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Interessante Details zu Israels neuer Regierung

Israels neue Regierung (Quelle: Facebook Israel in Deutschland)

Am Sonntag, den 13. Juni, wurde am späten Nachmittag die neue Regierung Israels vereidigt. Die Koalitionsparteien und ihre Politiker bescheren Israel mehrere Besonderheiten, vor allem jedoch aufsehenerregende Premieren.

Die Knesset ist ein Vielparteienparlament und Israels Regierungen basieren immer auf – meist breit angelegten – Koalitionen. Allerdings fanden sich noch nie so viele Parteien zu einer Regierung zusammen; ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie ein großes politisches Spektrum repräsentieren.

Lapids Partner

Nach dem erneuten Scheitern von Langzeit-Premier Netanjahu ging der Kelch der Regierungsbildung an Yesh-Atid-Chef Yair Lapid. Zeitweilig schienen seine Chancen denkbar schlecht zu stehen. Dennoch steht die Regierung, auch wenn bis zum letzten Moment an Koalitionsabkommen gefeilt wurde und viele Fragen offen sind. Dazu gehört längst nicht nur, ob diese Mammut-Koalition tatsächlich regieren, geschweige denn Bestand haben kann.

Israels 36. Regierung ist ein Konglomerat aus sieben der 13 in der Knesset vertretenen Parteien. 20 Politiker repräsentieren das rechtskonservative Spektrum und sind eher noch rechts vom Likud stehend einzuordnen. Die Linksparteien bringen 13 Abgeordnete ein, während der Mitte zuzuordnende Parteien 25 Parlamentarier stellen.

Diese 58 Parlamentarier sind auf die Unterstützung der arabischen Partei Ra’am angewiesen, die mit ihren vier Abgeordneten überhaupt erst für die Aufstockung auf eine regierungsfähige Mehrheit sorgt.

Premier-Premieren

Dass der Chef einer kleineren Koalitionspartei Ministerpräsident wird, ist eine weitere Besonderheit, die Israel ins Haus steht, denn Naftali Bennetts Yamina errang gerade einmal sieben Mandate – Lapids Yesh Aid hat im Vergleich dazu 17 Sitze inne.

Mit Bennett wird erstmals in Israels Geschichte ein Vertreter des national-religiösen Spektrums Premier. Mit anderen Worten: Bennett, der als der modern-orthodoxen Strömung zugehörig anzusehen ist, ist der erste Kippa-Träger in diesem Amt.

Doch er bringt weitere besondere Aspekte ein: Bennett ist der erste Millionär in diesem Amt, der sein Privatvermögen einem Hightech-Exit zu verdanken hat. Zudem ist der 49-Jährige der bislang zweitjüngste Mann, der in Israels Geschichte zum Premier ernannte wurde. Den Rekord hält weiterhin Netanjahu, der bei seiner ersten Premier-Ernennung 46 Jahre alt war.

Interessant ist zudem, dass Bennett nicht entsprechend seiner politischen Agenda in Judäa und Samaria, sondern im vor Hightech-Millionären strotzendem Ra’anana wohnt. Nicht weniger interessant ist, dass er nicht beabsichtigt, mit seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern in die Residenz des Premiers in Jerusalem umzuziehen.

Women´s „Firsts“

Obschon von den 120 Mitgliedern der 24. Knesset erneut nur ein Viertel Frauen sind, findet man in den Reihen der Koalitionsparteien 19 weibliche Abgeordnete. Einen Rekord stellen neun dieser Frauen auf, denn noch nie zuvor sah Israel so viele weibliche Minister. Dieses Mal stellen sie ein Drittel aller Minister dieser Regierung.

In Israels Vergangenheit wurden Frauen zumeist mit weniger prestigevollen Ministerämtern betraut. Auch das ist dieses Mal anders, denn Ayelet Shaked (Yamina) ist neue Innenministerin, Merav Michaeli (Arbeitspartei) zeichnet für das Transportwesen verantwortlich, Orna Barbivai (Yesh Atid) steht dem Wirtschaftsministerium und Yifat Shasha-Biton (Neue Hoffnung) dem Bildungsministerium vor.

