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Iranischer Angriff: Für die ARD scheint Israel immer schuld zu sein

Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin
Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin (© Imago Images / Rüdiger Wölk)

Die Kommentare im öffentlich-rechtlichen deutschen Rundfunk zeigen erschreckende Parallelen zu der Schuldumkehr, wie sie typisch für den Antisemitismus ist: Die Juden seien selbst schuld, wenn sie angegriffen werden.

Eine Konstante des Judenhasses seit zweitausend Jahren ist, dass er in der Wahrnehmung seiner Agenten stets als »Abwehr« und »Reaktion« auf angebliche Taten der Juden daherkommt. Indem sie angeblich Ritualmorde an Kindern verüben, Brunnen vergiften, den Schwarzen Tod verbreiten, Hexerei betreiben, Hostien schänden, die Wirtschaft aussaugen und Weltkriege anzetteln, lassen die Juden bzw. heutzutage der Staat Israel als der »Jude unter den Staaten« (Léon Poliakov) den Antisemiten angeblich gar keine andere Wahl, als sich zu »verteidigen« und »zurückzuschlagen«.

Eine der vielleicht bekanntesten Ausprägungen dieser Lüge ist die Rede, die Adolf Hitler am 30. Januar 1939 im Deutschen Reichstag hielt. Rund sieben Monate vor dem deutschen Überfall auf Polen kündigte er einen Weltkrieg und – als angebliche Reaktion darauf – den Völkermord an den Juden Europas an:

»Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.«

Eine von den damaligen Nationalsozialisten und heutigen Neonazis verbreitete Lüge lautet, die Juden hätten Deutschland in den 1930er Jahren »den Krieg erklärt« und der Holocaust sei die Antwort darauf gewesen.

Der gescheiterte Raketen- und Drohnenangriff des islamischen Regimes in Teheran ist kein Holocaust. Eine Parallele zwischen damals und heute zeigt sich aber in dem Vorwurf an die Juden: Sie trachten angeblich stets danach, einen großen Krieg anzuzetteln. Hier kommt dann die unvermeidliche Metapher des »Flächenbrandes« ins Spiel. Aus Anlass der gezielten Tötung des Terrorgenerals Qassem Soleimani schrieben wir vor vier Jahren an dieser Stelle: »Eigentümlicherweise erscheint dieser Flächenbrand‹ stets nur als die Folge amerikanischen oder israelischen Handelns: Niemand warnt je vor dem Flächenbrand des von Teheran finanzierten Terrorismus.«

Das Regime in Teheran »riskiere« nun den »Flächenbrand«, hieß es nach dem Terrorangriff auf Israel allenthalben. Der Großangriff auf Israel rückt den Flächenbrand also lediglich in die Sphäre des Möglichen, ist aber selbst keiner. Ob es wirklich zum »Flächenbrand« kommt, soll stets allein von Israel abhängen. Und Israel soll auch die Verantwortung dafür tragen, dass es überhaupt bombardiert wurde: »Bombardierung der iran.[ischen] Botschaft hat Nahost weiter gefährdet«, schrieb die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Aydan Özoğuz (SPD), auf dem Kurznachrichtendienst X.

Der Krieg, den das Ajatollah-Regime seit über vierzig Jahren gegen den jüdischen Staat und Juden in aller Welt (man denke an die verheerenden Sprengstoffanschläge auf Juden in Buenos Aires und Burgas) führt – wen interessiert er? Dass Israel ein Gebäude neben dem iranischen Konsulat in Damaskus bombardierte und dabei diejenigen ausschalteten, die sich dort trafen, um der Hisbollah und der Hamas bei ihren Kriegsanstrengungen zu helfen, soll angeblich die Büchse der Pandora geöffnet haben. Alles, was Israels Feinde unternehmen – inklusive dem Drohnenangriff auf Eilat durch eine vom Iran gesteuerte Terrorgruppe aus dem Irak –, bleibt unsichtbar. 

Juden selbst schuld, wenn sie getötet werden 

Das alles zählt nicht; Angriffe auf Israel sind in Europa oft nicht einmal eine Meldung wert. Peter Finkelgrün, ein ehemaliger Redakteur und Auslandskorrespondent der Deutschen Welle, schrieb 2017 in einem offenen Brief an Tom Buhrow, den Intendanten des WDR, in dem er unter anderem berichtete, wie er 1974 mit seiner Frau zu einem Besuch nach Israel fuhr und dort das Ma’alot-Massaker in einer Schule im Norden Israels erlebte – und wie die Deutsche Welle darauf reagierte:

