gegen den Terrorismus, der das Potenzial hat, die Sahelzone weiterhin zu destabilisieren«, erklärte er.

Hamdi Abdel Rahman, Spezialist für afrikanische Angelegenheiten, wiederum nennt drei Hauptauswirkungen des Staatsstreichs in Niger: zunehmende Instabilität, Rückgang des westlichen und vor allem französischen Einflusses, Ausbreitung terroristischer Organisationen. Die geopolitische Bedeutung Nigers mache die Situation nach dem Staatsstreich sowohl für regionale als auch für internationale Akteure besorgniserregend und rufe zahlreiche Bedenken hinsichtlich der Ausbreitung von Instabilität in der gesamten Sahelzone und in Nordafrika hervor.

Laut Abdel Rahman könnte die neue Regierung versuchen, die Abhängigkeit Nigers von Frankreich zu verringern, was ein neues Sicherheitsvakuum in der Region für dschihadistische Gruppen und Weltmächte wie Russland und China entstehen lassen würde. »Wenn das neue Militärregime die volle Kontrolle über die Macht übernimmt, ist es wahrscheinlich, dass die in der Sahelzone agierenden IS-Kämpfer das Sicherheitsvakuum in den westlichen Provinzen Nigers zu ihrem Vorteil nutzen werden. Ebenso wird der IS in der Großsahara wahrscheinlich das Vakuum im Tschadseebecken ausnutzen, um seinen Einfluss auszuweiten«, fügte er abschließend hinzu.

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