Wird irgendwann die endgültige Geschichte des Sturzes der Islamischen Republik geschrieben, wird Teherans Entscheidung, sich an Russlands Invasion in der Ukraine beteiligt zu haben, wahrscheinlich einen prominenten Platz in der Historie einnehmen.
Ilan Berman
Im Juli 2022 begab sich der russische Präsident Wladimir Putin vor dem Hintergrund des anhaltenden Kriegs in der Ukraine auf eine bemerkenswerte Auslandsreise. Inmitten zunehmender internationaler Kritik und wachsender Feindseligkeit seitens der Außenwelt reiste Putin nach Teheran, um sich mit iranischen Vertretern zu treffen und offiziell eine neue Phase in der langjährigen strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern einzuleiten.
Putins Reise nach Teheran mag der öffentlichkeitswirksamste Besuch seiner Regierung gewesen sein, aber er war nicht der einzige. In den vorangegangenen Wochen war eine Reihe russischer Beamter in die Islamische Republik gereist, um ein einziges Ziel zu verfolgen: die Vertiefung der strategischen Beziehungen zwischen Moskau und Teheran.
Diese diplomatischen Streifzüge spiegelten eine monumentale geopolitische Verschiebung wider. Praktisch über Nacht wurde das traditionelle Kräfteverhältnis in der langjährigen strategischen Partnerschaft auf den Kopf gestellt. Jahrzehntelang war Russland ein wichtiger Förderer der Islamischen Republik und nutzte seinen globalen Status, um die internationale Isolation des iranischen Regimes abzumildern und die Wirksamkeit der gegen Teheran verhängten westlichen Sanktionen zu verringern. Doch Russlands Militäroffensive in der Ukraine und der daraus resultierende Druck des Westens änderten alles und verwandelten Russland in einen internationalen Paria – und den Iran in eine Rettungsleine für Putins Regierung.
Postsowjetische Entente
Um zu verstehen, wie sehr sich das Machtgleichgewicht zwischen Russland und dem Iran verschoben hat, muss man die Ursprünge ihrer Beziehung zurückverfolgen. Die heutige Entente zwischen den beiden Staaten geht auf den Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 zurück. Bilaterale diplomatische Kontakte gab es schon früher, Mitte bis Ende der 1980er Jahre, aber erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blühten die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran so richtig auf.
Dies geschah aus praktischen Gründen. Für Russland war die Annäherung an den Iran eine logische Lösung für ein drängendes Problem. Der Zusammenbruch der UdSSR hatte eine Welle des ethnischen und religiösen Separatismus in Russlands weichem Unterbauch in Zentralasien und im Kaukasus ausgelöst, und der Kreml wollte unbedingt verhindern, dass der Iran – der den Export seiner Revolution zu einer wichtigen außenpolitischen Priorität im Nahen Osten gemacht hatte – dieselbe Rolle in Russlands »nahem Ausland« spielt. Auch materielle Erwägungen waren ausschlaggebend: Die russische Rüstungsindustrie hatte den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht unbeschadet überstanden und suchte händeringend nach neuen Kunden, die ihr dabei helfen könnten, ihre Bedeutung aus der Zeit des Kalten Kriegs wiederherzustellen.
Der Iran wiederum sah in der Russischen Föderation einen Retter, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Nach dem zermürbenden achtjährigen Krieg mit dem benachbarten Irak benötigte die Islamische Republik dringend Waffen, um die Macht ihres dezimierten Militärs wiederherzustellen. Teheran sah auch eine natürliche Rolle für sich in der sogenannten Primakow-Doktrin, dem strategischen Konzept, das der russische Außenminister (und ehemalige KGB-Chef) Jewgeni Primakow in den 1990er Jahren verkündete, um eine Absicherung gegen die US-Hegemonie und die von den USA geführte Bündnisstruktur im Nahen Osten zu schaffen.
Die Islamische Republik wurde im Gegenzug für ihre Zusage, sich nicht in die ehemalige Sowjetunion einzumischen, zu einem wichtigen Empfänger russischer Waffen. Schnell entwickelte sich die Vereinbarung jedoch zu etwas mehr, nämlich einem langfristigen Bündnis, das darauf abzielte, die Macht und Dominanz der Vereinigten Staaten (und damit ihrer Verbündeten wie Israel) in globalen Angelegenheiten zu schwächen. Diese Partnerschaft besteht nun seit mehr als drei Jahrzehnten, und ihre Bande haben sich als äußerst haltbar erwiesen, trotz der besten Bemühungen der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Mächte, sie zu brechen.