»Alle 21 Schüler kamen ums Leben. Es war noch nicht die Zeit der modernen technologischen Medien, und ich war mit einigen Schwierigkeiten in der Lage, bei meiner Redaktion im Funkhaus anzurufen und zu fragen, ob ich einen telefonischen Bericht durchgeben sollte. Der diensttuende Redakteur erwiderte: ›Nein. Aber melde Dich, wenn die Israelis zurückschlagen.‹«

Die Kommentare im öffentlich-rechtlichen deutschen Rundfunk zeigen erschreckende Parallelen zu der Schuldumkehr, wie sie typisch ist für den Antisemitismus: Die Juden seien selbst schuld, wenn sie angegriffen werden. Vom Unglück der Juden schließt der Antisemit darauf, dass die Juden selbst ein Unglück seien. 

Jüdische Weltverschwörung, neue Folge

»Es muss den Verantwortlichen in Israel sehr klar gewesen sein, dass dieser Zwischenfall nicht ohne Folgen bleiben würde.« Mit diesem Satz leitete Ingo Zamperoni in den ARD-Tagesthemen die Berichterstattung über den iranischen Angriff auf Israel ein. Der Angriff wird gerechtfertigt als gerechte Strafe für Israels Vergehen. 

Beim WDR wird gleich am ganz großen Rad gedreht: Die Juden steuern den Weltenlauf, so behauptet es auch die Hamas in ihrer Charta: »Sie standen hinter der Französischen Revolution, der Russischen Revolution und den meisten anderen Revolutionen … Sie standen hinter dem Ersten Weltkrieg und bildeten den Völkerbund, mit welchem sie die Welt regierten. Sie standen hinter dem Zweiten Weltkrieg, durch den sie riesige finanzielle Gewinne erzielten … Sie sind die Drahtzieher eines jeden irgendwo in der Welt geführten Krieges« (Artikel 22).

Und jetzt, zum Vergleich, der WDR und dessen Experte Daniel Gerlach von der stramm antizionistischen Nahost-Website Zenith. Es sei »ja wirklich faszinierend«, sagt er im WDR, wie Benjamin Netanjahu es »geschafft« habe, »die ganze Aufmerksamkeit von dem Gazakrieg, von den Konflikten, die er hatte, mit seinen Verbündeten, insbesondere mit den Amerikanern, jetzt wieder auf das Thema Iran hinzulenken«. Netanjahu hat die Drohnen und Raketen dieser Logik zufolge also bestellt wie andere Leute Pizza.

Man könne »schon davon ausgehen«, dass das auch »Teil des politischen Kalküls gewesen« sei, die »Situation zum Eskalieren zu bringen«, um »eben wieder Einigkeit zwischen ihm und seinen Verbündeten herzustellen« und »vor allem auch die Diskussion um Waffenlieferungen aus Europa und den USA nach Israel zu stoppen«, indem er deutlich mache: »Wir werden von einem größeren Gegner bedroht«, so Gerlach weiter. Diese Bedrohung scheint keine unumstößliche Tatsache zu sein. Existiert sie vielleicht nur in Netanjahus Vorstellung?

Muslimbruderschaft gut, Israel schlecht

Bei der ARD ist ein anderer Antizionist zugeschaltet. Meinungen von Personen, die wie Andreas Krieg für die Pro-Hamas-Website Middle East Eye schreiben, wo die Massaker des 7. Oktober 2023 als »mutige und verzweifelte Operation« gepriesen werden, stehen bei den Öffentlich-Rechtlichen offenbar hoch im Kurs. 

Andreas Krieg – die folgende Information entnehmen wir seinem journalistischen Werk – glaubt daran, dass Israel das Denken der westlichen Bevölkerung kontrolliere: »Unter dem Banner der Hasbara (vom hebräischen ›erklären‹) hat Israel jahrzehntelang erfolgreich die Herzen und Köpfe im Westen für eine Besatzung gewonnen, die immer schwieriger zu rechtfertigen ist. Israel erklärt Aktivisten zu ›Terroristen‹, stellt Kritiker als ›Antisemiten‹ hin und bezeichnet Beweise für israelische Gewalt gegen Frauen und Kinder als ›Fake News‹.«

Für seine Hypothese, dass der Staat Israel als weltumspannender Medienkonzern – noch dazu einer mit einer offenbar dominierenden Marktstellung – tätig sei, bringt Krieg keinen einzigen Beleg vor. Wie auch, wo das alles ja nur in seiner Fantasie existiert. Sein Artikel könnte auch unter der Überschrift Von den Juden und ihren Lügen stehen. Aber die Juden bei Andreas Krieg lügen nicht nur, sie haben auch dämonische Kräfte, denn sie schaffen es, Macht über die »Herzen und Köpfe« zu gewinnen, und das auch noch, ohne dass es irgendjemandem auffällt.

