Der 7. Oktober und was danach geschehen ist, haben mich verändert.
Von Harry Bergmann
Bevor Sie mich das fragen, frage ich mich lieber selbst: »Was macht einer wie ich auf Mena-Watch?« Ich weiß mit ziemlicher Sicherheit über all das, was Mena so watcht, nicht mehr als Sie. Ganz zu schweigen von den mit Wissen vollgepfropften Profis, die hier schreiben. Aber ich denke mir natürlich so meinen Teil. Und weil ich einen Hang zur Geschwätzigkeit habe, behalte ich selten einen Gedanken bei mir. Ein anderer oder eine andere könnte ihn ja brauchen.
Ich mache das Woche für Woche in einem anderen Medium, für das ich hier keine Werbung machen möchte. Wobei ich ohnehin nicht weiß, ob das gute Werbung für dieses Medium ist, dass ich dort schreibe. Ich schreibe über alles, was um mich herum passiert und mir wichtig ist. Das kann (muss aber nicht) Israel sei. Das kann (muss aber nicht) Antisemitismus sein. Das kann (muss aber nicht) österreichische Innenpolitik sein. Das kann (muss aber nicht) Sport sein. Das kann (muss aber nicht) die Gesellschaft mit all ihren Deformationen sein.
Hauptsache, je schwieriger das Thema, desto leichter der Text. Um die Schwere dieser Welt sollen sich andere kümmern.
Jetzt kennen Sie mich natürlich noch immer nicht, aber das ist auch gut so, denn ich habe mich in letzter Zeit ohnehin verändert. Das hat etwas mit dem 7. Oktober 2023 zu tun, aber viel mehr noch mit dem, was sich seit diesem 7. Oktober zugetragen hat.
Man könnte sagen, mein Horizont ist enger geworden. Man könnte aber auch sagen, ich bin fokussierter und sehe deshalb schärfer, worauf es mir ankommt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich halte von Bundeskanzler Karl Nehammer wenig bis gar nichts. Seitdem er aber zu Israel steht wie kaum ein anderer österreichischer Politiker vor ihm, steigt er in meiner Wertschätzung. Ich werde ihn deshalb nicht wählen, aber fast.
Man könnte sagen, meine Toleranz ist gesunken. Man könnte aber auch sagen, dass ich genauer weiß, was ich mir zumuten will und was nicht. Ich gebe Ihnen auch hier ein Beispiel: Früher hätte ich Deborah Feldmann lange zuhören können und vielleicht sogar die eine oder andere Schnittmenge gefunden. Das kann ich heute nicht mehr. Will es auch nicht.
Man könnte sagen, mein aufgeklärter Humanismus hat sich vertschüsst. Man könnte aber auch sagen, dass ich eingesehen habe, dass organisierte Gewalt nur mit organisierter Gewalt bekämpft werden kann (das ist übrigens nicht von mir, sondern von einem Pazifisten namens Einstein). Ein Beispiel habe ich noch: Ich bin ein vehementer Gegner von Benjamin Netanjahu und seiner rechtsradikalen Minister-Bagage, aber ich bin davon überzeugt, dass kein israelischer Ministerpräsident (egal, aus welchem politischen Lager) den Krieg anders führen würde. Ich würde ihm persönlich nur mehr vertrauen.
Früher habe ich oft über die einschätzende Frage »Ist das gut für die Juden?« gelacht. Erstens ist selten etwas gut für die Juden und zweitens ist sehr oft das, was Juden gut für die Juden halten, ganz und gar nicht gut für die Juden. Heute ertappe ich mich dabei, mehr und mehr nach diesem Kriterium zu urteilen. Der Antisemit macht den Juden eben erst so richtig zum Juden.
Ja, ich habe mich seit dem 7. Oktober verändert. Aber haben wir uns nicht alle seit dem 7. Oktober verändert? Sehen wir nicht alle die Dinge ein wenig anders als vorher, weil wir auch von den anderen anders gesehen werden?
Mit dieser Perspektive will ich hier regelmäßig schreiben, was mich interessiert und hoffe, dass das eine oder andere auch Sie interessiert.
Für heute bleibt eigentlich nur mehr die Frage offen, welchen Titel ich meiner Kolumnen-Reihe geben soll. Wenn Sie dazu eine Idee haben, schreiben Sie mir, dann lerne ich Sie auch ein bisschen kennen.
Bis zum nächsten Mal!
Ihr Harry Bergmann