Der Antisemitismusvorwurf gegen Israel-Boykotteure hat eine „sachliche Grundlage“ – ob sie sich selbst für antisemitisch halten, ist unerheblich.
Der Senat 2 des Presserats stellte im Zuge eines Beschwerdeverfahrens fest, dass die Bezeichnung der BDS-Bewegung als „antisemitische BDS“ nicht gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse verstößt.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war ein Artikel der Kleinen Zeitung vom 08.07.2019. Darin geht es um Querverbindungen zwischen steirischen Vereinen und der BDS-Bewegung (Abkürzung für „Boycott, Divestment und Sanctions“), die zum weltweiten Boykott Israels aufrufe. Im Vorspann des Artikels heißt es, dass die „antisemitische BDS-Bewegung“ von subventionierten Vereinen in Österreich unterstützt werde. Anschließend wird berichtet, dass zuletzt der Deutsche Bundestag es staatlichen Einrichtungen verboten habe, BDS zu unterstützen. Auch die Stadt Wien habe diesbezüglich bereits Maßnahmen erlassen. Demgegenüber komme es in der Steiermark immer wieder zu Störaktionen und Kundgebungen im Sinne der BDS-Bewegung.
Ein im Artikel genannter steirischer Verein wandte sich an den Presserat und kritisierte u.a., dass die BDS-Bewegung nicht antisemitisch sei. So distanziere sich die internationale Bewegung in ihrem Selbstbild deutlich von Antisemitismus; die BDS-Bewegung richte sich ausdrücklich gegen die israelische Politik bzw. einen „durch Massenvertreibung“ entstandenen Staat, nicht aber gegen Juden. In dem Zusammenhang verwies der steirische Verein u.a. auf jüdische Intellektuelle und die EU-Außenbeauftragte, welche die BDS-Bewegung von der Meinungsfreiheit gedeckt sehen. (…)
Zunächst qualifiziert der Senat die Behauptung, dass jemand antisemitisch sei, als Wertung über die ideologische Gesinnung. Nach Auffassung der Senate des Presserats ist die Meinungsfreiheit bei Wertungen prinzipiell großzügig auszulegen, darüber hinaus beruht die Wertung auf einer sachlichen Grundlage. Der Senat weist darauf hin, dass zahlreiche Institutionen und staatliche Einrichtungen die BDS-Bewegung als antisemitisch einstufen. In Anbetracht dessen scheint dem Senat der Antisemitismusvorwurf durch das Medium gerechtfertigt. Ob sich die BDS-Bewegung selbst für antisemitisch hält oder andere Personen dieser Einstufung widersprechen, ist dabei unerheblich.
Österreichischer Presserat: „Antisemitismusvorwurf gegenüber BDS zulässig“