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NGO: Irak muss religiöses Schlupfloch schließen, das Kinderehen ermöglicht

Mädchen demonstrieren gegen Kinderehen
Mädchen demonstrieren gegen Kinderehen (© Imago Images / Xinhua)

Human Rights Watch forderte die irakische Regierung zur Beendigung der Praxis der nicht registrierten religiösen Eheschließungen auf, welche die Verheiratung von Kinderbräuten im Alter von bis zu neun Jahren erleichtere.

In einem am Sonntag veröffentlichten Bericht schrieb die Irak-Forscherin bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Sarah Sanbar, die zuständigen Behörden »müssen erkennen, dass unregistrierte Eheschließungen Kinderehen in großem Umfang ermöglichen. Die Behörden sollten Maßnahmen ergreifen, um dieser Praxis Einhalt zu gebieten und den Zugang von Frauen und Kindern zu wichtigen Dienstleistungen wie Ausweispapieren oder medizinischer Versorgung nicht von ihrem Personenstand abhängig machen.«

Etwa ein Drittel der Eheschließungen im Irak ist unregistriert, wird von religiösen Führern geschlossen und ist nur dann rechtsgültig, wenn die Heiraten nachträglich beim Personenstandsgericht verzeichnet werden, wodurch das Paar eine Heiratsurkunde erhält. Am meisten sind Mädchen unter achtzehn Jahren betroffen; zweiundzwanzig Prozent davon sind unter vierzehn Jahre alt, so Human Rights Watch unter Berufung auf Statistiken der Vereinten Nationen sowie auf lokale und offizielle Quellen.

Nach irakischem Recht liegt das gesetzliche Heiratsalter bei achtzehn Jahren. Nur unter besonderen Umständen, bei denen die Erlaubnis eines Richters erforderlich ist, kann das Mindestalter auf fünfzehn Jahre herabgesetzt werden.

Die Wahl einer unregistrierten Ehe ermöglicht es den Familien, die gesetzlichen Heiratsbedingungen zu umgehen und so Kinder- und Zwangsehen zu ermöglichen, welche die Mädchen dem Risiko von lebenslangem Missbrauch und Gewalt aussetzen. Sie sind auch Ausweg und eine »schädliche Bewältigungsstrategie« für in Armut lebende Familien, in denen Mädchen als wirtschaftliche Belastung angesehen werden, so Human Rights Watch in seinem Bericht.

Kein rechtlicher Schutz

Ohne Heiratsurkunde können Frauen nicht im Krankenhaus entbinden, sodass sie risikoreiche Hausgeburten durchführen müssen und Probleme haben, eine Geburtsurkunde für ihr Baby zu erhalten, womit die Kinder aus nicht registrierten Ehen im Grunde staatenlos sind.

»Ich wurde mit vierzehn Jahren verheiratet, und kurz nachdem ich schwanger wurde, verließ mein Mann unsere Familie und nahm meinen Ausweis und unseren [religiösen] Ehevertrag mit«, erzählte eine Frau gegenüber HRW. »Ich war so jung und musste im Haus meiner Mutter mit einer Hebamme entbinden, weil ich nicht ins Krankenhaus gehen konnte. Ich konnte meiner Tochter keine Papiere besorgen, und jetzt ist sie sechzehn und hat immer noch keine Papiere.« Ohne solche kann jedoch ihre Tochter weder zur Schule gehen noch reisen und steht somit vor einer ungewissen Zukunft. »Ich fühle mich nie sicher«, sagte sie.

Weiters haben Witwen und Geschiedene von unregistrierten Ehen auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen und keinen Rechtsweg, um Ehegattenunterhalt oder staatliche Unterstützung zu beantragen. Human Rights Watch hielt fest, dass es aktuell keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, um diejenigen zu bestrafen, die solche Ehen schließen, sodass »religiöse Führer ungestraft gegen irakisches Recht verstoßen können. Der Irak sollte religiöse Führer strafrechtlich verfolgen, die Eheschließungen vornehmen, die gegen irakisches Recht verstoßen, die Legalisierung nicht registrierter Eheschließungen erleichtern und sicherstellen, dass alle Iraker in den Genuss aller ihrer Rechte kommen«, so HRW-Forscherin Sanbar.

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