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Marokko verhängt Exportverbot für Gemüse

Der marokkanische Ausfuhrstopp sorgt für leere Gemüseregale in Großbritannien
Der marokkanische Ausfuhrstopp sorgt für leere Gemüseregale in Großbritannien (© Imago Images / Xinhua)

Nachdem die Inflation die Lebensmittelpreise explodieren ließ, zieht die Regierung knapp vor Beginn des Ramadan die Notbremse, indem sie den Export etlicher Gemüsesorten untersagt.

Am Abend des 22. März beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Wird untertags gefastet, fällt nach Sonnenuntergang die einzige Mahlzeit des Tages üblicherweise besonders opulent aus, was wiederum dementsprechende Lebensmitteleinkäufe voraussetzt – und in den meisten islamischen Staaten heuer viele Familien vor existenzielle Probleme stellt.

Um dem entgegenzuwirken, geht kurz vor dem Ramadan Marokkos Regierung mit drastischen Mitteln gegen die hohen Lebensmittelpreise vor. So ist der Export von Tomaten, Zwiebeln und einigen anderen Gemüsesorten seit dem 9. Februar verboten, da sich in den Wochen zuvor der Preis für ein Kilo Tomaten auf 1,04 Euro verdoppelt hatte. (Eine Ausnahme bildet der von der Regierung privilegierte Handel mit der EU, der offenbar keinen Beschränkungen unterliegt.) Zum Vergleich: Das mittlere Einkommen einer marokkanischen Familie liegt bei etwa 520 Euro.

Exportrestriktionen

Hauptgrund für die Verteuerungen sind neben den gestiegenen Preisen für Düngemittel und Energie die Wetterkapriolen. Das Jahr 2022 war von einer historischen Dürre geprägt. Ab Oktober kam es immer wieder zu schweren Regenfällen und verheerenden Überschwemmungen. Auf ungewöhnlich warme Temperaturen zum Jahreswechsel folgten ab Ende Januar solche weit unter dem Gefrierpunkt, und im Februar gab es Schnee und Eis. Dies betraft auch die um Agadir gelegene Region Souss-Massa, wo ein großer Teil des marokkanischen Gemüses angebaut wird.

Diese Wetterereignisse ruinierten die Erntezyklen und trieben die Großhandelspreise für Lebensmittel in die Höhe. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete Mitte Februar über einen Wochenmarkt in Derb Ghallef, einem Viertel von Casablanca, wo die Preise »auf der Spitze« seien, wie ein Händler sagte. »Ich habe nichts unter fünf Dirham« (0,45 Euro). Früher hätten die Kunden nach Kilogramm gekauft, »jetzt gehen sie mit drei Tomaten und zwei Zwiebeln«. Fleisch kostet pro Kilo fast 100 Dirham (9 Euro). »In 36 Jahren im Geschäft habe ich noch nie dreistellige Preise gesehen«, klagt ein Metzger. Dadurch verkaufe er nur noch ein Drittel dessen, was er sonst an Umsatz erzielt habe.

Im Rahmen des 2008 vorgestellten »Plan Grünes Marokko« (PMV) erklärte das Königreich das Wachstum der Obst- und Gemüseexporte zum Schwerpunkt seiner Agrarpolitik. Seither haben sich die Exporte nach Westafrika auf umgerechnet über eine Milliarde Euro verdreifacht. Zwei Drittel davon entfallen auf den Senegal, Mauretanien, Côte d’Ivoire und Nigeria. Dieser Handel ist nun zum Erliegen gekommen. Auch Großbritannien ist davon betroffen. Die großen Supermarktketten Tesco, Asda, Aldi und Morrisons hätten die Abgabe von Tomaten und Salatgurken limitiert, berichtete die BBC.

Die Exportrestriktion trifft die marokkanischen Landwirte und Händler sehr hart. Zwar ist es nicht unüblich, dass Regierungen von Schwellenländern auf Mangellagen und Preisschwankungen mit Exportverboten für Güter wie Kohle, Weizen oder Reis reagieren; doch leicht verderbliche Güter nicht in kürzester Zeit zu den Zielmärkten bringen zu können, kann ruinöse Folgen haben. Das zeigte sich im letzten November beim Eisenbahnerstreik in Südafrika.

