Doch wird das Leben in Anbar noch immer weitgehend von den Stämmen der Region und ihren traditionellen Bräuchen geprägt. Gastfreundschaft hat einen sehr hohen Stellenwert. Fremde werden grundsätzlich zu einem deftigen Mahl eingeladen und aufgefordert, im Hause des Gastgebers zu übernachten. Die Häuser werden sogar entsprechend dieses Brauchs gebaut, so dass der Empfangsraum der größte und eindrucksvollste Raum ist, selbst dann, wenn der Raum für die Familie dadurch beschränkt wird. Der einzige bisherige Versuch, in Ramadi ein Hotel zu eröffnen, scheiterte. Davon zeugt noch das nicht fertiggebaute und aufgegebene Gebäude in der Innenstadt. Das türkische Unternehmen, das hinter dem Vorhaben stand, musste das Projekt 2014 aufgeben, als der Islamische Staat die Stadt überrannte. Bewohner der Stadt scherzen, dass selbst die Dschihadisten sich an die Bauruine nicht herangetraut hätten.
Trotz alledem freuen sich manche Bewohner Anbars darüber, dass es das neue Hotel gibt. Der 28jährige Mohammed Ahmed beispielsweise hat für seine Flitterwochen ein Zimmer dort reserviert. ‚Ich hätte keine andere Möglichkeit gehabt, und das Hotel ist eine gute Alternative‘, meint Ahmet. Sein Bart ist gepflegt und er trägt ein frisch gebügeltes weißes Hemd. Der Besitzer möchte auch Geschäftsreisende anlocken und hofft, dass Delegierte, die zu den Wiederaufbaukonferenzen und -gipfeln kommen, die sich mit der Zukunft des Irak nach dem Sieg über den Islamischen Staat befassen, bei ihm unterkommen werden. Dennoch halten einige Bewohner der Stadt die Eröffnung des Hotels nach wie vor für eine Bedrohung der regionalen Bräuche. ‚Bei unseren Vätern und Großvätern gab es solche Hotels nicht‘, erklärt Sheikh Ibrahim Khalil al-Hamed, ein 52jähriger Stammesältester. Er trägt einen weißen Beduinenschal und eine schwarze Robe. Die Stämme der Region seien stets für ihre Gastfreundschaft bekannt gewesen. ‚Diese Hotels schaden unserem Ruf’, meint er.“ (Bericht auf AL Monitor: „Hotel poses challenge for tribal tradition in Iraq“)