„Während der Blütezeit des IS im Irak und in Syrien wurden religiöse Minderheiten gnadenlos umgebracht, genau wie LGBT-Iraker und -Syrer, die häufig in ‚grauenhaften Bildern und Videos‘ vorgeführt wurden, die die Gruppierung online veröffentlichte. Die digitale Propaganda von ISIS zeigte, wie ‚schwule Männer [in den Tod gestürzt] wurden‘, schrieb J. Lester Feder von BuzzFeed News Ende Juni. Der Aufstieg des IS erfolgte nach Jahren, die kaum bessere Bedingungen unter Al-Qaida und ihren Verbündeten zu bieten hatten. Wie Feder erklärte, erfährt die Öffentlichkeit erst jetzt – Jahre nachdem der IS sein Territorium verloren hat und die Konflikte in der Region aus den amerikanischen Schlagzeilen verschwunden sind –, wie einige Aktivisten im Schutze der Nacht gearbeitet haben, um die hinter der Front verbliebenen zu retten. (…)
Zwei Aktivisten, Majid und Ahlam, setzten sich dafür ein, Dutzende von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen vor der Verfolgung im Irak zu bewahren, ohne dass dies jedoch zuerst ihr erklärtes Ziel war. Feder zufolge brachte ihre erste Rettungsaktion drei Männern über die Frontlinie [aus dem IS-Gebiet]. Erst als sich zwei von ihnen nach der Rettung küssten, stellte Majid, ihr Fluchtfahrer, fest, dass sie schwul waren. Anscheinend wussten Majid und Ahlam, dass sie drei ‚LGBT‘-Personen retten würden, sie wussten jedoch nicht, was diese Initialen bedeuteten. Majid erinnerte sich vielmehr daran, dass er gedacht hatte, LGBT sei der Name einer politischen Partei, die sich den Eroberern widersetzte. Im Laufe der Jahre widmeten sich diese Helden jedoch ‚immer leidenschaftlicher ihrer Arbeit‘ und sie arbeiteten weiterhin unermüdlich, ohne dabei an ihr eigenes Risiko zu denken.
Im Rahmen der Organisation für die Freiheit der Frau im Irak (OWFI), einer nationalen feministischen Organisation, wagten sich Majid, Ahlam und andere Aktivistinnen in unvorstellbar gefährliche Gebiete, um die von Al-Qaida Bedrohten und später auch diejenigen auf dem Territorium des IS zu retten. Dabei nahmen sie auch eine Dokumentation Aufzeichnungen dieser Fälle vor, im Wesentlichen, ‚um sich auf eine Zeit vorzubereiten, in der es möglich sein könnte, ISIS vor Gericht zu stellen.‘ Feder zufolge wurden im endgültigen Dossier insgesamt 87 LGBT-Fälle registriert. Ein noch ‚viel reichhaltigeres‘ Dokument ‚über die Verbrechen von ISIS wurde von OWFI zusammengestellt, das insgesamt 4.383 Opfer und 1.804 ISIS-Mitglieder anführt.‘“ (Andy Carr: „Revealed: Heroes Behind Efforts to Rescue LGBT Iraqis from Al Qaeda, ISIS“)