Fehleinschätzung der russischen Politik
Fast solange wie die russisch-iranische Partnerschaft besteht, haben westliche Regierungen die Hoffnung gehegt, es könne möglich sein, Moskau irgendwie umzudrehen und den Kreml dazu zu bringen, die iranischen Ayatollahs in die Schranken zu weisen. Solche Hoffnungen gab es vor allem während der sogenannten pragmatischen Phase Russlands, die ungefähr mit der Präsidentschaft von Dmitri Medwedew (2008–2012) zusammenfiel. Sie wurden wiederum durch die regelmäßigen russischen Äußerungen der Besorgnis über das Ausmaß der iranischen Nuklearambitionen und den Mangel an Transparenz genährt.
Mit der Rückkehr Putins an die Spitze des Landes (ein Amt, das er in Wahrheit nie aufgegeben hatte) wurden die Rufe nach einer russischen Kehrtwende gegenüber dem Iran zumindest etwas gedämpft.
Nichtsdestotrotz war die Hoffnung, dass Moskau dazu gebracht werden könnte, seinen beträchtlichen Einfluss geltend zu machen, um die Islamische Republik zu einem anderen Verhalten zu bewegen, ein fester Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik geblieben. Sie waren fester Bestandteil der Bemühungen der Obama-Regierung um einen »Reset« der US-Beziehungen zum Kreml sowie der anschließenden Nukleardiplomatie mit dem Iran, die Moskau eine herausragende Rolle in einem diplomatischen Prozess einräumte, der 2015 im Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (JCPOA) gipfelte.
In jüngster Zeit stützten sich die Bemühungen der amerikanischen Biden-Regierung um eine Wiederbelebung des JCPOA, des Kernstücks ihrer Nahostpolitik im ersten Jahr ihrer Amtszeit, in hohem Maß auf den Kreml, der als Gesprächspartner und Vermittler in den Annäherungsgesprächen zwischen den Parteien fungierte. Absurderweise erwartete das Weiße Haus auch nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 und trotz der daraus resultierenden Verhängung immer härterer Sanktionen gegen die Russische Föderation weiterhin, dass Moskau diese Rolle treu spielen würde.
All dies stellte jedoch eine grundlegende Fehleinschätzung der russischen Strategie dar. Ganz einfach: Moskau hat seine Partnerschaft mit dem klerikalen Regime des Irans über alle möglichen Vorteile gestellt, die sich aus einer Zusammenarbeit mit dem Westen ergeben könnten. Dafür gibt es sowohl ideologische als auch praktische Gründe: Ideologisch gesehen wird die Islamische Republik von den neoimperialistischen Denkern des Landes seit Langem als natürlicher Verbündeter und integraler Bestandteil der eurasischen Achse betrachtet, die Moskau auf seinem Weg zurück zu globaler Größe errichten muss. In praktischer Hinsicht haben Kremlbeamte schon vor langer Zeit begriffen, dass ein Amerika, das mit dem lästigen Problem der Eindämmung der iranischen Nuklearambitionen beschäftigt ist, weniger wahrscheinlich auf Moskaus Bemühungen reagieren würde, die Kontrolle über sein nahes Ausland wiederzuerlangen.
Diese und andere Gründe haben dazu beigetragen, dass das Bündnis zwischen Moskau und Teheran trotz des Drucks des Westens lebendig geblieben ist. Und nun, da der Krieg in der Ukraine die geopolitische Lage Russlands grundlegend verändert hat, sind die Aussichten auf eine solche Abkopplung geringer denn je.
Umgekehrte Gleichung
Als Russland seine »spezielle Militäroperation« gegen die Ukraine startete, sollte die Kampagne zur »Entmilitarisierung« und »Entnazifizierung« Kiews sowohl kurz als auch entscheidend sein. Das hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Verblüffende Fehlschläge des russischen Militärs auf dem Schlachtfeld, eine robuste ukrainische Reaktion, umfassende westliche Sanktionen und eine massive Mobilisierung der NATO haben dazu beigetragen, dass Putins Wunschkrieg zu einem langwierigen und kostspieligen Konflikt wurde.
Diese Schwierigkeiten haben Moskau dazu veranlasst, eine schrumpfende Liste internationaler Partner um Unterstützung zu bitten. Und während sich einige -– wie Kasachstan und China – dafür entschieden haben, Moskau auf Distanz zu halten, ist dies beim Iran nicht der Fall. Stattdessen hat die Islamische Republik in den letzten Monaten eine immer wichtigere Rolle in Russlands Krieg übernommen und sich zu einer bedeutenden Quelle von Waffen und Kriegsmaterial für den Kreml entwickelt. Teheran hat unter anderem russische Soldaten an der Front mit Kriegsgerät ausgestattet, zahlreiche Kamikaze-Drohnen geliefert, die anschließend gegen ukrainische Bevölkerungszentren eingesetzt wurden, und Militärausbilder entsandt, um russische Soldaten im Drohnenkrieg zu schulen.
