Die iranische Bildungslandschaft nach der »Frau, Leben, Freiheit«-Protestbewegung von 2022 macht deutlich, dass sich das Regime der zentralen Rolle der Bildung bei der Gestaltung gesellschaftlicher Narrative und Werte bewusst ist.
Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte traten an vorderster Front für den sozialen Wandel ein, stellten die Regimepropaganda infrage und setzten sich an die Spitze von Bewegungen für die Rechte und die Freiheit der Frauen. Tragischerweise zahlten viele Schüler und Lehrer den höchsten Preis dafür: Sie wurden inhaftiert, suspendiert beziehungsweise entlassen oder verloren aufgrund ihres Strebens nach Gerechtigkeit und Gleichheit sogar ihr Leben.
Das Regime wurde durch den breiten Widerstand und die aktive Beteiligung der Studenten an den Demonstrationen gegen die Regierung überrumpelt und ging rasch dazu über, seine Kontrolle über das Bildungssystem zu verstärken. Initiativen, die darauf abzielen, den Einfluss des Regimes im Bildungswesen zu stärken, nahmen zu, was vor allem in den aktuellen Einstellungstests für Posten im Bildungswesen deutlich wird.
Diese Tests beinhalten nun vom Regime gebilligte religiöse und ideologische Lehren und unterscheiden sich deutlich von den Fachgebieten der Bewerber. Diese Verschiebung zwingt die angehenden Lehrer, sich weniger auf ihre Fachkenntnisse zu konzentrieren und stattdessen die Befolgung der Werte des Regimes zu betonen, um eine Anstellung im Bildungssektor zu erhalten.
Darüber hinaus wurden im Rahmen der Einstellungstests neue Positionen eingeführt, die mit der Agenda des Regimes übereinstimmen, wie zum Beispiel die eines iranisch-islamischen Lifestyle-Trainers: eine Rolle, die offenbar dazu dient, die Regimepolitik im Bildungsbereich weiter zu verankern. Diese Ausweitung der staatlich sanktionierten Positionen unterstreicht die konzertierten Bemühungen des Regimes, die Kontrolle über jeden Aspekt des Bildungswesens auszuüben – von der Lehrplanentwicklung bis zur Personalrekrutierung –, um seine ideologische Vorherrschaft zu stärken.
In den vergangenen Jahren hat das Regime verschiedene Taktiken angewandt, um seinen Einfluss auf das Bildungssystem auszuüben, darunter die strategische Platzierung religiöser Mullahs in den Schulen, um die Lehren der Islamischen Republik zu propagieren.
Darüber hinaus haben die für das Bildungswesen Verantwortlichen die ihnen anvertrauten Kinder schamlos als Mittel zur Demonstration staatlicher Autorität missbraucht. So wurden beispielsweise Grund- und Mittelschüler in verschiedenen Städten gezwungen, sich an staatlichen Feiertagen wie dem Zwölften Bahman – anlässlich der Rückkehr Khomeinis in den Iran im Jahr 1979 – auf öffentlichen Plätzen zu versammeln und an politisch aufgeladenen Feiern teilzunehmen. Diese Veranstaltungen, bei denen die Kinder Programme aufführen müssen wie zum Beispiel das Aufsagen des Begrüßungsliedes für den Obersten Führer, sind ein beunruhigendes Beispiel für die Kontrolle des Regimes über die jungen Menschen.
Herrschaft durch Vernachlässigung
Wir sind Zeugen einer Ära, in der Kinder zunehmend zu einem Symbol des Widerstands gegen die staatlichen Versuche der Zwangsassimilation ans Regime werden. Die systematische Unterwanderung von Bildungseinrichtungen durch die Mullahs unterstreicht deren ausgeprägtes Verständnis für die transformative Kraft der Bildung bei der Gestaltung gesellschaftlicher Normen und Ideologien. Durch das Diktieren von Rekrutierungsprozessen und durch die Manipulation von Karriereverläufen zielt das Regime darauf ab, die Vorherrschaft sowohl über Studenten als auch über Pädagogen zu erlangen und seine Agenda über die Bildungsinstitutionen durchzusetzen.
