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Hotel Stalingrad – Israels Rettung 1948. Teil 9: Jaffa Oranges

Israels Premierminister David Ben-Gurion und Frank Sinatra
Israels Premierminister David Ben-Gurion und Frank Sinatra (Quelle: Macfadden Publications / Public Domain)

Von New York aus leitete die Haganah 1947/48 ein internationales Netzwerk zum Schmuggel von Waffen und Flugzeugen nach Palästina. Daran beteiligt: die Staatschefs von Panama und Nicaragua – sowie Frank Sinatra.

Im Sommer 1945 reiste David Ben-Gurion in die USA, um dort einen alten Freund zu treffen, den Unternehmer Rudolf Sonneborn. Ben-Gurion kannte ihn seit 1919. Sonneborn stammte aus Baltimore und hatte die Johns Hopkins University besucht, bis er 1918 in das noch junge Marinefliegerkorps aufgenommen wurde, um sich zum Flieger ausbilden zu lassen. Der Weltkrieg endete jedoch, bevor er seine Ausbildung beenden konnte. 

Im folgenden Jahr reiste Sonneborn nach Palästina, wo er im Auftrag der World Zionist Organization Kontakte zur jüdischen Gemeinde pflegen sollte. Er reiste viel in der Region herum und traf führende Vertreter der jüdischen Gemeinde. 1920 schrieb er sich an der Harvard University für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ein, verließ die Universität aber ohne Abschluss, um in einem kleinen, der Familie gehörenden Ölunternehmen in New York City zu arbeiten. Anstatt zu versuchen, mit den großen Ölkonzernen zu konkurrieren, führte er die Firma in den Bereich der Spezialprodukte wie Nähmaschinen-, Fahrrad- und Motoröle.

Während des Zweiten Weltkriegs begann er, sich einen Namen als Spendensammler für jüdische Flüchtlinge in Europa zu machen. Dies war der Beginn seiner langjährigen Tätigkeit als führende Persönlichkeit in amerikanischen Organisationen, die sich der Unterstützung der europäischen und der palästinensischen Juden verschrieben hatten: dem United Jewish Appeal (UJA), dem United Palestine Appeal (UPA), der Israel Bond Organization und der Zionist Organization of America (ZOA).

Bei einem gemeinsamen Kaffee während Ben-Gurions Besuch in New York im Juni 1945 fragte Sonneborn beiläufig: »Sind die Juden darauf vorbereitet, sich zu verteidigen?« »Nein«, antwortete Ben-Gurion, »darum bin ich hier«. Sonneborn war schockiert. Das war das erste Mal, dass er hörte, in welcher Gefahr die palästinensischen Juden schwebten. Auf Ben-Gurions Bitte hin lud Henry Montor, der Direktor des United Jewish Appeal, zahlreiche Unterstützer des Zionismus zu einem Treffen ein, das am 1. Juli 1945 in Sonneborns New Yorker Penthouse stattfand. 

Der spätere legendäre Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek, der 1947 Teil des Haganah-Büros in New York wurde und dieses schließlich leitete, spricht in einem seiner Bücher von einer »außergewöhnlichen Gruppe von vierzig Amerikanern, die sich voll und ganz der jüdischen Sache verschrieben« hatten. »Jeder der Anwesenden repräsentierte Reichtum und Potenzial.« Ben-Gurion sagte ihnen, das Schicksal der palästinensischen Juden würde vom Ausgang des bewaffneten Kampfes abhängen und bat sie um Hilfe in Form von Ideen, Engagement, Fähigkeiten sowie finanzielle Mittel. »Von diesem Moment an«, so Kollek, »begannen diese engagierten Männer und viele andere, die sich ihnen später anschlossen, alles Notwendige vorzubereiten, nicht nur für das Überleben, sondern für unseren Sieg im Jahr 1948.«

Die Haganah in New York

Unter den Teilnehmern des Treffens waren Rabbis, Juristen und Unternehmer. Es wurde beschlossen, Geld für Waffen zu sammeln. Zu diesem Zweck wurde ein Verein, das Sonneborn Institute, gegründet. Es sollte sicherstellen, dass es Palästinas Juden nicht genauso ergehen würde wie den Juden Europas. 1946 gründete Yaakov Dori, später der erste Generalstabschef der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), das New Yorker Büro der Haganah. Ihm folgte 1947 als Leiter Shlomo Shamir nach, ein früherer Major der britischen Armee, dann Teddy Kollek. 

