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Hochrangiger Hamas-Funktionär: Sind nicht an internationale Legitimität gebunden

Der Leiter des Hamas-Büros für internationale Beziehungen, Mousa Abu Marzouk
Der Leiter des Hamas-Büros für internationale Beziehungen, Mousa Abu Marzouk (© Imago Images / ZUMA Wire)

Laut dem Leiter des Hamas-Büros für internationale Beziehungen erstreckt sich das durch den »Widerstand« zu »befreiende Palästina« über das gesamte Staatgebiet Israels.

Der Leiter des Hamas-Büros für internationale Beziehungen, Mousa Abu Marzouk, erläuterte in einem am 8. August vom ägyptisch-emiratischen Sender Alghad TV ausgestrahlten Interview die Position der Hamas in Bezug auf die PLO, einen palästinensischen Staat und seine Grenzen, den bewaffneten Widerstand sowie die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon.

Dabei erklärte Marzouk, die Hamas habe ihre Position wiederholt klar zum Ausdruck gebracht. »Wir sind nicht an die internationale Legitimität gebunden. Wir halten uns an die internationalen Resolutionen, die mit den Rechten unseres Volkes übereinstimmen und sein Recht auf Rückkehr und Befreiung nicht schmälern.«

Bis zum heutigen Tag, so behauptete er, akzeptiere die Hamas, dass die PLO die einzige legitime palästinensische Vertretung ist. »Ich möchte noch einmal betonen, dass wir die PLO nach wie vor als einzige legitime Vertretung akzeptieren, allerdings unter der Bedingung, dass sie wieder aufgebaut wird, sodass alle Teile des palästinensischen Volkes ihr angehören können.«

Bleibe die PLO allerdings solch eine geschlossene Gesellschaft, wie sie es jetzt sei, kritisierte Marzouk die Fatah von Mahmoud Abbas, die sich der PLO bemächtigt habe, sei »das eine andere Sache«. Die Hamas könne dies nicht länger hinnehmen, schließlich hätten sich alle Fraktionen im Jahr 2005 darauf geeinigt, die PLO wiederaufzubauen. »Die Situation kann nicht so bleiben, wie sie ist«, und die für sie Verantwortlichen »können nicht taub und blind für diese Realität bleiben«.

Mehr als Westjordanland und Gazastreifen

Marzouk behauptete weiter, der Leiter des Büros für Nahost-Angelegenheiten des US-Außenministeriums sei mit dem Plan an die Hamas herangetreten, »den Gazastreifen zum palästinensischen Staat zu machen, nachdem das Territorium um siebenhundert Quadratkilometer erweitert« worden sei. Der US-Plan habe also vorgesehen, das Gebiet des Gazastreifens zu verdoppeln und dort den palästinensischen Staat zu errichten. Der amerikanische Unterhändler »wollte sich mit uns treffen, aber wir weigerten uns, ihn zu treffen oder auch nur mit ihm zu sprechen«. Was ist der Gaza-Streifen, fragte Marzouk rhetorisch: »Ein Prozent des Territoriums von Palästina? Für ein Prozent des palästinensischen Territoriums sollen wir das Westjordanland aufgeben?«

Das käme überhaupt nicht infrage, erklärte der Hamas-Funktionär, schließlich zahle die Hamas den Preis, den sie im Gazastreifen begleiche, nur, damit die Palästinenser auch das Westjordanland behalten können. Und nicht nur das: »Darüber hinaus beschränken wir uns nicht auf das Westjordanland und den Gazastreifen. Ganz Palästina sollte das Land der Palästinenser sein.«

In der gesamten Geschichte der Hamas habe diese niemals den Ausdruck »palästinensischer Staat« verwendet. In der Charta habe die Organisation vielmehr erklärt, »dass wir das akzeptieren, worauf sich die palästinensischen Gruppierungen einigen; und dass wird den palästinensischen Konsens akzeptieren, einen Staat in den Grenzen von 1967 zu errichten«.

