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Iran: Sittenpolizei prügelt erneut junge Frau ins Koma

Die vor rund einem Jahr vom iranischen Regime ermordete Nika Shakarami
Die vor rund einem Jahr vom iranischen Regime ermordete Nika Shakarami (© Imago Images / NurPhoto)

Kurz nach dem Jahrestag des Ausbruchs der Proteste im Iran wurde erneut eine junge Frau in Teheran zum Opfer des Verschleierungszwangs.

Am 3. Oktober, hätte Nika Shakarami ihren 18. Geburtstag gefeiert – wäre sie nicht vor etwas über einem Jahr, kurz vor ihrem 17. Geburtstag, von Schergen der Islamischen Republik Iran gefoltert und ermordet worden, weil sie an den Demonstrationen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini teilgenommen hatte. Amini war ebenfalls in den Händen des Regimes gestorben, am 16. September 2022, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen des Vorwurfs eines schlechtsitzenden Hidschabs festgenommen und dabei so brutal verprügelt worden war, dass sie in ein Koma fiel, aus dem sie nie wieder aufwachte.

Nach Aminis Ermordung begannen die Menschen im Iran unter dem Slogan »Jin, Jiyan, Azadi« (»Frau, Leben, Freiheit«) auf die Straßen zu gehen, um gegen die Frauenunterdrückung, die Zwangsverschleierung und den rigiden islamischen Sittenkodex im Besonderen sowie gegen das iranische Regime im Allgemeinen zu demonstrieren, dessen zentrale Säule diese Frauenunterdrückung ist.

Nika war eine dieser Demonstrantinnen, die an den Protesten in Teheran teilnahm und dort ihr Kopftuch verbrannte, bevor sie am 20. September 2022 spurlos von der Bildfläche verschwand und ihre Profile in den sozialen Medien gelöscht wurden. Eine Woche später wurde sie tot auf einer Straße aufgefunden wurde.

Die Sicherheitskräfte und Behörden wollten den Mord vertuschen und es so aussehen lassen, als wäre Nika beim Sturz von einem Dach ums Leben gekommen oder habe sich gar selbst das Leben genommen. Erst am 30. September wurde Nikas schrecklich geschändeter und von der Folter gezeichneter Leichnam schließlich an ihre Familie übergeben, die gezwungen werden sollte, die offizielle Darstellung des Regimes zu bestätigen, sich allerdings weigerte und die Islamische Republik und die Revolutionsgarden für die Ermordung Nikas öffentlich verantwortlich machte.

»Während wir uns dem Jahrestag der Freiheitsbewegung nähern, bitte ich alle, ihren Schmerz und ihre Trauer in eine hoffnungsvolle Motivation zu verwandeln, um einen zukünftigen freien und wohlhabenden Iran aufzubauen«, sagte Nikas Mutter Nasrin Shakarami kürzlich.

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Leider scheinen diese Worte aktuell ungehört zu verhallen. Nicht nur interessiert sich im Westen kaum noch jemand für die Proteste und den Freiheitskampf der Iraner und Iranerinnen, sodass das Regime weitgehend ungestört die Demonstrationen niederschlagen und die Familien der Opfer drangsalieren kann, auch interessiert sich kaum noch jemand für die Opfer, die dieses Regime immer noch fordert – gerade unter jungen Frauen.

So beging kürzlich die Achtklässlerin Zahra Hotami aus Angst vor der Reaktion ihres Vater Selbstmord, weil sie wegen ihrer lackierten Nägel von der Schule verwiesen worden war. Und seit dem 1. Oktober liegt erneut nach Schlägen durch die Sittenpolizei eine junge Frau im Koma: Wie das Video einer Überwachungskamera zeigt, war die 16-jährige Armita Garawand in der Teheraner Metro von Beamten körperlich angegriffen worden, weil sie den Hidschab nicht pflichtgemäß getragen haben soll. Dabei erlitt sie schwere Verletzungen und wurde in das Fajr-Krankenhaus der Luftwaffe gebracht.

Während es nach Angaben der iranischen Menschenrechtsorganisation Hengaw aufgrund der starken Präsenz von Sicherheitskräften derzeit nicht einmal für Armitas Familie möglich ist, das Opfer zu besuchen, leugnen Regierungsvertreter den Vorfall systematisch, und die staatlichen Medien verbreiten unter Berufung auf die Teheraner U-Bahn-Behörden die Lüge, Armita Garawand sei wegen niedrigen Blutdrucks in Ohnmacht gefallen.

Die unabhängig arbeitende Journalistin Maryam Lotfi hingegen, die aus dem Spital über den Fall berichten wollte, wurde von den Sicherheitskräften festgenommen, nach einigen Stunden jedoch wieder freigelassen. Von Armitas Familie gibt es hingegen keinerlei Nachrichten, was, wie Hengaw festhält, darauf hindeutet, dass sie von den Sicherheitskräften streng überwacht wird, um jede Form der Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu verhindern.

Alles an dem aktuellen Fall, der international bislang kaum auf Widerhall gestoßen ist, deutet also auf eine Wiederholung des Szenarios von Jina Mahsa Amini vor etwas mehr als einem Jahr hin – womit sich einmal mehr erweist, was ohnehin jeder weiß, der es wissen möchte: Freiheit und Frauenrechte sind nur gegen die Islamische Republik möglich.

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 4. Oktober. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

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