Bemerkenswerte Besonderheiten

Die 24. Knesset und die ihr entspringende 36. Regierung weisen einige interessante Eckdaten auf:

  • Die Knesset zählt 17 Abgeordnete, die Neulinge sind. Davon gehören elf der Regierungskoalition an.
  • An der Spitze von vier Koalitionsparteien stehen Ex-Journalisten (Lapid, Michaeli, Sa’ar, Horowitz).
  • Für israelische Verhältnisse ist recht ungewöhnlich, dass nur neun Parlamentarier hochrangige militärische Ränge einnehmen, darunter Benny Gantz der als einziges gegenwärtiges Knesset-Mitglied Generalstabschef war. Vier weitere Abgeordnete machten einst im Sicherheitsbereich Karriere.
  • In fünf der Koalitionsparteien findet man Politiker, die als Parteichefs amtieren und unter Netanjahu Ministerposten innehatten (Lapid, Sa’ar, Bennett, Liberman, Gantz).
  • 19 Abgeordnete blicken auf einen Einwanderungshintergrund, von denen zwölf für die Koalitionsparteien ins Parlament einzogen. Das Kabinett wird zu einem Drittel aus jüdischen Abgeordneten bestehen, die einen orientalischen Herkunftshintergrund haben.
  • Das israelische Parlament zählt 35 religiöse Abgeordnete: 16 ultraorthodoxe Männer, 13 religiöse Männer und sechs religiöse Frauen. Erstmals ist darunter ein Rabbiner des Reformjudentums, der zusammen mit acht weiteren religiösen Abgeordneten diesen Aspekt in den Koalitionsparteien repräsentiert, dieses Mal ohne Regierungsbeteiligung der jüdisch-orthodoxen Parteien, was ebenfalls in die Geschichtsbücher eingehen wird.
  • Vier der fünf Knesset-Mitglieder, die bekennende Mitglieder der LGBT-Community sind, gehören der neuen Regierung an.
  • Ungewöhnlich ist, dass diese Knesset keinen Abgeordneten mit Professortitel hat. Dennoch trifft man auf acht Volksvertreter, die Doktortitel führen. Neben zwei Ärzten, einem Ingenieur und einem Naturwissenschaftler, promovierten fünf in geisteswissenschaftlichen Fächern. Die neue Regierung zählt vier Abgeordnete mit Doktortitel.

Arabische Parlamentarier

Unter den 120 Abgeordneten des Ende März 2021 neugewählten Parlaments befinden sich insgesamt 14 Nichtjuden; vier weniger als in der vorherigen Knesset. Alle elf Männer und drei Frauen waren bereits in den Jahren zuvor Mitglieder der Knesset. Elf dieser Abgeordneten sind Muslime, darunter ein Beduine aus dem Negev. Zwei gehören der drusischen Gemeinschaft an. Eine Araberin bringt einen christlichen Hintergrund ein.

Den Koalitionsparteien gehören drei arabische Abgeordnete an. Das ist ein Höchststand, der weiter aufgestockt wird durch Issawi Frej von Meretz, der das Ministeramt für regionale Kooperation übernimmt. Bislang amtierten in Israels Geschichte überhaupt nur jeweils zwei Araber als Minister und als stellvertretende Minister. In dieser Regierung kommt überdies ein drusischer Minister hinzu.

Die Islamische Bewegung an der Seite der Regierung

Bezüglich eines „besonderen arabischen Aspekts“ schreibt diese Regierung letztlich israelische Geschichte. Wegen der Tolerierung, die die arabische Partei Ra’am unter Mansour Abbas zusagte, kommt es zum ersten Mal in der Geschichte des Landes zur Beteiligung einer arabischen Partei an einer Regierung.

Zwar hatten 1992 arabische Abgeordnete die Rabin-Regierung unterstützt und im September 2019 kamen Empfehlungen für die Gantz-Regierungsbildung von arabischen Abgeordneten, doch noch nie zuvor unterzeichnete eine arabische Partei ein Abkommen, um ihr aktiven Mitwirken an einer israelischen Regierung zu verbriefen.

Dass es sich bei Ra’am ausgerechnet um eine erzkonservative muslimische Partei handelt, die prominent mit der Islamischen Bewegung zu identifizieren ist, lässt diesen Schritt Mansour Abbas’ für den jüdischen Staat zu einem echten Game Changer werden.

Mit Feinfühligkeit und taktischem Geschick u.a. auch vor dem sicherheitspolitischem Hintergrund klügelten Lapid und Bennett mit Mansour einen besonderen modus vivendi aus, den Teile der arabischen Gemeinschaft des Landes als Wendepunkt mit Zukunftspotenzial ansehen, während andere meinen, das komme einem Drahtseilakt über einem Minenfeld gleich.

Somit steht wieder einmal Sicherheit lediglich eines unumstößlich fest: In Israel wird es nicht langweilig! Niemals!

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