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Was eine Iranerin an amerikanischen Hochschulen erlebte

Der Campus der Universität Berkeley. Auch hier kann man viel über progressive Ideologie, aber nur wenig über den realen Iran lernen. (© imago images/Kyodo News)
Der Campus der Universität Berkeley. Auch hier kann man viel über progressive Ideologie, aber nur wenig über den realen Iran lernen. (© imago images/Kyodo News)

Als »woman of color« war eine Iranerin an US-Universitäten gerne gesehen – solange sie nicht die Verbrechen des iranischen Regimes anprangerte.

Wie viele andere Studenten nahm auch Ladan Zarabadi in ihrer Heimat an den Protesten der sogenannten Grünen Bewegung gegen das iranische Regime teil. Im Jahr 2010 erhielt sie die Möglichkeit, in die USA zu auszureisen, wo sie schließlich Gender Studies studierte. Schockiert musste sie bald feststellen, dass der Iran, wie er an amerikanischen Hochschulen präsentiert und diskutiert wurde, mit dem Iran, aus dem sie kam, nur wenig zu tun hatte.

Ideologie vs. Realität

An den amerikanischen Universitäten war sie, wie dem lehrreichen Bericht im Tablet Magazine zu entnehmen ist, als »woman of color« willkommen. Aber an dem, was die kompromisslose Kritikerin über das iranische Regime zu sagen hatte, bestand nicht das geringste Interesse. Schlimmer noch: Sprach sie Verbrechen des Mullah-Regimes gegen die Menschenrechte an, wurde sie als »Rechte« diffamiert, die der iranfeindlichen Propaganda des amerikanischen Imperialismus auf den Leim ginge.

Denn was sie, die es besser wusste, zu sagen hatte, widersprach den Glaubensbekenntnissen des progressiven Gruppendenkens, das den akademischen und aktivistischen Diskurs über den Iran beherrschte. Diesem Denken zufolge sei das große Problem die militaristische Politik der USA gegenüber dem Regime, in dem man doch die »Moderaten« und »Reformer« unterstützen müsse. Über den Kopftuchzwang und andere Charakteristika der Islamischen Republik zu reden sei »neokonservative« und »islamophobe« Propaganda, mit der das Land »dämonisiert« werden solle. Antiamerikanische und antikoloniale Scheuklappen verdecken in dieser Sichtweise den Blick auf das real existierende iranische Regime und die Menschen, die unter diesem leiden.

Die Wirklichkeit im Iran und die vorherrschende Ideologie im westlich-akademischen Bereich klafften im Laufe der Zeit immer weiter auseinander. Als etwa zu Jahresbeginn 2020 Qassem Soleimani, der Kommandeur der Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden, auf Befehl von Präsident Donald Trump bei einer gezielten Tötung liquidiert wurde, hätten die Menschen im Iran dies entweder desinteressiert zur Kenntnis genommen oder sich über den Tod eines Mannes gefreut, den sie als Menschenschlächter und Kriegsverbrecher betrachteten. An amerikanischen Universitäten wurde unterdessen die angeblich ungeheure Popularität Soleimanis hervorgehoben, der, anders als US-Generäle, direkt an der Front einen heroischen Kampf geführt habe und dessen Tod ihn zu einer Legende machen werde.

Iran-Akademiker

Iranische Dissidenten entwickelten, so schreibt das Tablet Magazine, den »Qassam-Test«: Um die Glaubwürdigkeit westlicher Iran-Experten einzuschätzen, prüften sie einfach, ob diese Soleimani zum Zeitpunkt seiner Ermordung als Nationalhelden bezeichneten.

Selbst als Menschen im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini im September 2022 massenhaft auf die Straßen gingen und den Sturz des Regimes forderten, wollten die westlichen Iran-Akademiker darüber partout nicht sprechen, was bisweilen fast komische Ausmaße erreichte:

»In einer Podiumsdiskussion der Universität Berkeley in Kalifornien, die im Oktober letzten Jahres der Bewegung ›Frau, Leben, Freiheit‹ gewidmet war, vermied es Sima Shakhsari, eine Wissenschaftlerin der University of Minnesota, fast gänzlich, über die Bewegung zu sprechen, indem sie ein Sammelsurium linker Talking Points über indigene Souveränität, Siedlerkolonialismus, Black Lives Matter, israelische Gewalt gegen Palästinenser, rassistische Polizisten, den amerikanischen Imperialismus und darüber in die Runde warf, wie die vorrevolutionäre Bourgeoisie im Iran die Arbeiterklasse bestohlen habe. Abschließend kritisierte sie den homophoben Charakter der Protestgesänge gegen Ayatollah Khamenei, der ihrer Meinung nach zu einem ›verqueerten Feind‹ geworden sei.«

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