Immer wieder mal in New York, dann wieder in Palästina oder anderswo auf der Welt war Yehuda Arazi. Arazi, der später das Vorbild für den Charakter Ari Ben Canaan in Leon Uris’ Roman Exodus wurde, der im gleichnamigen Film von Paul Newman gespielt wird, war bei der Haganah der wichtigste Schmuggler von Waffen und illegalen Einwanderern. Er hatte in der jüdischen Brigade der britischen Armee in Nordafrika gedient und nach 1945 Operationen der Haganah in Italien geleitet. Er hatte die aliyah bet, die illegale Einwanderung, geführt und Tausenden Juden aus den europäischen Flüchtlingslagern geholfen, nach Palästina zu kommen. Im italienischen Hafen La Spezia hatte er 1946 auf dem Schiff Fede den Hungerstreik von Holocaustüberlebenden organisiert, um die Briten unter Druck zu setzen. Dabei setzte er persönlich Funksprüche an die Welt und an US-Präsident Harry S. Truman ab.

Das Sonneborn Institute ermöglichte die Gründung zahlreicher Tarnunternehmen in den USA, die angeblich in den Branchen Landwirtschaftsmaschinen, Bergbau oder Schrott tätig waren, deren wahrer Zweck es aber war, Waffen und Sprengstoff zur Haganah nach Palästina zu schmuggeln. Die Zeiten dafür waren günstig. Zum einen sortierten die amerikanischen Streitkräfte riesige Mengen an Waffen, Flugzeugen und Schiffen aus, die im Frieden nicht mehr benötigt wurden. Sie wurden zwar für militärische Zwecke unbrauchbar gemacht, bevor sie zur zivilen Nutzung oder zur Schrottverwertung freigegeben wurden – aber jemand, der das nötige Know-how und Zugriff auf Ersatzteile hatte, konnte sie oft wieder in einen militärtauglichen Zustand zurückversetzen. 

Zum anderen gab es in den USA seit den 1920ern ein hochentwickeltes Mafia-Netzwerk, das mit dem Ende der Prohibition im Jahr 1933 seinen ursprünglichen Existenzzweck verloren hatte und auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern war. Gegen Bezahlung war es gern bereit, in New Jersey oder Miami Kisten auf Schiffe zu laden. In den Roaring Twenties waren die Mafiosi junge Männer gewesen. Nun waren sie um die fünfzig, aber sie hatten ihr Handwerk nicht verlernt. Hatten sie früher Whiskey in die USA geschmuggelt, so schmuggelten sie nun Waffen für die Haganah aus den USA heraus. 

Das FBI war ab der zweiten Jahreshälfte 1947 im Bilde; spätestens aber am 3. Januar 1948, nachdem im Hafen von Newark, New Jersey, eine als »gebrauchte Maschinen« deklarierte Kiste von einem Kran gefallen und geborsten war und in der Folge 2.500 Kilo TNT an Bord eines Schiffes Richtung Palästina entdeckt wurden.

