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Afghanistan: Ungewisse Zukunft unter den Taliban

Die Taliban unterdrücken die Frauen wieder, wie sie es immer gemacht haben. (© imago images/Newscom World)
Die Taliban unterdrücken die Frauen wieder, wie sie es immer gemacht haben. (© imago images/Newscom World)

In mancher Hinsicht wäre eine Kooperation mit Afghanistan erforderlich, aber mit den Taliban wird das nicht funktionieren.

Im Februar fand in Katar ein internationales Treffen statt, bei dem über neue Hilfen für Afghanistan und mögliche Kooperationen mit den Taliban diskutiert wurde. Beim dem UNO-Treffen am 18. und 19. Februar in Katars Hauptstadt Doha wurden Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungsprojekte in Afghanistan ausgelotet. Neben Vertretern von fünfundzwanzig Staaten und regionalen Organisationen waren auch afghanische NGOs eingeladen.

Ziel war es, gemeinsam mit der Taliban-Regierung eine konstruktive Zusammenarbeit zu starten, die über humanitäre Hilfe hinausgeht. Am Ende, so das Angebot der UNO, sollte die vollständige Wiedereingliederung Afghanistans in die Staatengemeinschaft stehen. Bedingung war jedoch, dass die Regierung in Kabul Zugeständnisse bei ihrer Frauen- und Bildungspolitik macht. Doch die Taliban winkten ab. Das zu entscheiden sei nicht Sache der UNO und man selbst nicht mehr Befehlsempfänger des Westens, wie es die Vorgängerregierung gewesen sei.

Entrechtete Frauen

Seit dem Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan im August 2021 hat sich die Sicherheitslage in großen Teilen des Landes verbessert, was vor allem daran liegt, dass die Taliban keine Anschläge mehr verüben, seit sie selbst in der Regierung sitzen.

Doch die erhöhte Sicherheit hat ihren Preis. Nach ihrer Machtergreifung bemühten sich die Taliban nach außen hin zunächst um ein moderateres Auftreten, doch dieser weniger restriktiver Schein hielt nicht lange an. Zahlreiche Freiheiten, vor allem jene der westlich orientierten Afghanen in den Großstädten, waren damit beendet: Die Islamisten schlossen Mädchenschulen und ersetzten das Frauenministerium durch das »Ministerium für die Verbreitung von Tugend und die Verhütung von Lastern« – eine Art Sitten- und Religionspolizei, die über das öffentliche Auftreten und Verhalten der Afghanen wacht.

Seit November 2022 verbieten eine Reihe von Dekreten Frauen den Zutritt zu Parks, Turnhallen und öffentlichen Bädern. Außerdem ist es ihnen untersagt, bei NGOs oder den Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Seit Dezember 2022 ist es ihnen auch verboten, Universitäten zu besuchen.

Kritiker sind kaltgestellt, gegen (zivile) Opposition gehen die Sicherheitskräfte mit aller Härte vor. Willkürliche Verhaftungen, Folter, außergerichtliche Tötungen und kollektive Bestrafungen gehören zum Alltag. Es gibt auch wieder öffentliche Hinrichtungen, zuletzt im heurigen Februar, als zwei Männer in der Provinz Ghasni in einem Fußballstadium exekutiert wurden.

Sanktionen wirkungslos

Auf die Politik der Taliban reagiert der Westen mit Sanktionen. Doch weder diese noch der erhöhte öffentliche Druck konnten das Taliban-Regime bisher von seinem Kurs abbringen. Stattdessen zeigt sich ein weiteres Mal, dass sich Regime wie die Taliban nicht sonderlich um ihre Bevölkerung kümmern und auch humanitäre Krisen wie jene von 2023 unbeschadet überdauern können.

Hinzu kommt, dass nicht-westliche Staaten durchaus Kontakte mit den Taliban pflegen. Bisher hat zwar kein einziges Land weltweit die Taliban-Herrschaft offiziell anerkannt, aber die Botschaften von China, Russland, Pakistan, Usbekistan, der Türkei und des Irans blieben nach dem Abzug der internationalen Truppen 2021 geöffnet. Inzwischen gibt es insgesamt sechzehn ausländische Vertretungen in Kabul.