Andreas Krieg ist auch ein Fürsprecher des politischen Islams. Die Muslimbruderschaft, die wie keine andere Organisation auf der Welt die Idee des Dschihad gegen säkulare Gesellschaften und Demokratie, gegen Israel sowie Frauen- und Kinderrechte verficht und Homosexuelle ermorden will, nimmt Krieg in Schutz vor Kritikern, die angeblich eine »Schmutzkampagne« gegen sie führen.

Wer überschreitet »rote Linien«?

Andreas Krieg also ist qualifiziert, den Angriff auf Israel richtig einzuschätzen. Auch er meint, Israel sei selbst schuld, denn es habe »rote Linien« überschritten:

»Weil, wir müssen den Kontext sehen, dieser Schattenkrieg zwischen Israel und dem Iran, der geht über viele, viele Jahre. Es gab klare rote Linien, die beide Seiten irgendwo auch eingehalten haben, dass man sich eben nicht direkt angreift. Und diese roten Linien sind von Israel in den letzten Monaten nach (sic!) dem Gazakrieg öfter schon nicht eingehalten oder überschritten worden.

Das Schlimmste daran war natürlich letzte Woche der Angriff auf das Konsulat in Damaskus, wo hochrangige iranische Militärs getötet worden sind, da waren ganz klar diese roten Linien, die vorher gezeichnet wurden, überschritten worden und es war klar, dass der Iran darauf reagieren muss. Und Israel hat sich in den letzten Monaten wirklich nicht vorsichtig verhalten. Man hat immer tiefer im Libanon und auch im Irak und in Syrien angegriffen. Jetzt ist die Frage, wie man darauf wiederum reagiert.«

Die Wahrheit ist: Israel hat nicht den Iran angegriffen; das Ayatollah-Regime hat Israel angegriffen. In Israel gibt es keine Uhr, die die Tage bis zu einer hypothetischen Zerstörung des Irans rückwärts zählt. In Teheran aber gibt es eine Uhr, welche die Tage bis zu einer von Ajatollah Khamenei angekündigten Zerstörung Israels rückwärts zählt. Khamenei bezeichnet Israel als »Krebsgeschwür«, das »zerstört« werden müsse. Israels Premierminister sagt: Israel ist ein Freund des iranischen Volkes. Auch viele Iraner fühlen sich Israel verbunden – so sehr, dass die Islamischen Revolutionsgarden die Bevölkerung davor warnen, proisraelische Äußerungen in den sozialen Medien zu verbreiten. Andreas Krieg meint jedoch: Israel habe eine rote Linie überschritten. Und er wiederholt die martialische Propaganda des Regimes. Er sagt: »Der Iran hätte weitaus stärker reagieren können.« Eigentlich müsste Israel also dankbar sein. Weiter behauptet Krieg:

»Die Marschflugkörper waren extrem langsam unterwegs. Es war klar, dass man sie abfangen konnte. Der Iran hat sich zurückgehalten, hat damit auch gesagt: Für sie (sic!) ist diese ganze Eskalation jetzt beendet. Und jetzt ist natürlich die Frage, ob für Israel diese Situation auch beendet ist (…) Da ist natürlich die Hoffnung, dass die kühlen Köpfe in Israel die Oberhand gewinnen und nicht wie Netanjahu ausnutzt, um sich innenpolitisch neu zu positionieren, während er es im Gazakrieg ja irgendwo nicht schafft, wirklich Ziele zu erreichen.«

Das Regime, das den jüdischen Staat mit Drohnen und Raketen angreift, die, wären sie nicht in einer weltweit einzigartigen multilateralen Operation in der Luft zerstört worden, Tausende Menschen getötet hätten, sieht der Antizionist der ARD in der Rolle desjenigen, der die »Eskalation« beendet, während die Israelis, die der offenbar unbesiegbaren Hamas angeblich nichts anhaben können, »rote Linien« überschreiten, weil Kriege angeblich ihren Interessen dienen. 

»Weltbrandstifter Juda«: Das ist die Vorstellung, die das öffentlich-rechtliche deutsche Fernsehen mit ihren Gästen und Interviewpartnern und ausgerechnet die Bundestagsvizepräsidentin noch dazu den Zuschauern nahelegen. Hinzukommt das älteste antijüdische Stereotyp überhaupt: das der unauslöschlichen jüdischen Schuld. Gerade dann, wenn Juden Opfer sind, wird über sie öffentlich zu Gericht gesessen und werden sie schuldig gesprochen.

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