Nicaragua

Teddy Kollek schreibt über seine Tätigkeit für die Haganah in New York:

»Von meinen ersten Tagen in Amerika an wurde ich in einen Strudel von Aktivitäten hineingezogen, von denen einige riskant waren. Meine Arbeit umfasste Experimente in den Bereichen Waffenherstellung, Chemie und Physik, Spekulationen mit Schiffskäufen, Geschäfte mit Fabriken und Schrottplätzen, Kontakte zu Spionen, Mafiosi, Filmmogulen, Staatsmännern, Bankern, Professoren und Industriellen, von ganz kleinen bis zu internationalen.«

Zu den Aktivitäten gehörte eine spezielle Einheit, die sich mit dem Kauf von Schiffen und Ausrüstung sowie der Rekrutierung von Personal befasste, um die Schiffe nach Europa zu bringen, die Einwanderer (hauptsächlich in Südfrankreich und Italien) aufzunehmen und sie nach Palästina zu verschiffen. Von New York aus wurden aber auch Kontakte nach Lateinamerika hergestellt, um Waffen zu kaufen. Wiederum Kollek:

»Die Jewish Agency verwendete die beträchtlichen finanziellen Beiträge von Juden und anderen Freunden aus der ganzen Welt, um den Kauf von Waffen in Frankreich und der Schweiz zu finanzieren. Das Problem war, wie man sie nach Palästina transportieren konnte. …

Es gab nur eine Möglichkeit: Wir mussten ein Land finden, das in seinem eigenen Namen, aber mit unserem Geld, Waffen für uns kaufte. Dieses Land sollte so tun, als würde es die Lieferung übernehmen, aber dann würden wir die Kontrolle übernehmen, die britische Blockade umgehen und die Waffen an die Haganah in Palästina übergeben. Wir suchten nach einem lateinamerikanischen Land, und einer der zionistischen Führer in New York kannte einen Mann in Nicaragua, der einen anderen Mann kannte, der ein enger Freund des nicaraguanischen Diktators, General Taco‹ Somoza, war.«

Kollek selbst reiste nach Managua und machte den Deal klar. Somoza erhielt Geld als Bezahlung für einige Unterschriften. Kollek weiter:

»Unsere Wunschliste war klar: Briefe an den nicaraguanischen Botschafter in Paris und den Generalkonsul in Zürich, die uns ermächtigten, Maschinen und Waffen in Frankreich und der Schweiz zu kaufen; Anweisungen an den Botschafter und den Konsul, die Verschiffung von Material zu den Häfen von Marseille, Triest und Genua zu erleichtern; und zwei nicaraguanische Diplomatenpässe, einen für Yehuda Arazi, der die eigentlichen Einkäufe tätigen würde, und einen für mich. … Somoza sowie der Außenminister und der Präsident mussten die Briefe unterschreiben. Es war ein absolut ehrenhaftes Geschäft, absolut korrekt.«

Al Schwimmer

Flugzeuge standen anfangs nicht auf dem Einkaufszettel der Haganah. Diese Idee kam von Al Schwimmer. Al Schwimmer wurde 1917 in New York City als Adolph William Schwimmer geboren. Er war ein säkularer Jude, der keine jüdischen Feste feierte und sich nicht für den Zionismus interessierte. Mit 22 Jahren fing Schwimmer als Flugzeugmechaniker bei Lockheed an, später arbeitete er für die Fluggesellschaft TWA, die während des Kriegs für die US Air Force zivile Transportflüge durchführte. Schwimmer wurde Pilot im Ferry Command, das Frachtflugzeuge mit Kriegsgütern von den USA zu den Kriegsschauplätzen flog.

Die wichtigste Route des Ferry Command war jene über Kanada und Island nach Irland. So konnte Großbritannien versorgt werden, ohne dass Schiffe und ihre Besatzungen durch deutsche U-Boote bedroht wurden. Das Netzwerk reichte auch über den Pazifik, nach Australien und Südostasien, und über Südamerika, Westafrika und Kairo bis in den Nahen Osten. Schwimmers Haupteinsatzgebiet während des Zweiten Weltkriegs war China, Indien und Burma gewesen. Einer der vielen hundert Stützpunkte des weltweiten Netzwerks des Ferry Command war der Flugplatz Lydda in Palästina.