Zugleich ist auf die katastrophale Situation der Lehrergehälter und des Bildungsbudgets im Iran hinzuweisen, die beide schockierend niedrig und unzureichend sind. Trotz der zentralen Rolle, die Pädagogen bei der Gestaltung der Zukunft des Landes spielen, erhalten sie die niedrigsten Gehälter und bekommen den kleinsten Teil des staatlichen Finanzhaushalts zugewiesen, was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass dem Regime das Wohlergehen der Pädagogen egal ist und es nur auf deren potenzielle propagandistische Wirkung erpicht ist. Die Vernachlässigung der Lebensbedingungen von Lehrern unterstreicht die verzerrten Prioritäten des Regimes, das denjenigen, die mit der Erziehung der nächsten Generation betraut sind, wenig Wert beimisst.
Durch die Aufrechterhaltung eines unterfinanzierten und unterbewerteten, aber zugleich hochideologisierten Bildungssystems will das Regime seine Autorität über die jüngere Generation behaupten und seine Machtposition festigen. Indem es den Lehrkräften eine angemessene Vergütung und Ressourcen vorenthält, versucht das Regime, die Kontrolle über die in den Schulen verbreiteten Inhalte zu behalten und sicherzustellen, dass der Lehrplan mit seiner eigenen Agenda übereinstimmt.
Diese bewusste Vernachlässigung dient dazu, die Herrschaft des Regimes aufrechtzuerhalten, indem es die beeinflussbaren Köpfe so formt, dass sie mit seinen Idealen übereinstimmen und so seine Vorherrschaft für die kommenden Generationen aufrechterhält.
Einst als Bastion der Aufklärung und des Fortschritts verehrt, befindet sich das Bildungswesen im postrevolutionären Iran heute in einem erbitterten Kampf um die ideologische Vorherrschaft. Mit jeder Verschärfung durch die Machthabenden stehen die Grundprinzipien des kritischen Denkens und der intellektuellen Freiheit auf dem Spiel und werfen einen Schatten auf die Zukunft des Bildungswesens im Land.
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Schulen als Nährboden für unabhängiges Denken und Forschen dienten. Stattdessen haben sie sich in Schlachtfelder verwandelt, auf denen konkurrierende Ideologien um die Vorherrschaft wetteifern. Die konzertierten Bemühungen des Regimes, die Kontrolle über die Bildungslandschaft zu erlangen, haben die einst hochgehaltenen Werte der akademischen Freiheit und des offenen Diskurses ausgehöhlt.
Ungewisser Ausgang
In diesem Umfeld finden sich Pädagogen auf einer Gratwanderung zwischen der Wahrung der akademischen Integrität und dem ihnen aufgezwungenen Festhalten an staatlich sanktionierten Doktrinen. Die Folgen einer abweichenden Meinung sind schwerwiegend, da divergierende Stimmen oft durch Einschüchterung, Zensur oder Schlimmeres zum Schweigen gebracht werden.
Inmitten dieses düsteren Szenarios gibt es jedoch auch einen Hoffnungsschimmer. Trotz der Versuche des Regimes, intellektuelle Differenzen und kritischen Austausch zu unterdrücken, gibt es immer wieder kleine Widerstandsgruppen, die sich unbeirrt dem Streben nach Wissen und Wahrheit widmen. In diesen Nischen flackert die Aufklärung noch immer und inspiriert eine neue Generation von Denkern und Gelehrten, sich den Fesseln der ideologischen Konformität zu widersetzen.
Während der Kampf um die Seele der Bildung weitergeht, bleibt dessen Ausgang allerdings ungewiss. Wird es den Kräften der Unterdrückung gelingen, die Flammen der intellektuellen Neugier zu löschen, oder wird sich der Forschergeist durchsetzen und den Weg in eine hellere, aufgeklärtere Epoche erleuchten? Die Zukunft wird es zeigen.