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Können Islamisten Schwulenhasser sein?

Der Attentäter von Orlando Omar Mateen

War der Mörder von Orlando „Schwulenhasser oder ISIS-Terrorist“ fragt man sich unisono in Tagesschau, Bild-Zeitung, dem Rundfunk Brandenburg Berlin (RBB) und unzähligen andere Medien, ganz so, als gebe es da einen Widerspruch.

Nun müssen Schwulenhasser sicher keine Islamisten sein, aber wohl jeder Islamist ist ein Schwulenhasser. Eine Einstellung, die er mit dutzenden von Regierungen im Nahen Osten teilt. Erst jüngst etwa erklärte der oberste Revolutionsführer im Iran, einem Land, in dem  Homosexuelle mit dem Tode bestraft werden, „that there is no worse form of moral degeneration than [homosexuality].” Und was für die islamische Republik gilt, gilt für das Kalifat des Islamischen Staates genauso: Zwischen Raqqa und Mosul richtet man Männer, die wegen Homosexualität verurteilt wurden, hin, indem man sie vor Zuschauern von Hochhäusern stößt.

Imame und Ayatollahs in der ganzen islamischen Welt sind obsessiv vom Kampf gegen Homosexualität  besessen, Aufrufe, Schwule zu töten, sind Legion. Erst  jüngst forderte ein islamischer Prediger ausgerechnet in Orlando in einer Moschee – nur wenige Kilometer von dem Nachtklub „Pulse“, in dem Omar Mateen am Samstag über 50 Menschen ermordete und weitere 53 verletzte„that killing gays according to Islamic law should be done ‚out of compassion‘”.

Richtig wäre also die Feststellung, Mateen sei ein schwulenhassender Islamist, der außerdem Juden, unverschleierte Frauen, Demokratie und alles andere auch hasst, was Islamisten eben so zu hassen pflegen. Oder, wie es ein ehemaliger Mitarbeiter des Attentäters ausdrückte:  „He had bad things to say about everybody – blacks, Jews, gays, a lot of politicians, our soldiers. He had a lot of hate in him.”


War er denn wenigstens Einzeltäter?

Eine Frage, die sich nicht mehr stellt, seit sich der Jihadismus transformiert hat. Heute geht es nicht mehr um jahrelange Planung einer kleinen Elite, die dann, wie am 11. September 2001, spektakulär zuschlägt, sondern jeder, der nur will, kann zum Märtyrer werden.  Ein Küchenmesser oder der Besitz einer Schusswaffe reicht aus. Egal ob der Täter vorher in Kontakt etwa mit dem Islamischen Staat (IS) oder nicht stand, bei erfolgreichem Abschluss des Massakers kann er sich sicher sein, dass der IS sich dazu bekennen und  er in den einschlägigen Kreisen als Märtyrer gefeiert wird. Denn das Versprechen lautet:  Durch die Tat wird die Vereinzelung überwunden, und man geht als Märtyrer im Kollektiv auf.

Der „lone wolf“ verwandelt sich so in einen Soldaten des Jihad, ob in Tel Aviv oder Jerusalem nur mit einem Messer bewaffnet oder eben in Orlando mit einem Sturmgewehr. Dies übrigens besaß Mateen als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma ganz legal und hätte es auch besessen, wären die Waffengesetze in den USA andere, weshalb die ganze Debatte, angefangen bei Präsident Obamas Statement bis hin zu den einschlägigen Kommentaren in Deutschland, in diesem Falle nichts als dummes Geschwätz sind.

Aber sie hätten ihn so gerne, den schwulenhassenden Einzeltäter, der es auf eine Minderheit in den USA abgesehen hat, die ja auch von anderen, nämlich weißen, christlichen Fundamentalisten gehasst wird. Schließlich gab es ja in der Geschichte der USA genügend anti-LGBT hate crimes, die nicht auf das Konto von Islamisten gingen. Dann nämlich könnte man die Tat aus dem Kontext der Anschläge in Paris, Brüssel und unzähligen anderen Orten lösen, dann wäre sie nur ein weiteres Hassverbrechen in den USA, ausgeführt von einem verwirrten und hasserfüllten Einzeltäter.

