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Ramallah: Europäische Diplomaten von palästinensischem Mob gejagt

Das Palästinensische Museum in Birzeit bei Ramallah
Das Palästinensische Museum in Birzeit bei Ramallah (Quelle: Dan Palraz / CC BY-SA 4.0)

Eine Delegation von EU-Repräsentanten wollte im Palästinensischen Museum in Ramallah eine Konferenz abhalten, doch die Diplomaten waren nicht willkommen und wurden von einem Mob, zu dem auch Studenten gehörten, mit Steinen beworfen und bedroht.

Sechs Jahre ist es her, da erklärte Abdallah Abushawesh, ein palästinensischer Vertreter bei den Vereinten Nationen, der Welt palästinensisches Kulturgut: »Wir sind sehr klug und Experten im Steinewerfen. Darauf sind wir sehr stolz.« Das bekamen nun EU-Diplomaten in Birzeit bei Ramallah zu spüren. Sie hatten sich im dortigen Palästinensischen Museum treffen wollen.

Das Palästinensische Museum ist laut eigener Darstellung eine in der Schweiz registrierte NGO »mit einer Zweigstelle in Palästina«. Gegründet wurde es der Website zufolge 1997 aus Anlass »des 50. Jahrestags der Nakba«, also der »Katastrophe«, dass auch die Invasion der arabischen Armeen die Gründung Israels nicht hatte verhindern können und stellt damit ein Museum dar, das der Trauer über Israels Existenz gewidmet ist.

Dort also wollten die EU-Repräsentanten am 30. April konferieren – man weiß nicht genau, warum. Sicherlich wird es, wie meist in solchen Fällen, darum gegangen sein, irgendwelche »Signale« zu senden und »Zeichen« zu setzen. Diese Zeichen setzten dann aber stattdessen die palästinensischen Gastgeber.

Europäische Diplomaten gejagt

In Videos auf der Plattform X ist zu sehen, wie ein Mann im blaugrauen Anzug im Laufschritt ein Areal – offenbar den Vorhof des Palästinensischen Museums – verlässt, verfolgt von einem Mob. Anders als in den meisten Tweets behauptet, handelt es sich bei dem Mann allerdings nicht um einen deutschen Diplomaten, sondern um den italienischen Generalkonsul Domenico Bellato.

Andere Videos zeigen, wie sein Dienstwagen, nachdem er eingestiegen ist, von dem Mob umringt und mit Steinen beworfen wird. Jemand reißt den linken Außenspiegel ab. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet, dass es sich bei den Teilnehmern des Mobs um Studenten der nahen Universität Birzeit handle. Diese ist bekannt als Hochburg der Hamas, deren »Islamischer Block« dort bei den letzten Wahlen zum Studentenparlament rund fünfzig Prozent der Stimmen erhielt. Ein »Studentenvertreter« namens Omar Kayed sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: »Die Studentenbewegung verweigerte den Besuchern den Zutritt zum Museum wegen ihrer Haltung zum Völkermord in Gaza. Deshalb haben wir sie aufgefordert, das Museum zu verlassen.«

Eine am Tatort anwesende Quelle sagte AFP, die Menge habe nach einem »Diplomaten aus Deutschland gesucht«. Offenbar hatte der Mob eigentlich den deutschen Repräsentanten Oliver Owcza angreifen wollen. Dieser teilte auf X mit: »Wir bedauern, dass das heutige Treffen der EU-Missionsleiter im Nationalmuseum in Birzeit durch Demonstranten ungebührlich gestört wurde. Trotzdem setzen wir uns weiterhin für eine konstruktive Zusammenarbeit mit unseren palästinensischen Partnern ein!« – Man sieht, was dabei herauskommt.

