Erweiterte Suche

Die »zurückhaltende« Hisbollah

Panzer in der israelischen Grenzstadt Metulla, die wegen des Dauerbeschusses durch die Hisbollah evakuiert werden musste. (© imago images/Xinhua)
Panzer in der israelischen Grenzstadt Metulla, die wegen des Dauerbeschusses durch die Hisbollah evakuiert werden musste. (© imago images/Xinhua)

60.000 Israelis mussten aus dem Norden des Landes evakuiert werden. Trotzdem lobt ein Kurier-Journalist die »Zurückhaltung« der Hisbollah.

Sehr geehrter Herr Kramar,

beim Lesen Ihres Artikels »Iran droht Israel mit Rache« im heutigen Kurier bin ich aus dem Staunen kaum mehr herausgekommen. Seit dem 7. Oktober 2023 ist das iranische Regime in seinem Krieg gegen Israel an allen Fronten – vom Gazastreifen über den Libanon und Syrien über den Irak bis in den Jemen – in die Offensive gegangen, und doch attestieren Sie der islamistischen Diktatur, sie habe sich bisher »eher vorsichtig verhalten«.

Noch erstaunlicher ist Ihr Urteil, die Hisbollah, der Handlanger des iranischen Regimes im Libanon, sei »ebenfalls zurückhaltend« geblieben: »Mehr als vereinzelte Angriffe und Gegenangriffe und Feuergefechte entlang der Grenze gab es nicht«, behaupten Sie.

Tatsächlich hat die Hisbollah seit dem 7. Oktober 2023 mit Stand 2. April 2024 insgesamt nicht weniger als 1.183 Attacken auf Israel unternommen, im Schnitt also fast zweihundert pro Monat. Allein in der Woche vom 26. März bis zum 1. April waren es laut Angaben der Hisbollah siebenundfünfzig Angriffe mit Panzerabwehrraketen, Langstreckenraketen vom Typ al-Mas, Katjuscha-Raketen, schweren Burkan-Raketen (deren Sprengköpfe zwischen 300 und 500 kg wiegen) und Falaq-1-Raketen, Mörsergranaten und Drohnen. Hier nur von »vereinzelten Angriffen« zu sprechen, ist eine grobe Verharmlosung der wirklichen Geschehnisse.

Wie die New York Times unlängst in einer Reportage berichtete, ist die israelisch-libanesische Grenzregion »praktisch zu einer No-Go-Zone geworden«. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat Israel sich gezwungen gesehen, die eigene zivile Bevölkerung aus der betroffenen Region zu evakuieren: Angesichts des Dauerbeschusses mussten rund 60.000 Israelis ihre Dörfer und Städte verlassen und im übrigen Israel Zuflucht suchen. So viel zu der von Ihnen hervorgehobenen »Zurückhaltung« der Hisbollah.

Vielleicht sollten Sie sich die Mühe machen, selbst mit einigen der Zigtausenden betroffenen Israelis zu sprechen, die bis heute weiterhin im Süden des Landes untergebracht sind, kein normales Leben führen und nach wie vor nur hoffen können, jemals wieder nach Hause zurückkehren zu können. Was diese Menschen Ihnen zu sagen hätten, würden Sie ihnen gegenüber die »Zurückhaltung« der Hisbollah hervorheben, wäre sicherlich eine lehrreiche Erfahrung.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Markl
Mena-Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!