Da Al Schwimmer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs regelmäßig nach Europa flog, bat ihn seine Mutter vor einer seiner Reisen, in ungarischen und französischen Auffanglagern für Holocaustüberlebende (Displaced Persons, DP) nach überlebenden Verwandten zu suchen. Schwimmer fand heraus, dass alle Verwandten tot waren. Und er sah das Elend der Überlebenden, die kein Staat der Welt aufnehmen wollte und denen die Briten die Ausreise nach Palästina versperrten.

Eines Tages, als Al Schwimmer im Begriff war, von Lydda aus zu einem Flug in die Schweiz aufzubrechen, näherte sich ihm ein freundlich aussehender Fremder und fragte, ob er eine Nachricht überbringen könne. Schwimmer nahm einen Briefumschlag entgegen und überbrachte ihn – ebenso wie weitere Umschläge nach Rom, Paris, Zürich und andere Orte in Europa und Amerika. Es dauerte nicht lange, bis er merkte, dass er als inoffizieller Kurier der Haganah arbeitete. Da Schwimmer tief erschüttert war vom Holocaust und dem, was er in den europäischen Lagern gesehen hatte, wollte er jüdische Flüchtlinge nach Palästina fliegen. Er erklärte der Haganah, dass dies »machbar« sei und man auch Juden aus Nordamerika, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten, mit Flugzeugen nach Palästina bringen könne. 

Schwimmer sagte im Interview mit Boaz Dvir für den Dokumentarfilm A Wing and a Prayer: »Sie hatten keine Waffen, aber es gab hier eine große Zahl von Männern, die militärische Erfahrung hatten. Sie wussten also, wie man die Waffen benutzt, wir müssten sie nicht ausbilden.« Schwimmers Vorschlag wurde notiert, aber niemand kam zunächst darauf zurück. Die Idee, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs von den westlichen Geheimdiensten unbemerkt Flugzeuge um die Welt zu fliegen, schien verrückt, von den Kosten nicht zu reden. 

Das änderte sich im September 1947. Wie wir wissen, verhandelte die Haganah zu dieser Zeit mit der Regierung in Prag über Waffenkäufe, und Stalin hatte dazu bereits grünes Licht gegeben. Die Tschechoslowakei würde die Waffen aber nicht nach Palästina fliegen. Nun könnten die Flugzeuge, von denen Schwimmer ursprünglich vorgeschlagen hatte, dass sie Flüchtlinge und Kämpfer transportieren könnten, für den Transport von Waffen benötigt werden. Ende September 1947 erhielt Al Schwimmer nach einem Transatlantikflug bei einer Zwischenübernachtung in New York einen Telefonanruf. Ob er wohl bitte ins Hotel 14 in Manhattan kommen und dort nach Albert Miller fragen könne?

Frank Sinatra

Das Hotel 14 war ein Etablissement in der 60th Street in Manhattan. Das Gebäude, in dem es sich befand, war übersät mit riesiger Leuchtreklame. Denn im unteren Stockwerk war der vielleicht berühmteste Nachtclub Amerikas, das Copacabana, wo Stars wie Billie Holiday, Nat King Cole, Frank Sinatra, Jerry Lewis und Dean Martin auftraten. Es gehörte eigentlich dem Broadway-Unternehmer Monte Proser, doch der Mafiaboss Frank Costello hatte sich bei ihm »eingekauft«, weswegen es auch es rund um die Uhr vom FBI beobachtet wurde.

Ging man durch den Nachtclub durch, gab es dort eine Tür, hinter der es eine Treppe nach oben gab. Sie führte in ein Zimmer des Hotel 14. Dort hatte die Haganah ein Büro, getarnt als die Firma »Jaffa Oranges«. Die Mitarbeiter der Haganah, unter ihnen Teddy Kollek, besuchten nach getanem Tageswerk gern die regelmäßigen Konzerte von Frank Sinatra, und Sinatra kam oft zu ihnen zu einem Plausch an den Tisch.

