Von Florian Markl
Die Obama-Administration hat die amerikanische und internationale Öffentlichkeit systematisch in die Irre geführt, um den im vergangenen Juli vereinbarten Deal mit dem Iran durchzudrücken. Das sagen nicht etwa republikanische ‚Falken‘ oder israelische ‚Hardliner‘, sondern das bekennt Ben Rhodes, der wohl wichtigste Mitarbeiter Obamas, in einem ausführlichen Porträt im New York Times Magazine. Im Kern des erfundenen „Narrativs“ stand eine Behauptung, die in den Medien bis heute ständig wiederholt wird: Dass im islamistischen Regime in Teheran ‚Moderate‘ das Steuer übernommen hätten, die eine ‚Öffnung‘ des Landes anstrebten und auf dem Wege dahin ein Ende des Atomstreits möglich gemacht hätten.
Absichtliche Irreführung
Wie David Samuels in seinem Rhodes-Porträt betont, war diese Version der Geschichte absichtlich irreführend: Denn die Verhandlungen der USA mit dem Mullah-Regime hatten bereits Mitte 2012 begonnen, als der iranische Präsident noch Mahmud Achmadinedschad hieß. Als der vermeintlich ‚moderate‘ Hassan Rohani zu dessen Nachfolger gewählt wurde, seien die Verhandlungen über den Deal mit dem Iran praktisch bereits abgeschlossen gewesen. Das war freilich nicht, was Obama & Co. der Öffentlichkeit darlegen wollten – weshalb sie sich entschieden, eine etwas frisierte Geschichte zu präsentieren:
„The idea that there was a new reality in Iran was politically useful to the Obama administration. By obtaining broad public currency for the thought that there was a significant split in the regime, and that the administration was reaching out to moderate-minded Iranians who wanted peaceful relations with their neighbors and with America, Obama was able to evade what might have otherwise been a divisive but clarifying debate over the actual policy choices that his administration was making.“
Das Problem ist freilich, dass die US-Geheimdienste keinerlei Belege für einen signifikanten Zwist zwischen ‚Hardlinern‘ und ‚Moderaten‘ innerhalb des iranischen Regimes finden konnten, wie Ex-CIA-Chef und -Verteidigungsminister Leon Panetta im selben Artikel klarstellt. Die Kampagne, mit der die Obama-Administration Unterstützung für den Iran-Deal zu organisieren versuchte, basierte im Kern auf einer bewussten Unwahrheit.
Noch während auf der diplomatischen Ebene die letzten offenen Details ausverhandelt wurden, setzten Rhodes und seine Mitstreiter ihre Propagandamaschinerie in Gang. Willfährige Medien verbreiteten die Talking Points der Obama-Administration, darüber hinaus wurden zusätzliche Kräfte ausgeschickt, um der Regierung die Mauer zu machen:
„In the spring of last year, legions of arms-control experts began popping up at think tanks and on social media, and then became key sources for hundreds of often-clueless reporters. ,We created an echo chamber,‘ he admitted, when I asked him to explain the onslaught of freshly minted experts cheerleading for the deal. ,They were saying things that validated what we had given them to say.‘ … He is proud of the way he sold the Iran deal. ‚We drove them crazy,‘ he said of the deal’s opponents.“
In der amerikanischen Bevölkerung war die von Rhodes organisierte Kampagne zur Durchsetzung des Iran-Deals kaum von Erfolg gekrönt: Nach wie vor lehnt die Mehrheit der Amerikaner das Abkommen ab. Erfolg hatte die Obama-Administration aber in den Reihen der Demokratischen Abgeordneten, die soweit überzeugt oder eingeschüchtert werden konnten, dass der Widerstand gegen den Deal im US-Kongress scheiterte.
Die Gefahr, den eigenen Lügen zu glauben
Es wäre schlimm genug, ginge es bei dem Märchen von den unterstützenswerten ‚Moderaten‘, die den Iran-Deal ermöglicht hätten, nur um eine US-Administration, die zuerst die eigene Bevölkerung in die Irre führt und sich nachher mit ihrer eigenen Skrupellosigkeit auch noch brüstet. Doch die Sache hat leider viel ernstere Konsequenzen. Denn der Deal, der schließlich Mitte Juli 2015 geschlossen wurde, basiert aus westlicher Sicht in wesentlichen Punkten auf der Hoffnung, dass im Iran in den kommenden Jahren tatsächlich weitreichende Veränderungen über die Bühne gehen werden.
Zentrale Einschränkungen des iranischen Atomprogramms sind zeitlich begrenzt – sollte sich bis zum Auslaufen der Fristen in einigen Jahren im Land nichts Wesentliches verändert haben, werden wir mit einem islamistischen Regime mit einem fortgeschrittenen Nuklearprogramm konfrontiert sein, das mit so gut wie keiner Vorwarnzeit Atomwaffen entwickeln könnte, über Interkontinentalraketen verfügen und wirtschaftlich so gestärkt sein wird, dass erneute Sanktionen keine wirkliche Drohung mehr darstellen werden.
Mark Dubowitz, einer der führenden Kritiker des Iran-Deals, wagt den Blick in die Zukunft nach dem Ablauf der im Wiener Abkommen im Atomstreit festgelegten Fristen:
„The United States will be facing a much more formidable and dangerous enemy and may have little choice but to use military force (as sanctions power will be severely degraded) to stop Tehran from developing a nuclear weapon. … At that point, Iran will be stronger and the consequences of military action more devastating. In selling the Iran deal on a lie, Rhodes may have made war with Iran more not less likely.”
Update zum in Frage stehdenden NYT-Porträt: Iran-Deal: Wie der ehemalige US-Verteidigungsminister die Verhandlungen heute einschätzt