Weil viele Blaubeerexporteure auf dem Höhepunkt der Saison ihre Produkte nicht zu den Häfen transportieren konnten, um sie wie geplant in die EU zu verschiffen, mussten sie im Inland zu Preisen verkauft werden, die nicht kostendeckend waren. Die Farmer sprachen von einer »Katastrophe«. Solch eine Katastrophe fürchten nun auch die marokkanischen Landwirte. 

Ausfuhrverbote

In Marokko wurde das Exportverbot nicht durch Gesetz oder Dekret verkündet, sondern von der dem Landwirtschaftsministerium unterstellten Gemüseexportbehörde Morocco Foodex an private Akteure des Sektors, Händler und Exporteure telefonisch weitergegeben. »Sie haben uns am Dienstag angerufen und verlangten, den Export von Zwiebeln und Kartoffeln auszusetzen«, erzählt Mohamed Zemrani, Präsident des Verbands der Exporteure nach Afrika.

»Damit haben wir kein Problem. Doch am nächsten Tag riefen sie uns erneut an, um den Tomatenexport auszusetzen.« Dies sei inakzeptabel, werde es doch den Betrieben hohe Verluste bringen und zudem ihr Ansehen, das auf deren Zuverlässigkeit basiere, schwer beschädigen.

Kurz nach Verkündung des Exportverbots wurden sogar mit Tomaten beladene Lkw, die bereits in Guergarat – der einzigen Grenzübergangsstation zwischen der marokkanischen Westsahara und Mauretanien – warteten, vom Zoll die Ausreise verweigert. Erst als der Verband bei der Regierung protestierte, konnten sie weiterfahren. Die Weiterfahrt wurde allerdings nur jenen genehmigt, die bereits in Guergarat warteten, nicht aber denen, die unterwegs dorthin waren. Um die Bauern zu beschwichtigen, setzte die Regierung eine Kommission ein, die untersuchen soll, ob das Exportverbot Einfluss auf die in Marokko zu zahlenden Preise hat.

Demonstrationen

Seit Dezember gibt es nun Demonstrationen gegen die Verteuerungen, teilweise verbunden mit Protesten gegen Korruption und der Forderung nach Demokratie. Wie ein Korrespondent der französischen Nachrichtenagentur AFP berichtete, demonstrierten letzte Woche in der Hauptstadt Rabat mehrere Dutzend Mitglieder der linken Gewerkschaft CDT. Umstellt von Polizei skandierten sie Slogans gegen »die Verschlechterung der Kaufkraft«. »Wir sind gekommen, um die Politiker auf die angespannte soziale Situation aufmerksam zu machen«, so CDT-Gewerkschafter Rachid Lemhares.

Mit einer Zunahme der Proteste ist ab dem 28. Februar zu rechnen, da dann das durch den COVID-19-»Gesundheitsnotstand« bedingte Versammlungsverbot aufgehoben wird. Gleichzeitig hoffen Regierung und Landwirte auf wärmeres Wetter und bessere Ernten. 

Jüngsten Berichten vom Wochenmarkt in Casablanca zufolge sind die Preise für Tomaten und Zwiebeln mittlerweile infolge des Exportverbots tatsächlich um bis zu fünfzig Prozent gefallen. Ganz anders sieht es in Großbritannien aus: Die britische Boulevardpresse berichtet dieser Tage von einer Frau, die in einem Lidl-Markt gestoppt worden sei, als sie versucht habe, hundert Salatgurken zu kaufen.

Die 49-jährige Fitnesstrainerin erklärte, sie benötige die Gurken, um daraus Saft herzustellen, den sie verkaufe. »Ich brauchte hundert Gurken«, sagte sie dem Daily Mirror. »Der Manager kam angerannt und sagte, ich kaufte zu viel Obst und Gemüse und ich dürfe nicht so viel kaufen.« Sie habe dann zu drei weiteren Discountern gehen müssen. »Ich brauche jetzt etwa zwei Stunden, um alle Einkäufe zu erledigen, anstatt 15 bis 20 Minuten.« Bei Aldi etwa gebe es ein Limit von drei Gurken pro Person, weswegen es schwer sei »einen angenehmen, netten Obst- und Gemüseladen zu finden, der mich als Kundin will. Es wird eine Schlacht in den Läden geben«, prophezeit die Frau als Resultat des marokkanischen Ausfuhrstopps.

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