„Die Eröffnung eines neuen Hotels wird von etlichen Bewohnern der westirakischen Provinz Anbar als Herausforderung begriffen. Dort ist man es traditionell gewohnt, Fremde bei sich zu Hause unterzubringen. Im Herzen der Provinzhauptstadt Ramadi wird ein hohes Gebäude mit Neonlichtern angestrahlt. ‚Rose Plaza Hotel‘ steht auf Arabisch und Englisch auf dem erleuchteten Schild. Das von einem jungen irakischen Unternehmer errichtete Hotel mit seinen 80 Zimmern hat in der riesigen, westlich von Bagdad gelegenen und bis an die Grenzen zu Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien reichenden Wüstenprovinz Anbar für Wirbel gesorgt. (…) Anbar hat es weit gebracht. Lange war die Provinz eine Hochburg der gegen die USA kämpfenden Aufständischen, dann wurde sie vom Islamischen Staat überrannt, und Touristen und Investoren trauten sich nicht mehr dorthin. Seit Ramadi 2016 wieder unter die Kontrolle der irakischen Behörden kam, gibt es zahlreiche Wohnungsbau- und Wirtschaftsprojekte, die Unternehmen aus dem ganzen Irak angelockt haben. Louai Rafe, ein irakischer Geschäftsmann war froh, als er das Rose Plaza fand. (…)
Doch wird das Leben in Anbar noch immer weitgehend von den Stämmen der Region und ihren traditionellen Bräuchen geprägt. Gastfreundschaft hat einen sehr hohen Stellenwert. Fremde werden grundsätzlich zu einem deftigen Mahl eingeladen und aufgefordert, im Hause des Gastgebers zu übernachten. Die Häuser werden sogar entsprechend dieses Brauchs gebaut, so dass der Empfangsraum der größte und eindrucksvollste Raum ist, selbst dann, wenn der Raum für die Familie dadurch beschränkt wird. Der einzige bisherige Versuch, in Ramadi ein Hotel zu eröffnen, scheiterte. Davon zeugt noch das nicht fertiggebaute und aufgegebene Gebäude in der Innenstadt. Das türkische Unternehmen, das hinter dem Vorhaben stand, musste das Projekt 2014 aufgeben, als der Islamische Staat die Stadt überrannte. Bewohner der Stadt scherzen, dass selbst die Dschihadisten sich an die Bauruine nicht herangetraut hätten.
Trotz alledem freuen sich manche Bewohner Anbars darüber, dass es das neue Hotel gibt. Der 28jährige Mohammed Ahmed beispielsweise hat für seine Flitterwochen ein Zimmer dort reserviert. ‚Ich hätte keine andere Möglichkeit gehabt, und das Hotel ist eine gute Alternative‘, meint Ahmet. Sein Bart ist gepflegt und er trägt ein frisch gebügeltes weißes Hemd. Der Besitzer möchte auch Geschäftsreisende anlocken und hofft, dass Delegierte, die zu den Wiederaufbaukonferenzen und -gipfeln kommen, die sich mit der Zukunft des Irak nach dem Sieg über den Islamischen Staat befassen, bei ihm unterkommen werden. Dennoch halten einige Bewohner der Stadt die Eröffnung des Hotels nach wie vor für eine Bedrohung der regionalen Bräuche. ‚Bei unseren Vätern und Großvätern gab es solche Hotels nicht‘, erklärt Sheikh Ibrahim Khalil al-Hamed, ein 52jähriger Stammesältester. Er trägt einen weißen Beduinenschal und eine schwarze Robe. Die Stämme der Region seien stets für ihre Gastfreundschaft bekannt gewesen. ‚Diese Hotels schaden unserem Ruf’, meint er.“ (Bericht auf AL Monitor: „Hotel poses challenge for tribal tradition in Iraq“)