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Wiederholung der Geschichte in Afghanistan? Experten erwarten neue Terrorismus-Welle

Am 11. September jähren sich die Al-Qaida-Anschläge auf die USA zum 20. Mal.
Am 11. September jähren sich die Al-Qaida-Anschläge auf die USA zum 20. Mal. (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im Jahr 2021 wirft die Frage nach der terroristischen Bedrohung weltweit auf.

Am 11. September werden 20 Jahre seit den Terroranschlägen vergangen sein, die 2001 in den Vereinigten Staaten verübt wurden und bei denen 3.000 Menschen ums Leben kamen, doch die terroristische Bedrohung besteht nach wie vor, und die Bedingungen, die schließlich zu den Anschlägen vom September führten, sind erneut gegeben.

Vor fast zwei Wochen übernahmen die Taliban nach einer 11-tägigen Militäraktion die Kontrolle über die afghanische Hauptstadt Kabul, was dazu führte, dass die Bewegung ganz Afghanistan mit Ausnahme der Provinz Pandschir, der Hochburg des derzeitigen Widerstands gegen die Herrschaft der Terrororganisation, unter ihre Kontrolle brachte.

In abgelegenen Gebieten der afghanischen Provinz Kunar, einer Hochburg von al-Qaida, und in dschihadistischen Chatforen im Internet zeigten sich die Dschihadisten überglücklich über die Siege der Taliban, womit sie die vom Status quo ausgehende Bedrohung zum Ausdruck brachten. Die überschwängliche Freude ist gerechtfertigt, insofern die Taliban Al-Qaida schützten, als sie Afghanistan von 1996 bis 2001 regierten, was letztlich zu den blutigen Anschlägen vom 11. September führte.

Mit dem Aufschwung von Al-Qaida kam es zwischen 1996 und 2001 zu einer großen Terrorismuswelle, die verschiedene Orte in der Welt betraf. Darunter fielen z. B. die Anschläge auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Dar es Salaam  im Jahr 1998 und der Anschlag auf das amerikanische Schiff „USS Cole“ vor der Küste des Jemen im Jahr 2000.

Die Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im Jahr 2021 wirft die Frage nach der Zukunft der terroristischen Bedrohung weltweit auf: Wird das Land zu einem Zufluchtsort für Terroristen aus verschiedenen Ländern der Welt und damit zu einer neuen Zeitbombe werden?

Laut BBC warnen hochrangige westliche Offiziere und Politiker davor, dass eine massive Rückkehr von al-Qaida nach Afghanistan unvermeidlich ist. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach nach einer Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts davon, dass sich die westlichen Länder zusammentun müssen, um zu verhindern, dass Afghanistan wieder zu einem Zufluchtsort für internationale Terrorgruppen wird.

Sajan Gohel, Forscher bei der Asia Pacific Foundation, sagt voraus, dass die Zahl der Al-Qaida-Mitglieder, die derzeit in Kunar zwischen 200 und 500 liegt, steigen wird: „Die Kontrolle der Taliban über Kunar ist von großer strategischer Bedeutung. Al-Qaida ist bereits vor Ort und wird versuchen, in dieser Region weiter zu expandieren.“

„Wenn das geschieht, wird es für den Westen schwierig sein, die Organisation einzudämmen“ erklärte er und fügte hinzu, die Entwicklung „hängt davon ab, ob die pakistanischen Behörden die Durchreise ausländischer Kämpfer durch ihr Gebiet nach Afghanistan verhindern oder erleichtern werden.“

Neue Ausgangslage

Ahmed Ban, ein Experte für terroristische Organisationen, erklärte gegenüber Mena-Watch, dass die Führungsstruktur von al-Qaida erheblich dezimiert worden und deswegen derzeit nicht in der Lage sei, von Afghanistan aus bedeutende Angriffe zu starten.

Jedoch fuhr er fort, dass „Al-Qaida die Zuflucht in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban nutzen wird, um ihre Strukturen wiederaufzubauen, neue Kämpfer zu rekrutieren und ihre Stärke wiederherzustellen, um auf den richtigen Moment dafür zu warten, irgendwo in der Welt zuzuschlagen.”

Er wies darauf hin, dass die Taliban die Loyalität von Al-Qaida genießen, da der Anführer der Organisation, Ayman al-Zawahiri, den Führern der afghanischen Bewegung die Treue geschworen hat.

Am 15. August erklärte der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, General Mark Milley, dass sich aufgrund der rasanten Machtübernahme der Taliban auch Terrorgruppen wie Al-Qaida in Afghanistan schneller rekonstituierten könnten, als von den Verteidigungsbehörden angenommen – die bislang von einer Zeitspanne von zwei Jahren ausgehen.

Tariq Abu Al-Saad, ein Experte für terroristische Organisationen, sagte gegenüber Mena Watch, dass „Al-Qaida die dschihadistische Stütze der Taliban-Bewegung bleiben wird, da es alte Verbindungen zwischen der Organisation und der Bewegung gibt, die nicht aufgelöst werden können.“

Grenzüberschreitender Terrorismus

Der Terrorismusexperte am Institut für Sicherheitspolitik in Berlin Guido Steinberg sagte dem arabischen Sender der Deutschen Welle: „Es ist offensichtlich, dass Dschihadisten, Salafisten und Islamisten auf der ganzen Welt die Ereignisse (in Afghanistan) beobachten und den Sieg der Taliban als Ermutigung sehen. Wir müssen damit rechnen, dass nicht nur ISIS, sondern auch al-Qaida und kleinere Gruppen stärker werden.“

Der Forscher für internationale Sicherheit und Terrorismus, Jassim Muhammad, warnte ebenfalls vor ISIS, der bereits Kämpfer in Afghanistan habe: „Obwohl es in einigen Bereichen Unterschiede zwischen den Taliban und ISIS gibt, denke ich, dass es Absprachen zwischen den beiden Parteien geben wird, terroristische Operationen außerhalb Afghanistans durchzuführen, nicht innerhalb des Landes“, sagte Muhammad vor dem IS-Anschlag auf den Flughafen von Kabul.

Nach seiner Niederlage in Syrien und im Irak hat ISIS in jüngster Zeit seine Präsenz in Afghanistan ausgeweitet und Operationen gegen die frühere afghanische Regierung durchgeführt, darunter ein Raketenangriff in der Nähe des Präsidentenpalastes in Kabul vor einem Monat.

In diesem Zusammenhang weist Tariq Abu Al-Saad darauf hin, dass „ISIS eine Niederlassung in Afghanistan hat, bergige Gebiete kontrolliert und gut finanziert ist, was ihn zu einer ernsthaften Bedrohung zusätzlich zu Al-Qaida macht.“ Wie Ahmed Ban resümiert, können all diese terroristischen Organisationen von dem Chaos in Afghanistan profitieren werden, was in weiterer Folge zu weltweiten Terroranschlägen von afghanischem Boden aus führen könnte.

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