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Diplomatische Krise zwischen Algerien und Frankreich  

Die französische Premierministerin Elisabeth Borne zu Besuch im Oktober bei ihrem algerischen Amtskollegen Aimene Benabderrahmane (© Imago Images / NurPhoto)

Die algerische Regierung brach den Weg der Annäherung an Frankreich ab und rief seinen Botschafter zu Konsultationen aus Paris zurück. Die neue diplomatische Krise lässt befürchten, dass die Beziehungen auf den Nullpunkt zurückkehren.

Mit der Ankündigung Algeriens, seinen Botschafter in Paris zu Konsultationen zurückzurufen, nachdem die algerische Oppositionspolitikerin Amira Bouraoui mit französischer Hilfe nach Frankreich ausgereist war, sind die Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich sind wieder einmal auf dem Nullpunkt angelangt. So sprachen die algerischen Behörden nach der gegen den Willen Algiers erfolgten Ausreise Bouraouis und ihrer darauffolgenden Aufnahme in Frankreich von einer »Verletzung der nationalen Souveränität«, welche die Vereinbarungen gefährde, die beide Länder während des Besuchs von Präsident Emmanuel Macron in der algerischen Hauptstadt im vergangenen August getroffen hatten.

Damals hatten Algerien und Frankreich Abmachungen vereinbart, die als »Algerien-Erklärung für eine erneuerte Partnerschaft« bekannt sind und auf die im Oktober letzten Jahres ein präzedenzloser Besuch der französischen Premierministerin Elizabeth Borne in Begleitung von sechzehn Regierungsministern in Algerien folgte sowie der Besuch des algerischen Armeechefs, Generalleutnant Al-Saeed Shangriha, in Paris vor zwei Wochen, die erste solche Visite seit siebzehn Jahren. Auch der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune, der wiederholt von einem Durchbruch in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern gesprochen hat, wollte im kommenden Mai Station in Paris machen.

Doch ohne Vorwarnung brach der Weg der Annäherung plötzlich ab. Algerien rief vor einigen Tagen seinen Botschafter zu Konsultationen aus Paris zurück, um gegen die »Einschleusung« der algerischen Opposition nach Frankreich zu protestieren, wie die algerischen Behörden mitteilten. Dem vorausgegangen war die Einreise Amira Bouraouis, eines der Gesichter der Volksproteste in Algerien und eine der Kritikerinnen der algerischen Regierung, die vor einer Woche über Tunesien nach Frankreich gekommen war, obwohl die algerischen Behörden sie zuvor an der Reise gehindert hatten.

Das algerische Außenministerium beschuldigte daraufhin französische Diplomaten, Konsularbeamte und Sicherheitskräfte, an der »heimlichen und illegalen Ausreise einer algerischen Staatsbürgerin« beteiligt gewesen zu sein. Das nordafrikanische Land verurteilte den Vorgang als »inakzeptabel« und als »Verletzung seiner Souveränität« und warnte, dass er den algerisch-französischen Beziehungen »erheblichen Schaden« zufüge.

Spannung oder Entspannung?

Das Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im algerischen Parlament, Abdel Salam Bashagha, sagte, die jüngsten Entwicklungen »bedeuten, dass wir in den Beziehungen zwischen Algerien und Paris wieder am Anfang stehen«. Gemäß dem scharfen Ton der Erklärung des algerischen Außenministeriums sei »eine baldige Eskalation zu erwarten, und wir werden möglicherweise Zeuge strenger Entscheidungen von algerischer Seite«. 

Zwar sei die Art der von Algerien möglicherweise getroffenen Entscheidungen noch nicht bekannt, aber es liege im Bereich des Möglichen, »dass Algerien französische Diplomaten und Sicherheitspersonal in der französischen Botschaft auffordern könnte, algerisches Territorium zu verlassen und sie zu Persona non grata erklärt«. Auf jeden Fall sei davon auszugehen, »dass der geplante Besuch von Präsident Tebboune in Paris im kommenden Mai abgesagt oder zumindest verschoben wird, wenn es nicht bald einen Durchbruch in der Krise gibt«.

Der algerische Politologe Ibrahim Oumsour konstatierte, die neue diplomatische Krise sei ein »Beweis für die Zerbrechlichkeit der algerisch-französischen Beziehungen und spiegelt das Ausmaß ihrer Komplexität und Sensibilität aufgrund der Verbindung zur kolonialen Vergangenheit wider«. Er erklärte, die Annäherung zwischen den beiden Ländern sei trotz des guten Willens, den die beiden Regierungen zeigen, ein überaus schwieriges Unterfangen.

Trotzdem glaubt Oumsour an eine Möglichkeit, die aktuelle Krise zwischen Algerien und Frankreich einzudämmen, vor allem, weil aufgrund der großen Verflochtenheit der beiden Staaten jedes auf das andere angewiesen sei.

So wolle sich Paris auf die starke Rolle Algeriens im benachbarten Mali verlassen, um den französischen Einflussnach dem aufgrund einer Krise mit Malis Hauptstadt Bamako erfolgten Abzug der französischen Streitkräfte aufrechtzuerhalten. Algerien wiederum möchte sich auf Paris und den französischen Energiemarkt stützen können, um seine Energieexporte zu fördern und seine Wirtschaft zu stärken, so der algerische Analyst.

In der Vergangenheit schwankten die algerisch-französischen Beziehungen aufgrund der kolonialen Vergangenheit Frankreichs in dem nordafrikanischen Land zwischen Spannungen und Entspannung. Zu den aus der gemeinsamen Vergangenheit resultierenden Streitpunkten gehören etwa das algerische Archiv, das Frankreich nicht an Algier übergeben wollte, und die französischen Atomtests auf algerischem Gebiet während der Kolonialzeit.

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