Schließlich hat es ja diesmal in der Tat eine ganz spezifische Gruppe getroffen, dem Terror fielen nicht völlig wahllos Menschen zum Opfer, die sich, wie in New York, London oder Madrid zum Tatzeitpunkt einfach am falschen Ort aufgehalten hatten. Dass nun ausgerechnet gezielt Schwule ins Visier eines „colored Muslims“ geraten, der doch eigentlich zu den Verdammten dieser Erde gehört; dass man in den entsprechenden Kreisen also nun plötzlich mit der blutigen Realität konfrontiert ist, nämlich der in der islamischen Welt vorherrschenden tödlichen Homophobie – das darf und kann nicht sein.


Die Schuldfrage klären

Entsprechend schnell kamen dann auch die Statements, die rechten US-amerikanischen Politikern die Schuld für das Massaker gaben. So erklärte Chad Griffin, der Vorsitzende der „Human Rights Campaign“, der größten LGBT Organisation in den USA: He wasn’t just hearing these messages from a faraway terrorist organisation (…) He was hearing it from politicians and from radical anti-LGBT extremists right here in our own country. Every time we see legislation that puts a target on the back of LGBT people. Every time we hear a preacher that spews hate from the pulpit. Every time a county clerk says that acknowledging our relationships violates her ‚religious beliefs‘.“ Und Juan Cole fügt hinzu: „If it was about gay marriage, well, there is a lot of political opposition to that on the Republican Right, and violence against gays has been a feature of the American far right.“

Eigentlich seien die Toten im Pulse nämlich Opfer der homophoben amerikanischen Rechten und nun werde auch noch Donald Trump das Massaker für sich instrumentalisieren. Lesben und Schwule müssten als unterdrückte Minderheit im Westen nun vor Vereinnahmung geschützt werden. Das sei nämlich gar kein Anschlag auf „uns“, auf den westlichen Lebensstil oder die Freiheit gewesen, sondern richtete sich ganz im Gegenteil, führt dann auch Thorsten Denkler in der Süddeutschen Zeitung aus, „explizit und speziell (gegen) eine bestimmte Lebensweise. Ein Angriff auf die Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, der LGBT.“


Wir sind nicht betroffen

Der Anschlag gegen Charlie Hebdo war ja auch keiner auf „uns“, sondern richtete sich gegen „Islamkritiker“, und der Angriff auf den Supermarkt in Porte de Vincennes bei Paris galt Juden. Nein, „wir“ sind nicht betroffen.  Außer, dass „wir“ jetzt dringend gegen Diskriminierung von Homosexuellen aktiv werden müssen – und zwar nicht im Iran, Saudi Arabien oder jenen Maghreb Staaten, die die SPD gerade zu sicheren Drittländern erklären möchte, sondern hier: „Dass sich in manchen Gegenden LGBT nur in Lokalen sicher fühlen können, die den Regenbogen-Aufkleber an die Tür geheftet haben, ist alltäglich erlebte Homophobie. Dass LGBT sich in manchen Vierteln nicht trauen, sich öffentlich zu küssen, ist alltäglich erlebte Homophobie. Dass in Deutschland homosexuelle Paare keine Kinder adoptieren dürfen, ist alltäglich erlebte Homophobie.“

Eigentlich homophob sei nämlich der Westen, in der islamischen Welt, da handle es sich eher um Kultur und auf die sei unbedingt Rücksicht zu nehmen. Auch bei der nächsten Reise einer Delegation nach Teheran oder Riad. Alles andere wäre nicht nur geschäftsschädigend, sondern auch rassistisch, wenn nicht gar islamophob.

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