Christian Kussler, ein Sprecher der deutschen Vertretung in Ramallah, sagte gegenüber AFP: »Heute fand im Museum eine EU-Klausur statt. Um die Mittagszeit versammelte sich draußen eine Demonstration. Die anwesenden EU-Missionschefs, darunter auch der deutsche, haben beschlossen, das Gebäude zu verlassen.« Die Bewertung der Situation sei noch im Gange. Unterdessen erklärte das Museum, in dem die EU-Vertreter sich getroffen hatten, von einem solchen Treffen nichts gewusst zu haben – ansonsten hätte man die Diplomaten gar nicht erst eingelassen: »Wir haben keine Botschafter der Länder eingeladen, die heute anwesend waren, hieß es in der Erklärung. »Uns wurde keine Liste mit den Namen der Eingeladenen vorgelegt.«

Äußerst ungewöhnlich

Dass EU-Diplomaten sich an einem Ort treffen, an dem sie nicht willkommen sind und dann auch noch fast gesteinigt werden, ist äußerst ungewöhnlich. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte auf Anfrage von Mena-Watch mit: »Am Rande einer Tagung der EU-Missionsleiterinnen und Missionsleiter im Palästinensische Nationalmuseum in Birzeit ist es am 30. April zu Protesten gekommen. Auch der deutsche Leiter des Vertretungsbüros Ramallah, Oliver Owcza, war zugegen. Die Missionsleiterinnen und Missionsleiter entschieden, aus Sicherheitsgründen den Ort zu verlassen.«

Auch hier ist also von einer Entscheidung die Rede – nicht von einer Flucht, wie sie die Bilder nahelegen. Auf die Frage zu den Hintergründen der Attacke, den Tätern und ihren Motiven ging der Sprecher nicht ein.

Ebenso unbeantwortet blieben die Fragen, ob es die Aufgabe der Palästinensischen Autonomiebehörde gewesen wäre, eine solche Situation durch den Einsatz von Polizeikräften und Absperrmaßnahmen zu verhindern; ob es in den vergangenen zwei Jahren irgendeinen vergleichbaren Vorfall in einem anderen Land der Welt gab; und ob der deutsche diplomatische Vertreter bei den offiziellen palästinensischen Kanälen Protest eingereicht hat.

Der Vorfall erinnert daran, wie neun ausländische UNRWA-Manager vor einigen Jahren einmal vor ihren eigenen palästinensischen Mitarbeitern aus dem Gazastreifen fliehen mussten, weil ihr Leben dort nicht mehr sicher war. Auf die Frage, ob es Morddrohungen gegen UNRWA-Mitarbeiter in Gaza gegeben habe, sagte der damalige deutsche UNRWA-Direktor Matthias Schmale, dass Mitglieder der UNRWA-Mitarbeitergewerkschaft »nicht explizit« gedroht hätten, ihn oder andere Mitarbeiter der Agentur zu töten, dass aber einige von ihnen »Bemerkungen gemacht haben, die ganz klar darauf hindeuteten, dass sie mit ernsthaften Maßnahmen in dieser Richtung drohen«.

Der jüngste palästinensische Gewaltausbruch gegen EU-Vertreter ereignete sich rund eine Woche nachdem die Europäische Union Sanktionen gegen vermeintlich gewalttätige israelische Juden im Westjordanland beschlossen hatte. Gegen die Palästinensische Autonomiebehörde und die an dem Mob beteiligten Personen wird es sicherlich keine Strafmaßnahmen wie etwa Einreiseverbote geben. Auch das Geld der EU und Deutschlands wird weiterhin fließen, egal, wie sehr die Palästinenser klar machen, dass sie die Deutschen und die EU hassen.

Laut einer im Herbst durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Arab World for Research and Development (AWRAD) mit Sitz in Ramallah haben exakt 0,0 Prozent der Palästinenser eine »sehr positive« Meinung zur EU, 2,6 Prozent eine »leicht positive«, 5,1 Prozent eine »leicht negative« und überwältigende 89,3 Prozent eine »sehr negative«. Demgegenüber sehen 77,5 Prozent der Palästinenser die Hamas »positiv« oder »sehr positiv«, und 86,7 Prozent haben eine »positive« oder »sehr positive « Einstellung zum Islamischen Dschihad.

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