Frank Sinatras Tochter Nancy und sein Biograf Michael Freedland, der den 2007 verstorbenen Teddy Kollek für seine Sinatra-Biografie interviewt hatte, berichten beide die Geschichte, als Frank Sinatra einmal Geld für Waffenkäufe der Haganah überbrachte. Kollek hatte dem Sänger von einem Problem erzählt: Sie hatten etwa eine Million Dollar, die sie sofort an verschiedene Waffenlieferanten in Übersee liefern mussten. Könnte Frank helfen? »Sicher«, antwortete dieser. »Was soll ich tun?« 

Die Haganah-Mitarbeiter brauchten ihn, um eine Tasche voller Bargeld, das sie heimlich von zionistischen Anhängern in Amerika gesammelt hatten, zu einem Schiff zu bringen, das an einem der New Yorker Piers wartete. »Wir wussten, dass wir verhaftet würden, sobald wir versuchten, einen Koffer mit dem Geld abzuliefern«, erinnerte sich Kollek. »Aber wir dachten, dass Sinatra nicht beobachtet werden würde. Ich wusste um seine Sympathie für uns und fragte ihn, ob er die Tasche mit dem Geld zum Pier bringen und sie dem Kapitän übergeben würde. Er stimmte zu und leistete großartige Arbeit. Diese Hilfe, die Sinatra uns damals geleistet hat, werden wir nie vergessen.« Laut Nancy Sinatra brachte ihr Vater das Geld in einer Papiertüte aus dem Hinterausgang des Copacabana.

Come fly with me

Zurück zu Al Schwimmer. Er ging also ins Hotel 14, fragte nach »Albert Miller« und wurde einem stämmigen Mann mit silbergrauem Haar vorgestellt, der in knappem, präzisem Englisch sprach. In dem Moment, als er ihm die Hand schüttelte, wusste Schwimmer, dass es keinen Albert Miller gab. Es war Yehuda Arazi. Arazi wollte alles über Flugzeuge wissen. 

Wie Boaz Dvir schreibt, befragte er Schwimmer »zu jedem Aspekt seines Plans, von den Kosten für die ausgemusterten Transportflugzeuge über den Zeitplan für die Reparaturen bis hin zu den vorgesehenen Flugrouten«. Schließlich war Arazi überzeugt. Er erklärte Schwimmer, dass die Flugzeuge für Waffentransporte benötigt würden und fragte ihn, ob er trotzdem mit an Bord sei. Er müsse nicht mitmachen: »Es ist unser Problem und Ihre Entscheidung.« Schwimmer willigte ein. Als er das Büro von »Jaffa Oranges« verließ, fragte ihn Arazi: »Ist Ihnen klar, dass Sie nationales und internationales Gesetz brechen und das FBI es Ihnen sagen wird?« Schwimmers Antwort: »Jetzt weiß ich es.«

Schwimmer kündigte sofort seinen Job und wurde bei der Haganah der Mann für Flugzeuge. Ihm oblag es, Piloten und Mechaniker zu rekrutieren. Als erstes heuerte er seinen Freund und früheren TWA-Kollegen Sam Lewis an, der als jemand bekannt war, der jedes Flugzeug fliegen konnte. Lewis übernahm die Ausbildung von Piloten. (1949 wurde Lewis erster Chefpilot von El Al). Schwimmer überzeugte auch seinen Freund Ray Selk, einen ehemaligen Mechaniker der US Air Force, beim Flugzeugschmuggel nach Palästina mitzumachen sowie Willie Sosnow, der ebenfalls Flugzeugmechaniker bei TWA gewesen war.

Gemeinsam mit dem New Yorker Rechtsanwalt Nahum Bernstein und dem Geld, das er von der Jewish Agency erhielt, kaufte Schwimmer zehn zweimotorige Transportflugzeuge des Typs C-46 und drei viermotorige C-69 Constellation. Es waren Flugzeuge, welche die US Air Force nach dem Zweiten Weltkrieg ausgemustert hatte und die darum nur einen Bruchteil des Neupreises kosteten. Die Maschinen rotteten auf dem Lockheed Air Terminal in Los Angeles-Burbank vor sich hin, einem Flughafen, den der Flugzeughersteller Lockheed 1940 gekauft hatte. Jeder ehemalige Pilot der US Air Force durfte die Flugzeuge kaufen.