Die Zusammenarbeit ist damit noch nicht beendet. Die beiden Länder haben damit begonnen, ihre Bankensysteme und Finanztransaktionsmechanismen zu integrieren, um gemeinsam die Widerstandsfähigkeit gegen westliche Sanktionen zu erhöhen. Es heißt, das iranische Regime wolle seine Waffenlieferungen an das russische Militär ausbauen. Beide Seiten treiben nun auch Pläne zum Bau einer Drohnenfabrik in Russland voran, um mit der Serienproduktion von Drohnen iranischer Bauart zu beginnen, welche die russischen Kapazitäten erweitern könnten. Außerdem aktivieren sie eine massive Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die von der gemeinsamen Automobilproduktion bis hin zu neuen Vereinbarungen zur Energieentwicklung reicht.
All diese Kooperationen haben eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit: eine verminderte Rolle für Russland. Einst ein wichtiger politischer Rettungsanker für das klerikale Regime des Irans, ist der Kreml heute bei der Verwirklichung seiner militärischen und sogar wirtschaftlichen Ziele zunehmend auf die Unterstützung Teherans angewiesen.
Ein riskanter Schachzug – für den Iran
Wird in einigen Jahren die endgültige Geschichte des Sturzes der Islamischen Republik geschrieben, wird die Entscheidung des Regimes, sich an der russischen Invasion in der Ukraine zu beteiligen, wahrscheinlich einen wichtigen Platz in der Erzählung einnehmen. Indem es Putins Regierung zu Hilfe kam, hat sich Teheran in den wohl folgenreichsten globalen Konflikt der letzten achtzig Jahre eingemischt, mit massiven negativen Folgen für sein eigenes Ansehen.
Diese Folgen sind jetzt in Europa sichtbar, wo sich die Haltung gegenüber Teheran infolge der wachsenden Rolle des Irans im Ukraine-Konflikt zusehends verhärtet. In der Vergangenheit hat sich Europa als vernünftigerer Gegenpol zu den Vereinigten Staaten präsentiert, indem es eine Laissez-faire-Haltung gegenüber dem Iran im Allgemeinen einnahm und dem »Business as usual« mit Teheran den Vorzug vor einer dauerhaften Verurteilung des Regimes wegen seiner nuklearen Bestrebungen, seiner innenpolitischen Unterdrückung oder anderer Missstände gab. Zahlreiche Gespräche mit europäischen Beamten in den letzten Monaten machen jedoch deutlich, dass auf dem Kontinent inzwischen ein deutlicher Wandel stattgefunden hat, der von der Erkenntnis getragen wird, dass sich das iranische Regime voll und ganz hinter Russlands Krieg gegen den Westen gestellt hat.
Das iranische Engagement hat auch begonnen, andere Akteure wie Israel in den Konflikt hineinzuziehen. Die vergleichsweise zurückhaltende Unterstützung der israelischen Regierung für die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland war im vergangenen Jahr Anlass für zahlreiche Spekulationen – und Kritik. Die Zurückhaltung Jerusalems, Kiew tödliche Hilfe anzubieten, beruht auf einer Reihe von Erwägungen, angefangen bei Russlands Rolle als Garant für die Sicherheit an Israels Nordfront bis hin zur russischsprachigen Diaspora des Landes, die mehr als ein Zehntel der israelischen Bevölkerung von fast neuneinhalb Millionen ausmacht.
Der Eintritt des Irans in den Ukraine-Krieg hat jedoch ein strategisches Umdenken in Jerusalem ausgelöst, das begonnen hat, direkt gegen iranische Drohnen vorzugehen, die für Russland bestimmt sind, und die Lieferung fortschrittlicher Waffensysteme an Kiew in Erwägung zieht, darunter das Raketenabwehrsystem Iron Dome.
Doch trotz dieser negativen Folgen wird die russisch-iranische Allianz wahrscheinlich fortbestehen. Im Moment gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Kreml sein militärisches Missgeschick in der Ukraine aufgibt. Dieser Feldzug wird die Russische Föderation weiterhin ausbluten lassen und sie von der Großzügigkeit ihrer wenigen verbliebenen internationalen Partner abhängig machen. Infolgedessen wird Moskau zwangsläufig weiterhin versuchen, Teheran näher zu kommen.
Der Iran seinerseits scheint mit diesem Arrangement zufrieden zu sein, zumindest im Moment. Vor dem Hintergrund anhaltender Proteste im eigenen Land und einer weit verbreiteten Unzufriedenheit mit der mehr als vier Jahrzehnte andauernden Misswirtschaft ist das iranische Regime begierig auf die zusätzliche Stabilität, die engere Beziehungen zum Kreml bieten könnten. Längerfristig werden die iranischen Ayatollahs jedoch feststellen, dass die politischen und strategischen Kosten dieser Annäherung in der Tat sehr hoch sind.
Ilan Berman ist Senior-Vizepräsident des American Foreign Policy Council in Washington. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)