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Revolutionsexport: Hat sich der Iran in Syrien verkalkuliert?

Revolutionsexport: Hat sich der Iran in Syrien verkalkuliert?„Die russische Intervention hat Assads Aussichten verändert, indem sie das Kräftegleichgewicht zugunsten der Achse Damaskus-Teheran-Moskau verschob. Allerdings zahlen die russischen Erfolge sich nicht eins zu eins als Erfolge für den Iran aus: Zum Teil wurden die russischen Gewinne gar auf Kosten des Iran erzielt. Aus der Erkenntnis heraus, dass sie zusammenarbeiten müssen, haben die beiden fünfe gerade sein lassen und ihre Beziehungen in noch nie dagewesenem Maße vertieft. Doch wollen beide nun aus dem Konflikt als die entscheidende ausländische Macht in Syrien hervorgehen. Daher könnte es künftig zunehmend zu Spannungen zwischen ihnen kommen.

So widerspricht die iranische Vision eines dezentralisierten Syriens beispielsweise der russischen Präferenz für eine starke Zentralregierung. Russland zeigt sich zudem für israelische und saudische Interessen empfänglicher und ist bereit, mit den Vereinigten Staaten zu verhandeln. Seit der Revolution von 1979 hat der Iran sich als Vorhut des Widerstands gegen die USA und Israel positioniert. Seine Fähigkeit, Muslime um sich zu scharen, war schon immer eher rhetorisch als wirklich. Trotzdem ist er von muslimischen Bevölkerungen insbesondere in Krisenzeiten unterstützt worden. Der Iran hat sich bemüht, diese ‚weiche‘ Macht einzusetzen, um proamerikanische Konkurrenten unter Druck zu setzen. Allerdings ist ihm dies in der Praxis nur bedingt gelungen. Inzwischen hat der Ruf des Iran angesichts seiner Unterstützung eines Regimes, das einen vorwiegend sunnitischen Aufstand niederzuschlagen versucht, insbesondere bei sunnitischen Arabern Schaden erlitten.

Der Iran hat in Syrien eindeutig Gewinne erzielt, insbesondere, seitdem der Fortbestand des Assad-Regimes für die absehbare Zukunft garantiert ist. Seine scheinbar auf Dauer angelegte Verpflichtung Syrien gegenüber ist kostspielig. Der Iran und seine Verbündeten bescheren dem Regime seit 2015 taktische Siege auf dem Schlachtfeld. Doch ist der Krieg damit noch nicht gewonnen: Assad ist nicht in der Lage, die Aufständischen auszulöschen, und es deutet wenig darauf hin, dass er willens oder fähig wäre, sein Land wiederaufzubauen. Insofern liegt die Verantwortung für das verwüstete, entlang konfessioneller, regionaler und politischer Bruchstellen zerrissene Syrien und die humanitäre Katastrophe epischen Ausmaßes in dem Land beim Iran – und bei Russland.

Syriens Bruttoinlandsprodukt ist um bis zu 75 Prozent eingebrochen, ungefähr 70 Prozent aller Syrer leben in extremer Armut, die Arbeitslosenrate liegt bei 60 Prozent. Mehr als 400.000 Menschen sind getötet und die Hälfte der Bevölkerung ist gewaltsam vertrieben worden. Der Wiederaufbau wird hunderte von Milliarden in Anspruch nehmen, die weder Syrien noch der Iran noch Russland aufbringen können. Auch die internationale Gemeinschaft scheint nicht übermäßig gewillt zu sein, die Mittel bereitzustellen. Was vom Assad-Regime bleibt, ist tief gespalten und ausgehöhlt: Armeekommandeure und regimetreue Milizenführer sind überwiegend zu sich selbst finanzierenden örtlichen Warlords geworden. Sie florieren dank Korruption, Gewalt und organisiertem Verbrechen. Der Wiederaufbau des Landes wird überaus schwierig werden. Im Übrigen solle nicht vergessen werden, dass Syrien der einzige staatliche Verbündete des Iran im Nahen Osten ist.“ (Thomas Juneau: „Why Iran’s involvement in Syria may backfire“)

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