In Burbank gründeten Schwimmer und Selk im Dezember 1947 die Tarnfirma Schwimmer Aviation Company. Bald darauf konnten sie einen zweiten Flughafen in Los Angeles nutzen: den der Flugschule Bakersfield Air Park. Diese gehörte der bekannten Fliegerin Elynor Rudnick. In Bakersfield wurden nun an kleinen Doppeldeckerflugzeugen Piloten ausgebildet, die später Waffen nach Israel bringen würden. Außerdem wurden hier Flugzeuge ausgeschlachtet, um die Teile – Kontrollinstrumente, Triebwerke, Fahrwerke, Propeller, Hydraulik usw. – in andere Flugzeuge einzusetzen. Als Rudnick fragte, was für sie dabei herausspringe, antwortete Selk: »Du bist Teil der Sache.«

Schwimmer renovierte vor aller Augen Flugzeuge und hatte dazu eine Crew von Mechanikern eingestellt. Falls er gefragt wurde, was er mache, sagte er: »Wir gründen eine Fluggesellschaft und werden Flüchtlinge aus Europa ausfliegen.« Mithilfe eines Investors aus Palästina werde die Fluggesellschaft später, nach dem Ende des britischen Mandats, den jüdischen Staat mit Destinationen in Europa verbinden, behauptete er.

Oh, wie schön ist Panama

Um dem Unternehmen den Anschein eines legitimen kommerziellen Geschäfts zu geben, kaufte Schwimmer eine kleine New Yorker Fluggesellschaft namens Service Airlines. Sie gehörte Irvin »Swifty« Schindler und hatte bis dahin weder Flugzeuge noch Angestellte gehabt, sondern bestand nur auf dem Papier. Auch Schindler machte nun mit. Unter dem Anschein von Legalität ein großes Rad zu drehen war aber nur deshalb möglich, weil Schwimmer die Unterstützung eines souveränen Staates gewinnen konnte: Panama. Panamas Präsident Enrique Adolfo Jiménez hatte einen Flughafen bauen lassen, den er am 1. Juni 1947 eingeweiht hatte. Doch wegen der unsicheren innenpolitischen Lage wollte keine Fluggesellschaft der Welt den Flughafen anfliegen. Schwimmer kannte einen Major der US Air Force, der mit einer Nichte von Jiménez verheiratet war.

Über sie stellte er den Kontakt her und bot Präsident Jiménez an, eine staatliche Fluggesellschaft zu gründen, die Líneas Aéreas de Panama. Dem Präsidenten gefiel das. Und Geld für seine Mühen bekam er obendrein. Obwohl das FBI wusste, was vor sich ging, hatte es keine Handhabe gegen Schwimmer. Denn der handelte nun im Auftrag Panamas. Im April 1948 flogen acht Maschinen von New Jersey nach Panama. Das FBI konnte nicht beweisen, dass das Endziel der Flugzeuge Palästina lautete. Und gegen Panama gab es keine US-Sanktionen. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2011 erinnerte sich Schwimmer: 

»Wir waren den Behörden immer einen Schritt voraus. Sie wussten, wie wir operierten, versuchten, uns zu schnappen, aber konnten es nicht. Wenn sie dort waren, waren wir hier. Und wenn wir hier waren, waren sie dort. Wir waren immer – nicht verfügbar.«

In der Serie »Hotel Stalingrad – Israels Rettung 1948« erschienen:

Teil 1: Exodus
Teil 2: Bab el-Wad
Teil 3: Kyrus
Teil 4: Ad Halom
Teil 5: Liebesgrüße aus Moskau
Teil 6: Jan Masaryk
Teil 7: Operation Balak
Teil 8: Golda Meyerson in Amerika
Teil 9: Jaffa Oranges

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