Allerdings habe die Hamas niemals erklärt, »dass ein palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 unsere Position ist, weil wir glauben, dass dies für unser Volk nicht ausreicht. Unser Volk will einen Staat, der sich vom [Jordan-]Fluss bis zum [Mittel-]Meer und von Rosch HaNikra [im Norden] bis Akaba und Rafah [im Süden] erstreckt. Das ist das Territorium von Palästina, das wir wollen«, sagte er und reklamierte damit das gesamte israelische Staatsgebiet für den zu schaffenden palästinensischen Staat.

Abu Marzouk fügte hinzu, dass die Hamas die Unterstützung der Zivilbevölkerung brauche, um Krieg zu führen. »Unsere Entscheidung, ob wir in den Kampf ziehen, ist nicht emotional, je nach den Wünschen dieser oder jener Gruppe. Diese Kämpfe müssen sorgfältig kalkuliert sein.« Weil die Hamas eine Widerstandsbewegung und keine Armee sei, die anderen Armeen gegenüberstehe, müsse sie ihre Schritte sorgfältig kalkulieren. »Die Konfrontation und der Widerstand müssen immer offenbleiben, sie dürfen nicht auf eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort beschränkt sein. Das ist unser ganzes Unternehmen, und das müssen wir tun.«

Dabei müsse der Kampf jedoch stets seine Prinzipien und Fähigkeiten berücksichtigen. Auf der einen Seite dürfe sich »der Widerstand unter der Besatzung« nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, denn dies würde es leichter machen, ihn zu eliminieren. Zugleich dürfe er »seine Kraft aber auch nicht zu offen zur Schau stellen, denn das würde es wiederum leicht machen, ihn ins Visier zu nehmen, besonders unter der Besatzung«.

Unterstützung der Bevölkerung

Die Hamas müsse, so führte Marzouk aus, »immer die Fähigkeiten der Palästinenser und die Bereitschaft der Bevölkerung, Krieg zu führen und Opfer zu bringen, in Betracht ziehen«. Führte sie einen Krieg, »der von unserem Volk nicht gewünscht wird oder den unser Volk nicht ertragen kann, dann wäre das eine verlorene Schlacht, noch bevor sie begonnen hat.« Die Hamas wolle und brauche die Unterstützung der Bevölkerung, »damit wir, wenn wir in den Krieg ziehen, erwarten können, dass der Ausgang zu unseren Gunsten ist«.

Auf die Lage der Palästinenser im Libanon angesprochen, erklärte der Hamas-Funktionär, einige der libanesischen Konfessionen würden die Palästinenser hassen, weswegen man sich ausmalen könne, was mit den Palästinensern in den libanesischen Flüchtlingslagern geschehe, würde man ihnen die Waffen wegnehmen. »Als den Palästinensern in den Flüchtlingslagern im Libanon aufgrund der sektiererischen Verhältnisse im Land die Waffen weggenommen wurden, kam es zum Massaker von Sabra und Schatila. Sie wissen, dass Zehntausende von Palästinensern mit Äxten abgeschlachtet wurden. Hätten sie ihre Waffen gehabt, wären sie nicht auf diese Weise getötet worden. Der Hass mancher Konfessionen auf die Palästinenser ist unvorstellbar.«

Wem als würde also die von einigen libanesischen Politikern geforderte Entwaffnung der Palästinenser nützen, fragte Marzouk, um selbst die Antwort zu geben: Es gebe »starke politische Bestrebungen, die Palästinenser aus dem Libanon zu vertreiben, obwohl sie dort zu Gast sind«.

Wenn man heute die Palästinenser entwaffne, was werde dann mit ihnen geschehen? »Sie kennen die Geschichte des palästinensischen Volkes. Der Libanon ist der einzige Ort, an dem palästinensische Flüchtlingslager vernichtet wurden: Karantina, Tel al-Zatar, Sabra, Shatila, … Wir sprechen hier von Vernichtung, nicht von Zusammenstößen, wie wir sie heute erleben. Deshalb sollten sich die Palästinenser darüber im Klaren sein, was in der Vergangenheit geschehen ist und sich in der Zukunft wiederholen könnte.«

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