Chinesischen Behörden, die Afghanistan in ihre »Belt and Road«-Initiative (»Neue Seidenstraße«) einbeziehen wollen, haben seit Langem ein Auge auf die Bodenschätze des Landes geworfen, wie zum Beispiel Lithium, Uran und seltene Erden. Peking sieht in Afghanistan aber auch einen Absatzmarkt für chinesische Produkte und investiert in Infrastrukturprojekte wie den Ausbau von Straßen, Bahnverbindungen und Kraftwerken.

Von harmonischen Beziehungen zwischen den Taliban und ihren Nachbarn zu sprechen wäre aber übertrieben. Vielmehr bemühen sich Kabul und seine regionalen Partner um einen Modus Vivendi, in dessen Zentrum, neben vorsichtigen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Kooperationen, vor allem die Bewältigung von Krisen steht. So ist etwa der Kamal Khan Damm im Südwesten Afghanistans ein Streitpunkt zwischen Kabul und Teheran, weil der Damm das für die iranische Provinz Sistan-Belutschistan so wichtige Wasser des Flusses Helmand zurückhält.

Taliban vs. Jihadisten

Nachdem die Taliban das in Katar von der UNO gemachte Angebot zurückgewiesen haben, stellt sich einmal mehr die Frage, wie der Westen mit dem Regime umgehen soll. Einige Staaten fordern, jede Kooperation zu unterbinden. Manche Beobachter sind der Meinung, dass eine vorsichtig begrenzte Zusammenarbeit mit den Taliban die beste aller schlechten Optionen sein könnte.

Als ein Grund für mögliche Kooperationen wird genannt, dass die Taliban jihadistische Gruppen kleinhalten, die regionale wie internationale Ziele verfolgen. So bekämpfen sie den lokalen Zweig des Islamischen Staates, dessen Ziel es ist, die Taliban zu stürzen, um einen eigenen Staat zu errichten – mit bedingtem Erfolg: Im Frühjahr 2023 griff die Miliz Islamischer Staat Khorasan die pakistanische und die russische Botschaft in Kabul an und verübte einen Anschlag auf ein Hotel, in dem sich chinesische Wirtschaftsvertreter aufhielten.

Peking fürchtet, dass diese radikal-islamistischen Gruppen sich mit Separatisten in der chinesischen Region Xinjiang verbünden könnten, wo die muslimische Minderheit der Uiguren lebt. Außerdem ist Afghanistan nach wie vor ein Rückzugsgebiet für Al-Qaida, wie die Tötung von Ayman al-Zawahiri in Kabul durch eine US-Drohne im Juli 2022 zeigte. Inwieweit die Taliban auf Al-Qaida einwirken können, ist fraglich, ihr Verhältnis scheint ambivalent zu sein. Einerseits wollen sie die Gruppe eindämmen, andererseits sich diese nicht zum Feind zu machen.

Das Dilemma

Um den Operationsradius jihadistischer Gruppen in Afghanistan und darüber hinaus einzuschränken, arbeiten einige Staaten mit den Taliban zusammen, etwa bei der Eindämmung des Waffenhandels oder bei stärkeren Grenzkontrollen. Diese Kooperationen sind derzeit aber nur eingeschränkt gegeben, wie etwa der zurückhaltende Austausch von geheimdienstlichen Informationen zwischen Kabul und seinen Nachbarn zeigt.

Ob die Zusammenarbeit überhaupt intensiviert werden sollte, darüber gehen die Ansichten der internationalen Gemeinschaft auseinander. Für westliche Staaten sind Zugeständnisse und Kooperationen mit den Taliban politisch riskant. Diplomaten und politische Entscheidungsträger wollen mit ihnen nicht gerne in Verbindung gebracht werden.

Auf moderatere Vertreter der Taliban zu hoffen erscheint zurzeit unrealistisch. Die Taliban stehen vereint hinter ihrem Anführer Mawlawi Hibatullah Achundsada, und solange er von den extremistischen Ansichten nicht abweicht, wird sich an den Zuständen im Land wenig ändern. Daher lehnen zahlreiche westliche Staaten eine Kooperation mit den Taliban ab.

Gleichzeitig aber können von Afghanistan ausgehende Herausforderungen, die auch die westliche Welt betreffen wie der Anbau und Export von Drogen, die steigende Zahl an Flüchtlingen und die Bekämpfung international agierender Terroristen nur in Kooperation mit der Regierung in Kabul in den Griff bekommen werden. Ein Dilemma.

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